Kommentar zu den Briefen des Heiligen Paulus an die Galater und Epheser

Kommentar zu den Briefen des Heiligen Paulus an die Galater und Epheser – Johannes Chrysostomos

Der Brief an die Galater ist das neunte Buch des Neuen Testaments. Der Apostel Paulus hat diesen Brief an eine Reihe frühchristlicher Gemeinden in Galatien geschrieben. Gelehrte vermuten, dass es sich dabei entweder um die römische Provinz Galatien in Südanatolien oder um eine große Region handelt, die von einer keltischen Volksgruppe in Zentralanatolien definiert wird. Der Epheserbrief ist das darauf folgende Buch des Neuen Testaments. Dem Text zufolge wurde auch dieser Brief vom Apostel Paulus geschrieben, eine Zuschreibung, die von den Christen traditionell akzeptiert wird. Seit 1792 behaupten jedoch einige Gelehrte, der Brief sei deutero-paulinisch, d. h. eine Pseudepigraphie, die im Namen des Paulus von einem späteren Autor geschrieben wurde, der stark von dessen Gedanken beeinflusst war.

Kommentar zu den Briefen des Heiligen Paulus an die Galater und Epheser

Kommentar zu den Briefen des Heiligen Paulus an die Galater und Epheser.

Format: eBook/Taschenbuch

Kommentar zu den Briefen des Heiligen Paulus an die Galater und Epheser

ISBN eBook: 9783849663070

ISBN Taschenbuch: 9783849664947

 

Auszug aus dem Text:

 

I. Kapitel

1.

 * Vers 1: „Paulus, Apostel nicht von Menschen noch auch durch Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott den Vater, der ihn auferweckt hat von den Toten, V. 2: und alle Brüder, die bei mir sind, an die Kirchen von Galatien. V. 3: Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“ *

