Kommentar zu den Briefen des Heiligen Paulus an die Philipper und Kolosser

Kommentar zu den Briefen des Heiligen Paulus an die Philipper und Kolosser – Johannes Chrysostomos

Der Philipperbrief ist ein Brief aus dem Neuen Testament der christlichen Bibel. Die Epistel wird dem Apostel Paulus zugeschrieben, während Timotheus als Mitverfasser genannt wird. Der Brief ist an die christliche Gemeinde in Philippi gerichtet. Paulus, Timotheus, Silas (und vielleicht auch Lukas) besuchten Philippi in Griechenland (Mazedonien) zum ersten Mal während der zweiten Missionsreise von Antiochia aus, die etwa zwischen 49 und 51 nach Christus stattfand. Der Brief an die Kolosser ist das zwölfte Buch des Neuen Testaments. Dem Text zufolge wurde er vom Apostel Paulus und von Timotheus geschrieben und war an die Gemeinde in Kolossä gerichtet, einer kleinen phrygischen Stadt in der Nähe von Laodizea und etwa 160 Kilometer von Ephesus in Kleinasien entfernt. Einige Gelehrte haben die Urheberschaft des Paulus zunehmend in Frage gestellt und den Brief stattdessen einem frühen Nachfolger zugeschrieben, andere verteidigen ihn jedoch nach wie vor als authentisch.

Kommentar zu den Briefen des Heiligen Paulus an die Philipper und Kolosser

Kommentar zu den Briefen des Heiligen Paulus an die Philipper und Kolosser.

Format: eBook/Taschenbuch

Kommentar zu den Briefen des Heiligen Paulus an die Philipper und Kolosser

ISBN eBook: 9783849663087

ISBN Taschenbuch: 9783849664954

 

Auszug aus dem Text:

 

Erste Homilie (Einleitung)

 

1.

 Die Philipper sind die Bewohner einer Stadt in Mazedonien, einer Pflanzstadt, wie Lukas sagt[1]. Hier bekehrte sich die Purpurhändlerin, ein sehr frommes und aufmerksames Weib[2]; hier nahm der Synagogenvorsteher[3] den Glauben an; hier wurden Paulus und Silas gegeißelt[4]; hier bat sie die Obrigkeit, (die Stadt) zu verlassen und geriet ihretwegen in Angst[5]; und (hier) nahm die Predigt des Evangeliums einen glänzenden Anfang. Paulus selbst stellt ihnen ein herrliches Zeugnis aus, indem er sie seine Krone nennt[6] und erklärt, sie hätten vieles gelitten. „Denn euch“, sagt er, „wurde von Gott die Gnade gewährt, nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden[7].“ — Zu der Zeit aber, als er an sie schrieb, lag er gerade in Banden. Deshalb sagt er: „So daß meine Bande in Christo kund geworden sind im ganzen Hoflager[8]“, wobei er unter Hoflager den Palast des Nero meint. Er wurde jedoch aus dieser Kerkerhaft wieder entlassen, wie er im Briefe an Timotheus andeutet mit den Worten: „Bei meiner ersten Verantwortung ist mir niemand beigestanden, sondern alle haben mich verlassen; möge es ihnen nicht zugerechnet werden! Aber der Herr stand mir bei und stärkte mich[9].“ Er redet mithin von den Banden, in welchen er vor jener Verantwortung schmachtete. Denn daß damals Timotheus nicht anwesend war, ist klar. „Bei meiner ersten Verantwortung“, sagt er, „ist mir niemand beigestanden.“ Und diesen Umstand teilte er ihm brieflich mit. Wenn nun jener schon darum wußte, so hätte er ihm sicher nicht geschrieben. Als Paulus aber den vorliegenden Brief abfaßte, war Timotheus bei ihm. Dies erhellt aus den Worten: „Ich hoffe aber im Herrn Jesus, den Timotheus in Bälde euch schicken zu können[10]“, und wiederum; „Diesen nun hoffe ich euch sofort schicken zu können, sobald ich ersehe, wie es um mich steht[11].“ Er wurde nämlich aus der Haft entlassen und wiederum in Haft gesetzt, seitdem er zu ihnen gekommen war. Wenn er aber schreibt: „Ich will selbst hingeopfert werden über dem Opfer und Dienste eures Glaubens[12]“, so spricht er nicht so, als ob dies unmittelbar bevorstände, sondern will sagen: Selbst wenn mir dies begegnen sollte, so freue ich mich, um sie von ihrer Mutlosigkeit wegen seiner Gefangenschaft aufzurichten. Denn daß der Tod ihm damals nicht drohte, ergibt sich aus seinen Worten: „Ich hoffe aber im Herrn, daß ich auch selber bald zu euch kommen werde[13]“, und wiederum: „Und dieses weiß ich zuversichtlich, daß ich bleiben und mit euch allen zusammenbleiben werde[14],“

