Louison – Heinrich Laube
Eine Novelle aus dem Theatermilieu. Heinrich Laube war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Theaterleiter sowie Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.
Format: eBook
Louison.
ISBN eBook: 9783849656249.
Auszug aus dem Text:
Es war Frühling, und die Sonne schien. Sie schien zu Brüssel in ein großes Gemach, welches artig möbliert war und in dessen Mitte ein großer Tisch stand, ein Arbeitstisch zum Schreiben. Links und rechts lagen Folianten auf dem Tische.
An diesem Tische saß und schrieb ein schöner Mann in sauberer Kleidung. Er hatte einen schwarzen Lockenkopf; sein Antlitz war edel geformt und im unteren Teile von einem glänzend schwarzen Vollbarte bedeckt.
Der Mann hieß Rambert und war ein Professor aus Paris. Seit einem Vierteljahre fast war er in Brüssel und wohnte in einem Gartenhause der Vorstadt. Er war ein Geschichtschreiber und studierte in den Archiven und Bibliotheken Brüssels die Zeit Karls V., dessen Geschichte er schreiben wollte; oder richtiger: aus dessen Geschichte er einen Essay, eine Charakteristik Karls V. bilden wollte. Er war eine Künstlernatur, und er suchte sich für seine historische Wissenschaft künstlerische Formen. Lange Bücher waren ihm zuwider.
Um gute Luft zu haben, hatte er sich in Brüssel nach einer Gartenwohnung umgesehen und sie beim Gärtner Miot gefunden mitten in einem großen Garten. Papa Miot und dessen Frau bewohnten das Parterre, Professor Rambert den ersten Stock, in welchen jetzt die Frühlingssonne breit hereinschien.
Herrn Rambert war dies angenehm, denn der Winter war sehr kalt gewesen, und die Sonne verkündete nun denn doch dessen Ende. So las er mit Behagen ein Aktenstück, welches ihm einige besondere Details über Karl V. verriet, wie er sie just für seine Schilderung brauchte – da klopfte es an seiner Tür. Es war ihm unangenehm, gerade jetzt gestört zu werden, aber er war ein in französischer Höflichkeit auferzogener Mann, und er rief nicht unfreundlich: »Herein!«
Es war Frau Miot, die Hausfrau, welche unter Verbeugungen eintrat. Sie war nicht groß, aber dick. Das Antlitz mochte in der Jugend hübsch gewesen sein, die Jugend jedoch war schon lange dahin, und jetzt war es fast gewöhnlich. Auch die Stimme war nicht gerade angenehm, aber sie hätte sich anhören lassen, wenn die Rede kürzer gewesen wäre, als sie zu sein pflegte.
Jetzt entschuldigte sie sich beim Herrn Professor wegen ihrer zudringlichen Störung oder, wie sie sich unnützerweise verbesserte, wegen ihrer störenden Zudringlichkeit, aber sie und ihr stiller Mann bäten um die Unterstützung des Herrn Professors.
»Unterstützung? Womit? wozu?«
»In Sachen unserer Tochter, der Louison.«
»Was fehlt Ihrer Louison?«
»Alles mögliche. Zunächst Verstand, Bescheidenheit und Geduld.«
»Mehr nicht?«
»Nein, mehr nicht. Sie ist heut’ morgen aus dem Kloster entlassen worden. Die Zeit ihrer Erziehung dort, die wir redlich bezahlt haben, ist abgelaufen; jetzt ist sie gebildet.«
»Ist sie das?«
»Ja; sie ist fertig. Sie hat alles Erdenkliche gelernt, viel mehr als ich. Nun aber geht der Spektakel los.«
»Wie so?«
»Sie will aufs Theater.«
»Ah?!«
»Sie kennen sie ja, werter Herr Rambert, Sie haben sie jedesmal gesehen und gehört, wenn sie Ferientage hatte und hier war. Sie wissen, daß sie hübsch ist, sehr hübsch.«
»Allerdings.«
»Daß sie eine helle Stimme hat und schön singt.«
»Nicht immer richtig.«
»Das macht die Jugend; das findet sich. Sie ist ja kaum sechzehn Jahre alt. Na, und lustig ist sie und urkomisch. Sie kann lachen, daß man absolut mit lachen muß, und weinen kann sie auch, daß es einen Stein erbarmt. Das konnte sie von frühauf, wenn ihr etwas abgeschlagen wurde und sie sich kreuzunglücklich fühlte. Man hielt ihr Weinen nicht aus, so erbärmlich wurde einem dabei zumute; man mußte nachgeben, mußte ihr ihren Willen tun.«
»Mußte sie verziehen.«
»Meinen Sie? Miot meint’s auch. Aber wer ist besonders schuld? Miot, mein Mann. Er läßt sich alles von dem Mädchen gefallen, und hinterher schilt er, wenn man ihr alles nachgesehen hat. Kurzum, jetzt ist die Pastete so gut wie gebacken, jetzt heißt’s: sie kann lachen und weinen, wie man’s auf dem Theater braucht, und jetzt will sie durchaus zum Theater. Und das will nun der Miot nicht zugeben. Warum nicht? Der Moral wegen. Louison könnte unmoralisch werden, das heißt Schulden machen, Liebschaften anfangen und unseren Herrgott vergessen. Das ist nun wohl zu viel auf einmal, aber das eine ist richtig: eine solide Heirat kommt selten zustande mit einer Schauspielerin. Sie tändeln zu viel, wollen zu hoch hinaus, weil sie gar zu schöne Gelegenheit kriegen, und weil sie sich einbilden, die Schönheit und Liebenswürdigkeit könne kein Ende nehmen. Und sparen tun sie ja alle nicht, die Komödianten! Was soll man da sagen?«
»Man soll zuerst fragen, ob das Mädchen Talent hat!«
»Talent? Na, wie gesagt, das hat sie wohl, das Talent. Aber Miot sagt auch, der Herr Professor Rambert sollte erst gefragt werden, der verstände das mit dem Talente. Sie verstehen’s?«
….