Der Eingang ist voll heftiger Erregung und starken Hochgefühls. Aber nicht der Eingang allein, sondern sozusagen der ganze Brief. Denn stets nur in Güte mit den Schülern zu verkehren, auch wenn sie der Strenge bedürfen, wäre nicht Lehrers, sondern böswilligen Verführers Art. Deshalb hat auch der Herr, obschon er zumeist gar liebreich mit seinen Schülern umging, dennoch bisweilen auch härtere Worte gefunden; und jetzt eben preist er selig, jetzt aber tadelt er. So, nachdem er zu Petrus gesagt: „Selig bist du, Simon, Sohn des Jonas“[1] und ihm verheißen, daß er auf sein Bekenntnis die Kirche gründen wolle, fährt er nicht lange darnach ihn also an: „Fort mit dir hinter mich, Satan, du bist mir zum Ärgernis!“[2] Und anderswo wieder: „Nun, seid auch ihr immer noch unverständig?“[3] Er flößte ihnen, wie auch Johannes erzählt, solche Furcht ein, daß sie, als sie ihn im Gespräche mit der Samariterin erblickten, zwar des Essens schüchtern Erwähnung taten, „keiner jedoch sich zu sagen getraute: Was redest du oder was begehrst du mit ihr?“[4] Das merkte sich Paulus, und als getreuer Nachfolger seines Meisters gestaltete er die Rede mannigfach je nach dem Bedürfnisse seiner Schüler: bald brennt und schneidet er, bald legt er lindernde Heilmittel auf. So sprach er zu den Korinthern: „Was wollt ihr? Soll ich mit der Zuchtrute zu euch kommen oder mit Liebe und im Geiste der Sanftmut?“[5] Zu den Galatern aber: „O ihr unverständigen Galater!“[6] Und nicht bloß das eine, sondern auch noch ein zweites Mal hat er diesen Vorwurf gebraucht. Und gegen das Ende zu äußerte er sich tadelnd zu ihnen: „Fortan bereite mir keiner Beschwernis!“[7] Doch heilt er auch wieder, so wenn er sagt: „Meine Kindlein, für die ich von neuem in Geburtswehen bin“,[8] und was dergleichen Ausdrücke mehr sind. — Daß indes der Brief voller Erregung ist, wird jedem gleich bei der ersten Lesung offenbar. Es gilt aber darzutun, was (den Apostel) gegen seine Schüler so in Harnisch gebracht hat. Nichts Kleinliches und Geringfügiges kann dies gewesen sein, sonst würde er gewiß nicht ein so scharfes Vorgehen gewählt haben. Denn bei jedem beliebigen Anlaß sich zu erhitzen, verrät reizbaren, mürrischen, verdrießlichen Sinn, so wie anderseits nur feigen und schlaffen Seelen in wichtigen Augenblicken der Mut entsinkt. Aber Paulus gehörte nicht zu diesen. Welches war nun das Vergehen, das ihn dermaßen erregte? Ein gar großes und überaus schweres, eines, das sie alle (die ganze Gemeinde) Christus entfremdete, wie er selber weiterhin erklärt: „Siehe, ich, Paulus, sage euch, daß, wenn ihr euch beschneiden lasset, Christus euch nichts nützen wird.“[9] Und wiederum: „Die ihr durch das Gesetz gerechtfertigt werden wollet, seid aus der Gnade gefallen.“[10] Was ist’s nun also damit? Wir müssen diesen Punkt deutlicher erklären. — Es kamen Judengläubige zu den Galatern, die, gleichermaßen in jüdischen Vorurteilen befangen und aufgebläht von eitler Ruhmsucht, dazu begierig, Lehreransehen sich zu erwerben, anfingen zu lehren, man müsse sich beschneiden lassen, die Sabbate und Neumonde halten und dürfe dem Paulus nicht folgen, der solches abschaffe. Denn die um Petrus, Jakobus und Johannes, so versicherten sie, verböten dies nicht, und sie seien doch die Ersten der Apostel und hätten mit Christus selber verkehrt. Und in der Tat, sie verboten es nicht. Aber indem sie so handelten, wollten sie keineswegs unverrückbare Normen schaffen, sondern lediglich der Schwäche derer begegnen, die aus dem Judentum zum Glauben übertraten. Paulus als Heidenapostel hingegen brauchte keine solche Rücksicht zu nehmen. Übrigens hat auch er, während er in Judäa weilte, die gleiche Rücksicht geübt. Die (genannten) Betrüger jedoch verschwiegen die Gründe, durch welche er sowohl als jene zur Rücksichtnahme bewogen wurden, und schwätzten den einfältigen Leuten trügerischerweise vor, man dürfe es nicht mit Paulus halten; denn dieser sei von gestern und heute, Petrus aber und seine Partei seien zuerst dagewesen; dieser sei nur Apostelschüler, jene aber seien Schüler Christi; dieser stehe für sich allein, jene aber seien viele und zudem die Säulen der Kirche. Ja selbst der Heuchelei klagten sie ihn an und sagten: Gerade er, der die Beschneidung abschaffen will, hat diese Dinge andernorts in offenkundigem Gebrauch, predigt also euch dies und andern das. — Da Paulus nun sah, wie das ganze Volk Feuer fing und ein gefährlicher Brand die Kirche der Galater ergriff und das Haus wankte und in Einsturzgefahr schwebte, schrieb er teils aus gerechtem Zorne, teils aus tiefer Betrübnis heraus — denn auch diese spricht sich aus in den Worten: „Ich möchte jetzt bei euch anwesend sein und ändern meine Stimme“[11] — , zur Verteidigung gegen all diese Anklagen seinen Brief. — Gleich zu Anbeginn tritt er so jener Behauptung entgegen, durch die sie seinen Ruf zu untergraben suchten, daß nämlich wohl die anderen Schüler Christi seien, er aber nur Schüler der Apostel. Deshalb begann er auch folgendermaßen: „Paulus, Apostel nicht von Menschen, noch auch durch Menschen.“ Wie schon bemerkt, streuten jene Betrüger aus, er sei der letzte aller Apostel und habe seine Lehre von diesen empfangen. Denn Petrus, Jakobus und Johannes wären zuerst berufen, seien die vornehmsten unter den Jüngern und hätten ihre Lehre unmittelbar von Christus erhalten; darum müsse man ihnen mehr Glauben schenken als diesem. Jene aber verwehrten weder die Beschneidung noch (überhaupt) die Beobachtung des Gesetzes.

2.

