Raffke & Cie.

Raffke & Cie. – Artur Landsberger

Eine Gesellschaftssatire aus dem Berlin der Zwanziger Jahre, die ihresgleichen sucht. Der aus Berlin stammende und 1933 dort verstorbene Landsberger gehörte zu den meist gelesenen Autoren seiner Zeit.

Raffke & Cie.

Raffke & Cie.

Format: eBook

Raffke & Cie.

ISBN eBook: 978384965695.

 

Auszug aus dem Text:

 

Frau Käte lag in einem Morgenkleid aus rosafarbenem Chinakrepp auf der Veranda ihrer Tiergartenvilla und las.

Vor der Chaiselongue stand ein kleiner runder Tisch, auf dessen mattgrau seidenem Perser eine lila Schachtel mit Zigaretten lag. Zwischen Tisch und Chaiselongue saß Lori, die deutsche Schäferhündin aus dem Stamm Tuaillons, spitzte die Ohren und ließ kein Auge von der Tür, die in den Garten führte.

Plötzlich sprang Lori auf, öffnete sich die Tür und stürzte die kleine Treppe hinunter in den Garten. Käte sah von ihrem Buch auf und lächelte, als sie im Kies die Tritte ihres Mannes hörte. Sie setzte sich auf und rief freudig:

“Hallo!”

“Liebling!” klang es zurück. Die Schritte wurden lauter und schneller. Lori kläffte vor Freude hell auf; und wenige Augenblicke später stand Paul vor seiner Frau.

Er küßte ihr erst die Hand, die sie ihm entgegenstreckte, beugte sich dann über sie und schloß sie in die Arme.

Käte sprang auf, klingelte, gab Anordnungen; und ein paar Minuten später meldete der Diener:

“Es ist angerichtet.”

“Viel ist es nicht,” sagte Käte, “aber da wir uns nun doch bald an das neue Leben gewöhnen müssen…”

“Wird es dir schwer fallen?” fragte Paul.

Sie sah ihn groß an und schüttelte den Kopf:

“Nein!” sagte sie. – “Je mehr ich mich hineindenke, um so leichter erscheint es mir. Wir werden die vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen los und viel mehr als bisher uns und den Kindern leben.”

“Du findest bei allem noch immer was Gutes heraus,” sagte Paul.

“Ich kann nun ‘mal darin kein Unglück sehen, daß wir unsere Tiergartenvilla mit einer Dreizimmerwohnung vertauschen und Pferde und Auto aufgeben müssen. Für die Kinder ist es vielleicht viel besser, sie wachsen nicht in dem Luxus auf.”

Paul nahm ihre Hand und drückte sie.

“Du machst es einem leicht,” sagte er.

“Habe ich nicht recht? Bleiben wir nicht, wer wir sind, auch wenn man uns aus unseren Verhältnissen herausnimmt und uns in andere setzt?”

“Freilich! Darin liegt der Wertmesser des Menschen. Das ist die Belastungsprobe! Wer die besteht, der hat nichts zu fürchten.”

“Ich weiß noch, wenn ich als Kind von der englischen Gouvernante im Fuhrwerk zur Schule gebracht wurde, wie ich da die Kinder beneidet habe, die sich ohne Aufsicht auf dem Schulwege balgten und jagten!”

“Und wie gern hätte ich oft als Kind mit den Jungen unseres Portiers getauscht,” stimmte Paul bei.

“Und wenn wir später als erwachsene Menschen dann anders denken,” erwiderte Käte, “so ist damit noch lange nicht gesagt, daß wir damals als Kinder in einem Irrtum befangen waren, nun aber das Leben richtig werten.”

“An sich gewiß nicht! Denn man wird in den Portierwohnungen wahrscheinlich mehr zufriedenen Menschen begegnen als in den Millionärswohnungen, die darüber liegen.”

“Siehst du! Und wenn unsere Jungen einmal erwachsene Menschen sind und wir ihnen sagen können: Eure Eltern, Großeltern und Urgroßeltern waren einmal die größten deutschen Übersee-Exporteure und besaßen Millionen. Dann aber kam der Weltkrieg und ruinierte uns. Euer Vater stand vor der Wahl zwischen einem Konkurs, durch den er unzählige Familien ins Unglück gestürzt, das große mütterliche Vermögen sich und euch aber gerettet hätte, und zwischen einem Vergleich, durch den er den Konkurs abwandte und sich seinen Namen makellos erhielt, dafür aber das ganze Vermögen opferte und noch einmal von vorn anfing, wie sein Urahn vor über hundert Jahren – und er wählte das letzte, und darum müßt nun auch ihr euch euer Leben erst erkämpfen – ich glaube, daß uns unsere Jungen dann verstehen, stolz sein und uns dankbar sein werden. Wirklich, wenn irgendeiner, so kannst du mit stolzem Bewußtsein von neuem an die Arbeit gehen.”

“Tue ich!” beteuerte er. “Und die Unannehmlichkeiten, die es hier noch gibt, die sollen uns nicht verstimmen.”

“Du meinst doch nicht die Übergabe des Hauses?”

“Ja! alles das.”

….

 

 

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