Liebe und Bananen

Liebe und Bananen – Artur Landsberger

In Landsbergers Satire wird (wieder mal) der Gesellschaft der Berliner Vorkriegszeit der Spiegel vorgehalten. Erzählt wird die Entstehungsgeschichte eines fiktiven Films, der angeblich zu Ehren Gerhard Hauptmanns gedreht werden soll und in einem Fiasko aus Verwechslungen endet.

Liebe und Bananen

Liebe und Bananen.

Format: eBook

Liebe und Bananen.

ISBN eBook: 9783849656232.

 

Auszug aus dem Text:

 

Es lebte lange nach Kaiser Karl einmal ein großer Dichter Dr. h. c. Johann Wolfgang Gerhart, das Haupt einer schlesischen Familie, der dem deutschen Volke unvergängliche Dichtungen geschenkt, im Alter aber der Metaphysik und dem Snobismus verfallen war. Metaphysik und Snobismus vertragen sich schlecht miteinander. Also geschah es, daß der große Dichter im Klub der deutschen Filmindustrie am 28. August, dem Geburtstage Goethes – was seine metaphysischen und snobistischen Gründe hatte – einen Vortrag über den deutschen Film zu halten gedachte. Goethe hätte das vielleicht auch getan. – Was war näher liegend, als daß man ihm zu Ehren eins seiner eigenen Werke verfilmte? Das scheiterte an dem hohen Preise, den der Dichter für das Verfilmungsrecht forderte. Also mußte man etwas Neues schaffen.

»Wenn schon!« sagte der deutschamerikanische Impresario S. Rachitis, der überall, wo er etwas zu verdienen schnupperte, seine schmutzigen Hände im Spiel hatte. Er trommelte, indem er Berge versprach, ein Dutzend der prominentesten Schauspieler in einem teuren Weinlokale am Zoo zusammen und erklärte:

»Der Gerhart ist ein Dichter, der sich hat den Kopf serbrochen für euch dutzende von Malen, damit ihr habt gute Rollen. Serbrecht ihr euch den Kopf für ihn einmal. Ich sahle alles.«

Und da Künstler Kinder sind, so saßen sie da und zerbrachen sich den Kopf, während S. Rachitis sich entfernte und zu zahlen vergaß.

»Gerhart ist Metaphysiker,« erklärte Albert Stein-Brück. »Was also liegt näher, als daß wir ihm zu Ehren ein Stück von Aristophanes verfilmen.«

Den Zusammenhang verstand – obschon manch einer wußte, wer Aristophanes war – niemand. Aber den Mut, das zu bekennen, fand nur die schwarze Pola, genannt Djojo, die mit viel Temperament Aristophanes für überlebt erklärte und sich leidenschaftlich für Hanns Heinz Ewers und die Verfilmung der Alraune einsetzte.

»Der Dyonisier und der Satanist!« widersprach Paul G. Olem. »Welche Blasphemie!«

Der Regisseur suchte zu vermitteln.

»Vielleicht führt ein Steg vom Himmel in die Hölle,« sagte er und dachte dabei an seinen großen Lehrmeister Reinhart Max, der diesen Steg wiederum von den Japanern übernommen hatte und dafür als Reformator der deutschen Bühne gefeiert wurde – während die Japaner ihrerseits von Reinhart Max die Bühne beherrschen lernten und begeistert riefen: »Die Eselsbrücke ist überwunden! Wir brauchen den Steg nicht mehr!«

»Die Nichte,« also genannt, weil sie mit einem nahmhaften (russische Orthographie) Dichter im sechsten Grade verwandt war, Olga von Tschochenska, plädierte für ein Sujet, das zur Hälfte mondän – sie zeigte den schönen Kopf – zur anderen Hälfte – sie zeigte die noch schöneren Beine – nur die Hälfte davon war. Zwischenstufe, aber ohne seelische Konflikte – möglichst Profil und Boudoir. Betreffs der Reklame verwies sie auf ihren Pressechef.

Curt Dubois, der Epikuräer, rieb sich die Hände, schob den Kopf ein wenig vor, lächelte und sagte:

»Ich – meinerseits – wie ich deutsche Dichter kenne – der Dyonisier hungrig – möchte essen. Geben wir dem Dyonisier ein Souper.« – Er schob sich das Taschentuch unter die Schulter und sagte:

»Vorspeise Tschochenska – Schilddivakrötensuppe – Pot de China mit jungen Pinajeffs – Polabombe mit Putti Fours.«

»Hören Sie auf! entsetzlich!« rief der Regisseur. »Schänden Sie mit Ihrem Blödsinn nicht die Majestät des Geistes! Es handelt sich nicht um einen Bierulk! Es gilt, einen Film zu schaffen! Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, gehen Sie in sich. Jeder soll sagen, was er sich in seiner Phantasie erwünscht, ersehnt. Der Reihe nach!«

Albert Stein-Brück wünschte sich, als reicher Amerikaner in Europa zu leben. Olga wäre gern eine wirkliche Komteß, die ihm das Geld abnimmt, während Dieferle erklärte, es sei ihm gleich, wo er lebe, ob mit Geld, ob ohne Geld, wenn er nur in Olgas Nähe wäre. Max Sülstorff wünschte sich, ein angesehener Hamburger Kaufmann zu sein, dessen Geld wiederum Harry Liefke durchzubringen wünschte – und zwar als Sportsman. Curt Dubois erklärte, sein Wunsch sei, in gutem Geruch zu stehen, was einige für eine Liebeserklärung an die herrlich nach Coty duftende Pina Jeff hielten, während der Regisseur meinte, vielleicht wolle er nur einen Koch oder Kellner spielen. Pina selbst erklärte sehr sinnig, sie wolle im Film wie im Leben eine große Rolle spielen, während Max Pika sich als Vegetarier mit einem gut gehenden Obst- und Gemüseladen zufrieden geben wollte. – »Ich mache es nicht unter einer Farm!« rief Paul G. Olem. »Wenn möglich im Stillen Ozean.« – »Nimm mich mit oder adoptier mich!« rief Pola Djojo, »und laß mich deine wilden Ponys reiten!« – Als Letzter verstieg sich Jan Ning-Holl so weit, daß er sich wünschte, Jannings zu sein.

»Und daraus soll ich einen Film machen!« klagte Schönthaler, der Regisseur, und war verzweifelt. »Hat denn nicht einer von euch einen vernünftigen Wunsch?«

In diesem Augenblick rief Pina laut:

»Ober! Haben Sie keine Bananen?«

»Aber ja,« erwiderte der.

»Mir auch!« rief Olga und nach ihr riefen es in kurzen Zwischenräumen die anderen.

»Zwölfmal!« zählte der Kellner, und Pola sagte:

»Eine ganze Plantage!«

»Plan-ta-ge!« wiederholte der Regisseur, warf die Arme hoch und sprang auf.

»Was ist?« fragten die anderen.

Aber Schönthaler hörte nichts mehr. Vor seinen Augen erstand der Film. Noch einmal sagte er – und schien mit seinen Gedanken bereits in einer anderen Welt – halblaut vor sich hin:

»Ba-na-nen-Plan-ta-ge.«

….

 

 

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