Nieder mit Bonaparte

Nieder mit Bonaparte – Georges Ohnet

Ein historischer Roman aus der Zeit Napoleons. Der Franzose Ohnet eroberte mit vielen seiner Werke die Herzen seiner Leser, wurde aber gleichzeitig von vielen Literaturkritikern in die Schublade der Trivialliteratur gesteckt.

Nieder mit Bonaparte

Nieder mit Bonaparte.

Format: eBook

Nieder mit Bonaparte.

ISBN eBook: 9783849656683.

 

Auszug aus dem Text:

Brüllend rang das Meer gegen die Klippen, die in einem Bogen dem Dörfchen Berville vorgelagert sind, und von denen aus die Fischer bei freundlicher See gern ihre Beute ans Land booten. Kohlschwarz war der Himmel und gespenstisch von zahllosen Wolkenschiffen, die der Westwind steuerte. In immer kürzeren Pausen flatterten fahle Blitze her – die riesigen Segel eines Sturms, der von Englands Küste über den Kanal fegte. Nun schauerte auch schon ein Regen hernieder, ein schwerer, eisiger, und war mit solchen Graupeln untermischt, daß er wie ein metallischer Hagel peitschte. – Ganz schattenhaft nur war auf einem Geißpfad der steil abfallenden Küste eine menschliche Gestalt zu unterscheiden; jetzt blieb sie stehen, und jetzt – stand sie geblendet von dem grellen Zickzacklicht, das all die Dunkelheiten erleuchtete. Für einen Augenblick war alles rings weißlich erhellt: das Meer, der Strand, die Klippen und die Felsen. Und eine gute halbe Meile dort draußen – kreuzte dort nicht ein kleines Fahrzeug im Untersegel?

Für die Dauer dieses Blitzes war auch jener Mann deutlich zu erkennen gewesen. In seiner bäuerischen Kleidung: eine wollene Mütze auf, die er bis über die Ohren herabgezogen hatte, und in einem ziegenhärenen Schäfermantel. Er trug einen kurzen Reiterkarabiner umgehängt … aber dann herrschte auch schon wieder tiefstes Dunkel. – In dieser Finsternis nahm der Mann friedlich seinen Weg wieder auf, immer abwärtskletternd, bis auf einen Felsenvorsprung hinaus. Dort angekommen und mit dem Rücken an die Steinwand gelehnt, setzte er den Feuerstahl in Bewegung. Der schnell entflammte Zunder färbte seine Finger rotdurchscheinend, der Mann bückte sich, und alsbald knisterte es in dürrem Laub und Gras; ein eigens trocken verwahrtes Reisigbündel fing leicht Feuer, und dieses rötliche Signal redete hinaus in die Nacht. Das war zweifelsohne das bereits erwartete Zeichen, denn über die tintenschwarzen Wogen her antwortete sogleich ein lebhafter Schein, dem ein gedämpfter, matter Knall folgte.

Da aber ließ der Mann das kaum angezündete Feuer ruhig Feuer sein, hing seinen Karabiner sicherer um, schlang den Schäfermantel noch enger um seinen Leib – und machte sich über einen halsbrecherischen Fußpfad hinab zum Meer. Von keinem anderen Wegweiser dabei geleitet als von der immer mächtiger heraufschallenden Brandung von tief da unten – aber der Gangsteig, der oft gerade eines Fußes Breite zählte, mußte ihm auch sehr vertraut sein, sonst wär’s doch kaum ohne verschiedentliches Zaudern abgegangen. – Gleichwohl mochten das Sekunden äußerster Gefahr gewesen sein, bis er die Uferkiesel endlich unter seinen Schuhen spürte, das Strandgeröll, auf das die Wellen Gischt und Geifer ausspien, denn die See ging ungeheuer hoch.

Auf einen großen viereckigen Stein, der an der Küstenwand fast wie ein Tisch dastand, setzte sich sodann der Mann. In aller Seelenruhe. Ohne einen einzigen Blik hinter sich oder um sich zu werfen. Und saß da – den Karabiner zwischen den Knien, mit dem Rücken breit gegen die Felsen gelehnt und das schäumende Meer zu seinen Füßen – und wartete.