Solches und Ähnliches redeten sie, rissen diesen herunter und rühmten jene empor, wobei es ihnen nicht um deren Lob, sondern um die Täuschung der Galater zu tun war. Und es gelang ihnen — wie unzeitgemäß! —, sie zur Beobachtung des Gesetzes zu bestimmen. Mit gutem Grunde wählte also (der Apostel) diesen Eingang. Da sie nämlich seine Lehre schlechtmachten und sagten, sie stamme von Menschen, des Petrus Lehre dagegen von Christus, so nimmt er gleich anfangs dagegen Stellung und betont, er sei Apostel „nicht von Menschen, noch auch durch Menschen“. Wohl hat ihn Ananias getauft; aber nicht er hat ihn dem Irrwahne entrissen und zum Glauben geführt, sondern Christus selbst war es, der ihn aus der Höhe so wunderbar rief und ihn dadurch in seinem Netze fing. Den Petrus und seinen Bruder, den Johannes und dessen Bruder berief er eben, als er noch am Meeresstrande wandelte,[12] den Paulus aber nach seiner Auffahrt in den Himmel. Und wie jene keines zweiten Rufes bedurften, sondern auf der Stelle Netz und sonstige Habe verließen und ihm nachfolgten, so stieg auch dieser von der ersten Berufung hinweg zur höchsten Höhe empor. Kaum getauft, eröffnete er einen unversöhnlichen Kampf gegen die Juden und übertraf darin weitaus seine Mitapostel; denn „mehr als sie“, so spricht er, „habe ich gearbeitet“.[13] Aber noch betont er diesen Punkt nicht, sondern will nur den übrigen gleichgestellt werden. Denn was er erstrebte, war nicht, seinen Vorrang vor jenen darzutun, sondern die irrigen Voraussetzungen zu zerstören. — Das „nicht von Menschen“ war allen gemeinsam; denn die evangelische Predigt hat Ursprung und Wurzel von oben her. Das „nicht durch Menschen“ aber war den Aposteln eigentümlich; denn (Christus) berief sie nicht durch Menschen, sondern selber in eigener Person. — Warum aber erwähnte Paulus nicht seine Berufung, etwa mit den Worten: Paulus, berufen nicht von Menschen; warum gerade sein Apostolat? Deshalb, weil sich um diesen Punkt der ganze Streit drehte. Man behauptete nämlich, von Menschen, und zwar von den Aposteln, habe er sein Predigtamt empfangen und nach ihnen müsse er sich also auch richten. Daß er es aber nicht von Menschen empfing, erhellt aus der Stelle bei Lukas: „Während sie dem Herrn den Dienst feierten und fasteten, sprach der Hl. Geist: Sondert mir den Paulus und den Barnabas ab!“[14] Aus dieser Stelle geht klar hervor, daß eine und dieselbe Gewalt dem Sohne und dem Geiste eignet.[15] Obschon nämlich Paulus vom Geiste gesandt wurde, behauptet er doch, von Christus gesandt zu sein. Dasselbe legt er auch anderswo dar, indem er dem Geiste göttliche Rechte zuschreibt. In seiner Unterredung mit den Presbytern von Milet[16] nämlich spricht er: „Habt acht auf euch und die ganze Herde, über die euch der Hl. Geist zu Hirten und Bischöfen eingesetzt hat!“[17] Gleichwohl schreibt er in einem anderen Briefe: „Welche Gott gesetzt hat in der Kirche erstens als Apostel, zweitens als Propheten, dann als Hirten und Lehrer.“[18] So unterschiedslos drückt er sich aus, indem er die Prädikate des Geistes Gott, die Prädikate Gottes dem Geiste zuschreibt. — Aber er stopft den Ketzern[19] auch in anderer Weise den Mund, indem er sagt: „durch Jesus Christus und Gott den Vater“. Da sie nämlich behaupten, diese Partikel (δι) werde vom Sohne gebraucht, weil sie die Unterordnung ausdrücke, sieh, was tut er? Er setzt sie vor das Wort Vater und belehrt uns dadurch, keine Regeln für die unaussprechliche Wesenheit aufzustellen, noch die Gottheit zwischen Vater und Sohn nach Maßen abzugrenzen. Nachdem er nämlich gesagt hat: „durch Jesus Christus“, fährt er fort: „und Gott den Vater“. — Wenn er den Vater allein erwähnt und gesagt hätte „durch welchen“, so würden sie wahrscheinlich auch da herumgeklügelt und behauptet haben, der Ausdruck „durch welchen“ passe deshalb auf den Vater, weil die Werke des Sohnes auf ihn zurückgeführt würden. Nun er aber den Sohn zugleich mit dem Vater erwähnt und die Partikel gleichmäßig auf beide bezieht, läßt er diese Ausrede nicht mehr zu. Denn Paulus will, indem er also verfährt, keineswegs die Prädikate des Sohnes dem Vater beilegen, sondern lediglich zeigen, daß die Partikel δι keine Wesensverschiedenheit begründe. — Was vermöchten hier sodann jene vorzubringen, welche aus der Taufformel eine gewisse Unterordnung erschließen, weil nämlich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes getauft werde? Wenn der Sohn deshalb geringer ist, weil er dort nach dem Vater zu stehen kommt, was könnten sie sagen, nachdem hier der Apostel mit Christus beginnt und dann erst zum Vater übergeht? Bewahre uns Gott übrigens vor jeglicher Lästerung! Wir dürfen im Streite mit jenen uns nicht der Wahrheit begeben, aber wir müssen auch, mögen sie hundert- und tausendmal Blödsinn schwätzen, uns in den Schranken der Gottesfurcht halten. Wie wir nun nicht behaupten können, der Sohn sei größer als der Vater, weil (Paulus hier) Christus an erster Stelle nennt — denn das wäre heller Wahnsinn und der Gipfel der Gottlosigkeit —, ebensowenig dürfen wir folgern, der Sohn sei geringer als der Vater, weil dort der Sohn dem Vater nachgesetzt wird. — „Welcher ihn auferweckt hat von den Toten.“ Was tust du, Paulus? Die jüdisch Gesinnten willst du zum Glauben führen und erwähnst nichts von jenen großen und herrlichen Dingen, z. B. das, was du im Briefe an die Philipper schriebst:

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