Lobrede auf Origenes

Lobrede auf Origenes – Gregorius Thaumaturgus

“Die Lobrede auf Origenes” beschreibt detailliert die pädagogischen Methoden dieses Meisters. Ihr literarischer Wert besteht weniger in ihrem Stil als in ihrer Neuartigkeit: Es war der erste Versuch einer Autobiographie in der christlichen Literatur. Dieses Jugendwerk steckt voller Enthusiasmus und echtem Talent; außerdem beweist es, wie sehr Origenes die Bewunderung seiner Schüler gewonnen hatte und wie sehr die Ausbildung, die Gregorius erhielt, den Rest eines langen und erfüllten Lebens beeinflusste. Gregor erzählt uns in diesem Werk, dass er unter Origenes die Werke vieler Philosophen las, ohne Einschränkung hinsichtlich der Schule, außer denen der Atheisten. Durch diese Lektüre der alten Philosophen lernte er, häufig auf der Einheit Gottes zu bestehen; und seine lange Erfahrung mit heidnischen und nocht nicht ganz christianisierten Völkern lehrte ihn, wie notwendig dies war.

Lobrede auf Origenes

Lobrede auf Origenes.

Format: eBook/Taschenbuch

Lobrede auf Origenes

ISBN eBook: 9783849660468

ISBN Taschenbuch: 9783849667917

 

Auszug aus dem Text:

1.

 Es ist etwas Kostbares um das Schweigen und zwar nicht nur vielfach für so viele andere Menschen, sondern auch ganz besonders für mich im gegenwärtigen Augenblick, wo mir, ich mag wollen oder nicht, der Mund verschlossen und Schweigen aufgenötigt wird. Bin ich ja ungeübt und unerfahren in jenen schönen und glanzvollen Reden, die mit ihren gewählten und gediegenen Worten und Ausdrücken wohlgeordnet wie in unaufhaltsamem Flusse gesprochen oder verfaßt werden. Vielleicht bin ich sogar von Natur aus allzu wenig geeignet mich diesem anmutigen und im vollen Sinne des Wortes hellenischen Werke zu unterziehen. Und wahrlich, es kann nicht anders sein. Es sind ja jetzt schon acht Jahre, seitdem ich weder selbst etwas vorgetragen oder überhaupt eine große oder kleine Rede verfaßt noch einen anderen gehört habe, der für sich etwas geschrieben oder vorgetragen oder auch öffentlich eine Lob- oder Verteidigungsrede gehalten hätte, jene bewunderungswürdigen Männer1 abgerechnet, die sich dem schönen Studium der Weisheit in die Arme geworfen haben. Aber auch diesen ist es weniger um schöne Sprache und zierliche Ausdrücke zu tun. Indem sie den sprachlichen Wohlklang erst in zweiter Linie berücksichtigen, wollen sie das Wesen der Dinge selbst mit Scharfsinn erforschen und zum Ausdruck bringen, nicht als ob ich glaubte, daß ihr Streben nicht dahin ginge — im Gegenteil, sie trachten sogar sehr darnach ihre schönen und scharfsinnigen Gedanken in schöner und wohlgefälliger Rede auszudrücken — aber sie sind vielleicht nicht imstande so ohne weiters den tiefen, heiligen und gottähnlichen Gehalt, der in ihren Gedanken liegt, und andrerseits eine in gefälligen Ausdrücken sich bewegende Rede mit ein und demselben und noch dazu  beschränkten menschlichen Geist zu umfassen. Es sind dies zwei Vorzüge, die bei den einzelnen Menschen gesondert vertreten und in gewissem Sinn einander geradezu entgegengesetzt sind. Wenn nun auch der denkenden und forschenden Tätigkeit das Schweigen sozusagen befreundet und förderlich ist, so wird man doch die Fertigkeit und den Wohlklang in der Rede nicht wohl anderswo mit Erfolg suchen können als im Vortrag und in ununterbrochener Übung darin.

