Herr Purtaller und seine Tochter

Herr Purtaller und seine Tochter – Gustav Falke

Herr Purtaller ist Lehrer. Ein guter Lehrer, wie er meint, ja sogar ein sehr guter und äußerst gründlicher, der sein Handwerk wirklich versteht. Bis sich eines Tages seine Ruhmsucht ins Unermeßliche steigert …

Herr Purtaller und seine Tochter

Herr Purtaller und seine Tochter.

Format: eBook

Herr Purtaller und seine Tochter.

ISBN eBook: 9783849655389

 

 

Auszug aus dem Text:

Herr Purtaller machte drei seiner raschen, zappelnden Verbeugungen, bevor er sich auf den angebotenen Stuhl in Frau Köpkes Wohnstube niederließ; als er saß, verneigte er sich noch ein viertes Mal.

Frau Köpke, die breit und behaglich ihm gegenüber Platz genommen hatte, hielt eine nicht sehr saubere Visitenkarte zwischen ihren fleischigen Fingern. Eine leise Enttäuschung zeigte sich auf ihrem runden, gutmütigen Gesicht, während sie ihre hellen Augen zwischen der Karte und ihrem Besucher hin- und herwandern ließ.

»Hier steht ›Kand‹ vor Ihrem Namen. Heißen Sie so?« fragte sie.

Herr Purtaller konnte seine Heiterkeit nicht bezwingen.

»Das heißt Kandidat,« erwiderte er lächelnd. »Kandidat Purtaller.«

»So, so.«

»Ja. Ich bin nämlich von Haus aus Theologe.«

»So–o–.«

»Ja. Ich habe auch schon auf der Kanzel gestanden. Ja. Kennen Sie Harnack?

»Wie heißt der Mann?«

»Harnack, der berühmte Harnack.«

»So, den,« sagte Frau Köpke, obgleich sie keine Ahnung hatte, wer das sei.

»Ja, den. Ich besitze ein Buch von ihm, mit eigenhändiger Widmung.«

Herr Purtaller bemühte sich, von oben herab auf sein Gegenüber zu sehen: was sagst du nun?

»Wie interessant,« sagte Frau Köpke.

»Nicht wahr? Es ist ein Schatz für mich!« rief Herr Purtaller.

»Und warum sind Sie denn nicht auf der Kanzel geblieben?« fragte Frau Köpke.

»Ich eignete mich nicht zum Theologen. Ich war es nur meinem Vater zur Liebe geworden. Ich studierte dann Philologie, konnte aber nicht ausstudieren, weil mein Vater starb. So mußte ich mir mein Brot als Journalist suchen.«

»Ach,« sagte Frau Köpke bedauernd.

»Ja, in Merseburg; da schrieb ich die Theaterkritiken, und das war mein Unglück, grade das.«

»Das Theater war Ihr Unglück?«

»Ja, es wurde meine Leidenschaft, meine Liebe. Ich wollte selbst Theaterdirektor spielen, hatte auch bald eine kleine Truppe beieinander; aber nach einem halben Jahr brach alles zusammen. Und da sitz ich nun.«

Auf Frau Köpkes Gesicht zeigte sich ein leises Unbehagen.

Herr Purtaller bemerkte das.

…..

 

 

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