Mensch und Richter

Mensch und Richter – Artur Landsberger

Landsbergers Kultroman aus dem Berlin der 20er Jahre. Die verarmte Witwe Elsa vertauscht gleich nach der Geburt ihre Tochter mit dem Sohn eines Fabrikanten. Beide wachsen in ihren jeweiligen Familien auf, aber eines Tages fliegt der Schwindel auf …

Mensch und Richter

Mensch und Richter.

Format: eBook

Mensch und Richter.

ISBN eBook: 9783849656171.

 

 

Auszug aus dem Text:

 

Emil Gugenzeil reiste ständig zwischen seinem Berliner Büro und seinen Fabriken in Schlesien hin und her. Die wenigen Abende, die er in Berlin verbrachte, waren mit gesellschaftlichen Pflichten ausgefüllt. Wenn er aus dem Büro kam, lag der Frack bereit, und seine junge Frau wartete meist schon ungeduldig in der Halle. Das Gespräch war immer das gleiche:

»Guten Abend, Liebes!«

»Tag, Emil! Bitte, beeil dich!«

Er stürzte die Treppe hinauf, wandte sich oben um und rief hinunter:

»Du siehst heute abend wieder prachtvoll aus.«

Sie lächelte und rief zurück:

»Ich freue mich, daß ich dir gefalle.«

Dann verschwand er, der Diener half ihm in den Frack – während Kaete unten vor dem Spiegel stand und das Kunstwerk – denn das war sie – noch einmal einer Prüfung unterzog. – Meist rief sie dann die Zofe, die irgend etwas an der Toilette in Ordnung bringen mußte. Inzwischen war ihr Mann auch schon angezogen – die Zofe half Frau Kaete in den Abendpelz, der Fabrikant stülpte den stumpfen Zylinder auf den Kopf, und sie bestiegen ihr Auto.

Regelmäßig, wenn der Wagen aus dem Gittertor heraus und auf offener Straße war, fragte Frau Kaete:

»Wie gehen die Geschäfte?« Und er erwiderte dann jedesmal:

»Danke! sie gehen. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen.«

»Ich kann mir also den Pelz« – manchmal war es auch ein neuer Wagen oder ein neues Pferd – »kaufen?«

»Gewiß!« erwiderte er – »aber übertreibe es nicht.«

»Das sagst du jedesmal.«

»Etwas muß ich doch sagen – schon, damit du nicht übermütig wirst.«

»Ich bin es von den Eltern her gewöhnt, mich verwöhnen zu lassen.«

»Sooft ich dich sehe, sagst du mir das.«

»Weil du mir Vorwürfe machst.«

»Aber, Liebling, dazu habe ich ja gar keinen Grund.«

»Gut, daß du das einsiehst.«

»Bin ich so rechthaberisch?«

»Blind bist du!«

»Blind? Sage ich dir nicht jedesmal, wenn wir von einer Gesellschaft kommen, daß du von allen Frauen wieder die schönste und eleganteste warst?«

»Das ist eine billige Redensart.«

»Es ist meine Überzeugung.«

»Nun sage nur noch, daß du mich liebst.«

»Tue ich das etwa nicht?«

»Dir fehlt ja die Zeit dazu.«

»Dazu braucht man keine Zeit. Man braucht nicht einmal zusammenzusein.«

»Da denke ich über die Liebe doch realistischer.«

»Grade wenn ich allein bin – die Abende in Schlesien – aber nicht nur die Abende – auch tagsüber in der Fabrik …«

»Was ist da?« fragte Frau Kaete erstaunt.

»Ja, was ist das? Daß ich dann immer an dich denken muß!«

»Du meinst, das ist Liebe?« – Frau Kaete schien erstaunt. – »Vielleicht ist es Eifersucht.«

»Habe ich dazu Grund?«

»Natürlich nicht.«

»Ich weiß, daß du nicht allein reitest, nicht allein Bridge und Tennis spielst.«

»Du glaubst also, alles von mir zu wissen?«

»Ich denke doch.«

»Na, dann will ich dir sagen, daß du dich ganz gewaltig auf dem Holzwege befindest.«

»Du verschweigst mir etwas.«

»Es scheint fast so.«

»Und das erzählst du mir jetzt – auf dem Wege zu einem Fastnachtsball?«

»Wann hattest du denn sonst Zeit für mich?«

»Seit wann … ist das?«

….

 

 

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