Indes ist es noch ein anderer Wissenszweig, der meinen Verstand gewaltig in Anspruch nimmt, und der Mund legt die Zunge in Fesseln, wenn ich auch nur etwas weniges in griechischer Sprache vorbringen möchte. Es sind das unsere bewunderungswürdigen Gesetze, nach welchen jetzt die Angelegenheiten aller Untertanen des römischen Reiches geregelt werden und die ohne mühevolle Arbeit weder zustande kamen noch von Grund aus erlernt werden können, da sie an sich schon weise und scharfsinnig, mannigfaltig und bewunderungswürdig, mit einem Worte im höchsten Grade dem hellenischen Geiste entsprechend, außerdem aber in der lateinischen Sprache abgefaßt und übermittelt sind, die da Achtung gebietend und prunkvoll und der kaiserlichen Gewalt angemessen ist, für mich aber immerhin ihre Schwierigkeiten hat. Ich hatte auch in der Tat nicht die Möglichkeit und, ich darf wohl sagen, auch nie den Wunsch sie mir auf andere Weise gründlich anzueignen.

Da nun aber unsere Ausdrücke nichts anderes sind als eine Art Bilder für die Empfindungen unserer Seele, so müssen wir wohl zugeben, daß die befähigten Redner ebenso wie etwa gute Maler, die in ihrer Kunst eine hohe Fertigkeit besitzen und über einen großen Farbenreichtum gebieten, wenn sie nach keiner Seite hin etwas daran hindert, berechtigt sind nicht bloß einerlei Bilder zu malen sondern auch mannigfaltige und solche, die durch reichliche Beimischung von Blumen einen besonderen Grad von Schönheit erreichen.

 

2.

Ich aber will wie ein Unbemittelter, dem solche bunte Farben nicht zur Verfügung stehen — sei es nun,  daß ich sie überhaupt nie besessen oder auch daß ich sie vielleicht verloren habe — gleichsam wie nur mit Kohlen oder irdenen Täfelchen2 mit den mir vertrauten und mit alltäglichen Worten und Redensarten nach Maßgabe meiner Kräfte die Urbilder meiner Seelenstimmungen mit den mir geläufigen Ausdrücken abzeichnen und nachbilden, indem ich es versuche die Züge meiner geistigen Bilder, wenn auch nicht klar und mit vielem Schmucke, so doch wenigstens im Kohlenabrisse darzustellen. Kommt mir dabei irgendwo ein anmutiger und wohlklingender Ausdruck in den Weg, so heiße ich ihn herzlich willkommen, ist dies nicht der Fall, so will ich mich nach einem solchen umsehen.

Aber es ist auch noch ein dritter Umstand, der mich außerdem zurückhält und abwendig macht und mir noch weit mehr als die erwähnten Einhalt gebietet, ja mir vorschreibt einfach still zu sein, und das ist der mir vorliegende Gegenstand. Seinetwegen fühlte ich mich zwar von Begierde hingerissen zu reden, aber jetzt muß ich zögern und mich sträuben. Ich beabsichtige nämlich über einen Mann zu sprechen, der zwar, äußerlich betrachtet, ein Mensch zu sein scheint, aber in den Augen derer, die in die Tiefe seines Charakters einen Blick hinabzuwerfen vermögen, bereits mit höheren Vorzügen ausgestattet ist, die ihn der Gottheit näher bringen. Ich habe auch nicht im Sinne seine leibliche Abstammung und Erziehung zu rühmen; denn auch da fühle ich mich eingeschüchtert und zurückgehalten durch überwältigende Hochachtung; auch nicht seine körperliche Kraft und Schönheit, denn das sind offenbar Gegenstände des Rühmens für Knaben, wobei es weniger darauf ankommt, ob sie nach Gebühr hervorgehoben werden oder nicht. Denn über Dinge, die nicht Dauer und Bestand haben, sondern auf mannigfache Art und schnell vergehen, eine prunkvolle und schon im Eingang hochfeierliche Rede zu halten, das möchte, so fürchte ich, abgeschmackt und zwecklos sein. Ich möchte darüber nicht einmal reden, wenn mir etwas dergleichen  als Thema einer Rede gestellt wäre, da es unnütze und hinfällige Dinge sind, Dinge, die ich nie freiwillig als Gegenstand einer Rede mir ausersehen hätte. Freilich bräuchte ich, falls mir wirklich dieses Thema gestellt wäre, bei meiner Rede keineswegs in ängstlicher Verlegenheit oder Sorge zu sein, ich möchte durch irgend eine Äußerung der Würde des Gegenstandes nicht gewachsen erscheinen. Nun aber will ich dessen Erwähnung tun, was an ihm das Gottähnlichste ist, und was in ihm die Wesensverwandtschaft mit Gott ausmacht, einerseits eingeschlossen in diese sichtbare sterbliche Persönlichkeit, andererseits aber unablässig ringend nach der Ähnlichkeit mit Gott. Ich gehe ferner daran mich in gewissem Sinn mit erhabeneren Dingen zu befassen, so auch um seinetwillen der Gottheit meinen Dank dafür abzustatten, daß mir das Glück zuteil geworden ist mit einem so großen Manne in Berührung zu kommen, gegen alle fremde und eigene menschliche Erwartung und ohne daß ich es je beabsichtigt oder auch nur gehofft hätte. Mit so wichtigen Dingen will ich mich befassen trotz meiner gänzlichen Bedeutungslosigkeit und geistigen Beschränktheit: werde ich da nicht mit gutem Grund schüchtern und zaghaft und zum Schweigen geneigt?

