Essentielle Schriften

Essentielle Schriften – Hermann von Bezzel

Der 1917 in München verstorbene Hermann von Bezzel war lutherischer Theologe, Rektor der Diakonissenanstalt Neuendettelsau und Oberkonsistorialpräsident der bayerischen Evangelisch-Lutherischen Landeskirche. In diesem Werk finden sich viele seiner wichtigsten Predigten und Schriften.

Essentielle Schriften

Essentielle Schriften.

Format: Paperback, eBook

Essentielle Schriften.

ISBN: 9783849665685 (Paperback)
ISBN: 9783849662196  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

 

Von der Barmherzigkeit

Schriftgrund

Text: Luk. 6, 36-42- Von der Stellung zum Nächsten Luk. 6:36 Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.

Luk. 6:37 Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.

Luk. 6:38 Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen.

Luk. 6:39 Er sagte ihnen aber auch ein Gleichnis: Kann auch ein Blinder einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen?

Luk. 6:40 Der Jünger steht nicht über dem Meister; wenn er vollkommen ist, so ist er wie sein Meister.

Luk. 6:41 Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr?

Luk. 6:42 Wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt still, Bruder, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge und sieh dann zu, dass du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst!

Rückblick auf die vorangegangenen Hinweise Jesu

 

Ihr seid meine Freunde, so ihr tut, was ich euch gebiete. Knechte hören von Befehl des Herrn nur das, was ihnen gefällt, und tun soviel, als sie mögen. Aber Freunde versenken sich in das Wort ihres Freundes und lassen dieses Wort ihnen am Herzen und im Gewissen sein, leben, weil von Ihm, auch nach Ihm und erweisen darin ihre Freundschaft, dass sie das Wort des Freundes ganz zu dem ihrigen machen.

Unser Herr hat in den Evangelien der letzten Sonntage drei große Freundesgrüße uns geboten. Er hat uns gezeigt, wie Erbarmen den Lazarus in der Heimat tröstet, also dass jedes Erdenleid bei ihm und von ihm vergessen sein darf, hat uns darauf hingewiesen, mit welchem Erbarmen das große Abendmahl zugerüstet ist, das nicht eingenommen wird, es hätten denn alle verfügbaren Plätze ihre Gäste gefunden. Und dann hat Er vor acht Tagen in die wunderbare Tiefe Seines Erbarmens blicken heißen, wie er sich frühe aufmacht und hernach lange sucht, bis er triumphieren kann, und wie Er die Kirche antreibt, dass sie das Haus kehre, bis der verlorene Groschen gefunden wird, und hat uns einen Einblick in Geheimnisse der Ewigkeit tun lassen, in der nichts anderes Gegenstand der Freude sein wird, als Heimkehr des Verlorenen und Entdecken des Vermissten.

Seid barmherzig!

Heute, nachdem der Herr Seinen Freundeswillen gegen uns in Erbarmen kund getan hat, wendet Er sich an uns alle: Freunde, tut, was ich euch gebiete! Er gebietet ganz einfach: darum seid barmherzig!

Wir aber sprechen ebenso schlicht von der Barmherzigkeit

1.       Art,

2.       Ort

3.       Lohn.

Du aber, o Jesu, erbarme Dich unser.

I. Die Art der Barmherzigkeit

Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist, der nach Seiner wunderbaren Weisheit Menschen Ihm zum Bilde schuf, damit man an ihrer Art die Seine erkenne und von ihrem Wesen auf das Seine schließen könne. In jedem Menschenherzen ein Zug von Gott und zu Gott; in jeder Menschenart ein Hinweis, sei es auf den verlorenen, sei es auf den gefundenen Herrn. Immer wieder leuchtet aus Menschenart die Gottesebenbildlichkeit, aus Menschenwesen das Gotteswesen hervor. Der Vater, der barmherzig ist über alles, Seine Sonne über Böse und Gute hat aufgehen lassen und in der Fülle der Zeiten die Fülle Seiner Gnade über eine arme und schattenreiche Welt aufsteigen ließ; der Gott aller Gnade, der männiglich zu dieser Gnade und diesem Genuss einlädt, der hat auch dich mit einem Reichtum von Erbarmen überschüttet, mit der Großtat der Liebe heimgesucht.

 

Mein Vater ist barmherzig

Denke nur an die vergangene Woche! Wie hat er dich äußerlich behütet und innerlich begnadigt! Er ist an deinem Hause mit der Strafe vorbeigegangen, nicht mit der Treue. Er hat Dir manchen Sonnenstrahl gegönnt, denn Er ist barmherzig. Wenn nun auch manche Seele unter dieser Barmherzigkeit gleichgültig dahingegangen sein wird, dem Eindruck wird sie sich nicht entziehen, das auch die vergangene Woche ein großes Zeugnis unverdienten Erbarmens gebracht hat. Noch darf ich leben, noch kann ich arbeiten, noch liegt die Zeit vor mir als Kapital, mit dem ich wirken darf, noch ist die Kraft mir gegönnt, aus der ich Zinsen bringen kann. Mein Vater ist barmherzig!

Weil es aber dem Menschen nicht gelingen will, zur göttlichen Höhe irgendwie emporzusteigen, er vielmehr seine Unzulänglichkeit täglich und reichlich erkennen muss und das umso mehr, je mehr er sich anstrengt, hat der Heiland drei Merkzeichen gegeben, an denen jeder erkennen kann, ob er barmherzig nach der Art des Vaters ist.

 

Prüfe deine Rede

Er fragt dich zuerst nach deinem Wort. Richtet nicht, verdammt nicht! Sieh, du fährst so schnell mit deiner Rede einher, ohne dass du die geheimen Lebensgänge dessen kennst, den du verurteilt hast. Weißt Du aus wieviel schlaflosen Nächten seine Verfehlung geboren war; kannst du ahnen, welche bitteren Kämpfe vorangegangen sind, ehe er fiel? Ist es dir bewusst geworden, in welchen schweren, nächtigen Stunden er sich gemüht hat, dass er den Segen empfinge; aber er ist dennoch ausgeglitten! Und du verurteilst mit schnellem Wort, gleich als wolltest du nicht nur jede Gemeinschaft mit ihm aufkünden, sondern als wolltest du, dass du auch versucht werdest, in Abrede nehmen.

Du eilst über deinen Bruder den Stab zu brechen, weißt du nicht, dass der Richter auch vor deiner Türe steht? Kehre zum Besten, was sich noch entschuldigen lässt, suche nach Gründen, wo noch ein mildernder Grund vermutet werden kann. Lass dich´s nicht dauern, bei deinem Bruder viel Lindigkeit anzuwenden, er ist wohl gerechter, denn du es bist! Und der Heiland, der da weiß, dass wer in keinem Worte fehlet, ein vollkommener Mann ist, der die Ehebrecherin barmherzig freisprach und der Sünderin die Annäherung des Dankes an Ihn gestattet, der Herr, der so gnädig über den Sünder urteilt, damit Er desto schärfer die Sünde verdamme, weist dich weiter hin auf die Barmherzigkeit.

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