Eine reichliche Stunde verging so. Dann trug der Wind ein unbestimmtes Geräusch her bis zu dem Manne, der da ausspähte. Angestrengt bog er sich sogleich nach vorn, als wollte er das undurchdringliche Dunkel über den Wassern dennoch durchdringen. Aber Finsternis ringsum. Da endlich gewahrte man deutlicher und nun vermochte man zur Not auch etwas wie Ruderschläge zu vernehmen. Auf etwa zwanzig Schritt schob sich und schaukelte eine Silhouette heran; ein Knarren und Knirschen von Holz über Steingeröll – eine Schaluppe war gelandet. – Im Sitzen noch spannte der Mann den Hahn seines Karabiners, ein leises Knacken verriet, daß er auf alle Fälle klar zum Schuß sein wollte – aber da ertönte ein Pfiff von einer absonderlichen Melodie, ein unverfälscht seemännischer, und nun erst gab es für ihn keinen Zweifel mehr, er stand auf und schritt auf das Ruderboot zu.

»Parquin, seid Ihr’s?« schrie eine Stimme vom Wasser her. »Wohl, wohl!« antwortete der Mann. »Bringt Ihr die Passagiere?«

»Ich bringe sie!«

»Dann mögen sie aussteigen. Der Weg ist augenblicklich frei. Nur – fix! – wir dürfen nicht lang vertrödeln. Im nächsten Moment schon können wir die Gendarmen auf dem Buckel haben!«

Da war einer der Passagiere – mit einem Satz – auch schon auf den Sand herausgesprungen. Ein zweiter stieg schon etwas vorsichtiger aus. Ein dritter aber, der ließ sich gar von zwei Matrosen an Land transportieren.

»Zum Herrgott – Donnerwetter – wird’s bald?« polterte der erste, der ganz einfach herausgesprungen war.

»Immer langsam – langsam, Georges,« versetzte der, der sich auf Matrosenarmen herüberheben ließ. »Wir spazieren womöglich mit beiden Füßen ins Verderben …. wenn Sie’s also rein nicht mehr erwarten können – bitte sehr …!«

»Dem hohen Herrn ist’s wohl leid um sein bißchen Puder?« knurrte Georges.

»Ach was! Wenn’s drauf und dran geht, werdet ihr mich schon nicht feiern lassen. Vorläufig möcht’ ich nur nicht gleich nasse Füße kriegen!«

Der Schiffspatron reichte mehrere kleine Gepäckstücke der Reisenden heraus, die Parquin geschwind zusammenband und sich über die Schulter warf. – Der aber, den Georges mit »hoher Herr« angeschnauzt hatte, drehte sich nun nach dem Barkenführer um und sprach auf Englisch: »Meinen besten Dank, Master – Sie haben uns wirklich famos gefahren. Nehmen Sie, bitte, die Kleinigkeit von mir für Ihre Leute und Sie –«

Und er drückte dem Manne seine Börse in die Hand. Und ohne einen Dank weiter abzuwarten, strebte er seinen Gefährten nach, die unter der Führung Parquins die beschwerliche Klettertour hinauf zur Küste soeben antraten. – Eine Viertelstunde langsamen und fitzligen Wegs, und die vier Männer standen oben auf dem dürftigen Rasen.

»Vielleicht verschnaufen wir uns erst ein wenig, meine Herren!« brachte Parquin in Vorschlag und blieb stehen.

»Haben wir’s denn noch weit bis zu unserer ersten Rast und – Unterstand?«

»Wenn’s nicht so rabenfinster wär’, dann wär’ die Pächterei Biville von hier aus schon zu sehen. Nein also – nicht ganz ‘ne Viertelstunde mehr – quer über die Wiesen.«

»Alsdann – los!« kommandierte Georges. »Das ist ja eine Hundekälte und – bei Gott! – ich komm’ schier um vor Hunger!«

»Saint-Régeant! sagen Sie, sind Sie ausgeruht – oder –« meinte der, der gern seine Bequemlichkeit hatte, zu demjenigen von den Vieren, der bislang nur ganz stumm hinterhergeschritten war.

»Keine Namen nennen, möcht’ ich mir ausgebeten haben!« fuhr Georges grob dazwischen.

»Wie Sie befehlen,« sprach Saint-Régeant sehr sänftiglich.

….

 

 

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