Es hatten aber die Philipper an ihn den Epaphroditus abgeschickt, damit er ihm Geldbeiträge überbringe und sich nach seiner Lage erkundige; denn sie waren ihm sehr in Liebe zugetan. Über diese Sendung höre ihn selber: „Ich bin mit allem versehen, und mehr als genug; ich habe in Hülle und Fülle, seitdem ich von Epaphroditus eure Geschenke erhalten[15].“ Sie hatten zu eben diesem Behufe geschickt, um über seine Lage Erkundigungen einzuziehen. Denn daß sie auch in der Absicht geschickt hatten, etwas über seine Lage zu erfahren, ergibt sich daraus, daß er gleich am Anfange seines Briefes auf seine Verhältnisse zu sprechen kommt und schreibt: „Ich will euch aber in Kenntnis setzen, daß meine Lage vielmehr zur Förderung des Evangeliums gediehen ist[16]“, und wiederum: „Ich hoffe, den Timotheus in Bälde euch schicken zu können, damit auch ich guten Mutes sei, wenn ich erfahre, wie es um euch steht[17].“ Die Worte: „damit auch ich …“ wollen (offenbar) besagen: So wie ihr, um volle Tröstung und Zuversicht zu erlangen, geschickt habet, euch zu erkundigen, so will auch ich tun, „damit ich guten Mutes sei, wenn ich erfahre, wie es um euch steht“, — Da sie nun längere Zeit nicht geschickt hatten — dies erhellt aus seinen Worten: „Endlich einmal seid ihr (wieder) aufgeblüht, für mich besorgt zu sein[18]“ — und jetzt über die Nachricht von seiner Einkerkerung mit Recht bestürzt sein mußten — denn wenn sie schon um Epaphroditus, der doch kein so ausgezeichneter Mann war wie Paulus, bangten, als sie die Kunde von seiner Erkrankung vernahmen, wieviel mehr dann um Paulus —: deswegen führt er im Eingange des Briefes zahlreiche Trostgründe bezüglich seiner Kerkerhaft an und zeigt, daß sie sich darüber nicht nur nicht betrüben, sondern sogar freuen sollen. Sodann rät er zu Eintracht und Demut, indem er sie belehrt, darin liege für sie der sicherste Schutz, und dadurch könnten sie die Feinde leicht besiegen. Denn nicht die Kerkerhaft, sagt er, ist für eure Lehrer betrübend, sondern die Uneinigkeit der Schüler. Jene bewirkt ja mit die Förderung des Evangeliums, diese dagegen dessen Zerstörung.

 

2.

Nachdem er sie nun zur Eintracht ermahnt und gezeigt hat, daß die Eintracht aus der Demut hervorgehe; nachdem er sich gegen die Juden, die unter dem Scheine des Christentums überall die Glaubenswahrheiten entstellten, auf das entschiedenste ausgesprochen, dieselben Hunde und schlechte Arbeiter[19] genannt und vor dem Umgange mit ihnen gewarnt; nachdem er ihnen ans Herz gelegt, worauf sie ihre Aufmerksamkeit richten sollten, und sich über viele Punkte der Sittenlehre verbreitet; nachdem er sie gehörig unterrichtet und durch die Worte: „Der Herr ist nahe[20]“ für sich gewonnen hat: gedenkt er mit der ihm eigenen Einsicht auch der übersandten Gaben und gewährt ihnen auf diese Weise reichen Trost. — Sichtlich schreibt er gerade an sie mit großer Hochachtung und bringt nirgends eine tadelnde Bemerkung vor, was ein Beweis ihrer Tugend ist, indem sie nämlich dem Lehrer keinerlei Anlaß zu Tadel boten, so daß sein Schreiben an sie nirgends den Charakter der Rüge, sondern durchaus den der Ermunterung an sich trägt. Was ich gleich anfangs erwähnte: diese Stadt bewies große Empfänglichkeit für den Glauben, wenn sogar der Kerkermeister — ein Amt, mit dem bekanntlich alle mögliche Roheit verbunden zu sein pflegt — auf ein einziges Wunder hin sofort herbeieilte und sich mit seinem ganzen Hause taufen ließ. Denn das vorgefallene Wunder hatte nur er allein gesehen, aber die Frucht davon genoß nicht er allein, sondern sein Weib und sein ganzes Haus mit ihm. Aber auch die Stadtobrigkeit, die ihn hatte geißeln lassen, hat dies mehr aus Übereilung und nicht aus Bosheit getan. Das ergibt sich daraus, daß sie ihn alsbald frei abziehen ließ und hinterher in Angst geriet. — Paulus stellt ihnen aber nicht bloß über ihren Glauben und die bestandenen Gefahren ein ehrenvolles Zeugnis aus, sondern auch über ihre Wohltätigkeit, indem er schreibt: „Gleich im Anfange des Evangeliums sandtet ihr einmal und (noch) ein zweites Mal zu meiner Notdurft“, während sonst niemand dieses tat. „Denn keine Gemeinde“, sagt er, „trat mit mir in das Verhältnis von Einnahme und Ausgabe[21].“ Daß sie es (fernerhin) unterließen, sei mehr der Ungunst der Verhältnisse als dem Mangel an gutem Willen zuzuschreiben. „Nicht als wäret ihr für mich nicht besorgt gewesen,“ erklärt er, „aber ihr waret nicht in der Lage[22].“

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