Ja wahrlich, es erscheint mir ratsam mich still zu verhalten, damit ich nicht etwa unter dem Vorwande der Dankbarkeit, zugleich aber aus vorschnellem Eifer vielleicht über erhabene und heilige Dinge unedel, einfältig und alltäglich daherrede und so nicht bloß hinter der Wahrheit zurückbleibe, sondern ihr, soweit es bei mir steht, bei denen, die meiner Darlegung Glauben schenken, auch noch Eintrag tue, da sich meine Rede als kraftlos darstellen wird, mehr wie eine Verhöhnung denn durch ihren Gehalt als getreue Schilderung seiner Verdienste. Und doch sind deine Vorzüge, o teures Haupt, über alle Verkleinerung und Verhöhnung erhaben, und noch viel mehr die Gottheit, die in sich unerschütterlich bleibt, wie sie ist, und durch meine unbedeutenden und unwürdigen Worte nicht beeinträchtigt werden kann. Ich aber weiß nicht, wie ich den Eindruck der Verwegenheit und des vorschnellen Eifers  vermeiden soll, wenn ich aus Unbesonnenheit mit einem geringen Maße von Verstand und Vorbildung hinüberspringen will auf große und meine Kräfte jedenfalls überragende Dinge. Ja, wenn ich anderswo und vor anderen Zuhörern den Entschluß gefaßt hätte einen solchen jugendlichen Streich auszuführen, wäre ich noch immer bis zu einem gewissen Grade keck und tollkühn; aber es würde doch nicht die Frechheit Schuld sein an meinem vorschnellen Auftreten, weil ich eine solche Verwegenheit nicht dir gegenüber an den Tag legen würde. Jetzt aber will ich das Maß der Unbesonnenheit voll machen oder habe es vielmehr schon voll gemacht, indem ich es gewagt habe sozusagen mit ungewaschenen Füßen das Heiligtum jener Ohren zu betreten, in welchen das Wort Gottes selbst nicht wie für die große Mehrheit der Menschen gleichsam unter dem dicken Leder rätselhafter und unklarer Ausdrücke mit verhüllten, sondern, man könnte sagen, mit entblößten Füßen klar und ganz erkennbar seinen Einzug hält und seinen Aufenthalt nimmt. Ich aber trage meine menschlichen Worte wie eine Art Schmutz und Schlamm an mir und habe es gewagt sie in Ohren einzugießen, die geübt sind reine und göttliche Klänge zu vernehmen. Doch ich habe bis jetzt schon genug gesündigt und jetzt wenigstens soll ich anfangen mich zu mäßigen, indem ich in der Rede nicht weiter fortfahre, sondern sie beschließe, nicht wahr? Ich täte es gern. Indes da ich doch einmal so keck aufgetreten bin, sei es mir gestattet vorerst die Ursache anzugeben, die mich ermutigt hat hier öffentlich aufzutreten; vielleicht dürfte dann diese meine Zudringlichkeit nachsichtige Beurteilung finden.

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