Peregrin

Peregrin – Ida Gräfin Hahn-Hahn

Ein historischer Roman aus dem Jahr 1864. Die Autorin war eine der meistgelesenen ihrer Zeit und wurde selbst von Leuten wie Eichendorff oder Fontane gepriesen.

Peregrin

Peregrin.

Format: eBook

Peregrin.

ISBN eBook: 9783849655778.

 

 

Auszug aus dem Text:

 

Großer Ball. Pechpfannen brennen vor dem Portal des Gormschen Hauses. Die Wagen rollen durch den knirschenden Schnee und in die Einfahrt. Da ist Frühling! die breite Treppe ist ein Laubengang und die steinernen Stufen bedeckt ein weicher Teppich mit bunten Blumen durchwirkt. Oben in den glänzend erleuchteten Räumen versammelt sich die elegante Gesellschaft. Im ersten Saal empfängt Graf Gorm, ein schöner, stattlicher Herr, seine Gäste. Im zweiten befindet sich Gräfin Gorm mit den vornehmsten Damen. Ein Wogen, ein Rauschen, ein Schwirren, abgebrochene Phrasen, zerstreute Worte, unruhige Blicke, oberflächliche Freundlichkeit, Massen von Flor, Atlas und Blumen, entsprechende Massen von schwarzen Fracks und bunten Uniformen: das ist die Quintessenz einer großen Soiree. Zum Glück sollte sie sich in einen Ball verwandeln! der Tanzsaal strahlte ein Meer von Licht aus; die Musik hatte auf einer erhöhten Bühne ihren Platz eingenommen; die eleganten Tänzerinnen waren bereits alle bis zum letzten Tanz versagt und harrten erwartungsvoll auf die ersten Bogenstriche eines Straußischen Walzers. Warum erklangen denn nicht diese Zaubertöne? worauf wartete man? War denn nicht die ganze schöne Welt beisammen? sogar jene Damen der Ultra-Elegance, die immer auf sich warten ließen, um durch ihren Eintritt desto mehr Aufsehen zu machen!

Gräfin Gorm kam aus einem Zimmer, in welchem sich einige ältere Herren und Damen am Whisttisch niedergelassen hatten; Graf Gorm kam aus dem Ballsaal. Beide gingen schnell auf einander zu und während sie sagte:

»Ich bitte Dich, laß den Tanz beginnen!« – fragte er:

»Wo ist Peregrin, liebe Lucia?«

»Peregrin!« rief sie mit unterdrücktem Schreck und ein Nervenzucken, das ihre schönen Züge entstellte, flog blitzartig über ihr Antlitz.

»Er ist nicht hier, nicht in seinem Zimmer, nicht im Hause« – setzte der Graf hinzu.

»Nun so warte nicht auf ihn und laß den Tanz von irgend einem der jungen Herren, vom besten Tänzer, beginnen – sonst tritt eine gewisse störende Spannung ein,« entgegnete die Gräfin.

»Du hast Recht,« sagte der Graf, indem er in den Ballsaal zurückkehrte; – »aber wo in aller Welt kann Peregrin sein!«

»Vielleicht läuft er wieder einmal Schlittschuh im Mondschein! ich will sogleich Jemand an die Elbe hinunter schicken und nach dem Teich im großen Garten.«

Der Graf wars ihr einen liebevollen Blick zu und zwei Minuten später rauschte vom Orchester herab »das Leben ein Tanz« – dieser Straußische Walzer, der damals alle Füße in Europa elektrisirte.

Zwei Damen saßen in einem Zimmer auf einem bequemen Sopha und unterhielten sich sehr lebhaft. Die Eine war fremd in der Gesellschaft, wünschte aber, es nicht zu bleiben, sondern genau alle Persönlichkeiten, alle Verhältnisse, wo möglich alle kleinen Intriguen, Sympathien und Zwiste kennen zu lernen. Die andere Dame wünschte sehnlichst, über dies Alles ihre Mittheilungen zu machen. Die hervorragendsten Personen hatten schon die Revue passiren und ihr Gericht aushalten müssen; da sagte die Fremde:

»Eine ganz liebenswürdige Frau ist aber Gräfin Gorm! und wie schwimmt sie im Glück! Der Mann scheint sie anzubeten und obschon sie zwei erwachsene Söhne hat, ist sie noch immer schön. Dazu dies immense Vermögen! . . . Bemerkten Sie die Points d’Alençon, womit ihr Kleid besetzt ist?«

»Gewiß, eine selten glückliche Frau!« war die Antwort; – »reich – enorm! indessen macht Geld und Gut nicht glücklich. Schön – sehr! das heißt eine sehr gut erhaltene Schönheit; und das ist schon glücklicher, denn es fesselt den Herrn Gemahl, wie es scheint. Es ist unglaublich, welche Capricen die Männer haben!«

»Ich bitte sehr, den meinen auszunehmen.«

»Ach und den meinen! Wenn Sie wüßten, welch ein Engel mein Mann ist! Das ändert aber das Factum nicht: Männer sind und bleiben capriziöse Geschöpfe. Der nämliche Graf Gorm, den Sie jetzt zu den Füßen seiner schönen Lucia und quasi jünglingsmäßig in sie verliebt sehen, war vor zwanzig Jahren nahe daran, sich von ihr scheiden zu lassen.«

»Unglaublich!«

»Und dennoch wahr! Fragen Sie alle Zeitgenossen. Die schöne Lucia hatte keine Kinder. Das verdroß den Herrn Gemahl auf’s Aeußerste. Eine intriguante Russin wußte schlau diesen Verdruß zu benutzen, zu steigern und Lucia war einige Jahre sehr unglücklich. Da kam der Befreiungskrieg und brachte Graf Gorm, der die Feldzüge mitmachte, auf andere Gedanken, die völlig zum Besseren sich wendeten, als Lucia, die inzwischen in Italien gewesen war, von dort ihren ältesten Sohn mitbrachte, den bärenhaften Peregrin – wo ist er denn? ich habe ihn heute Abend noch gar nicht gesehen!«

»Bärenhaft? dann muß er sehr aus der Art geschlagen sein!«

»Das ist er auch – und ich will Ihnen nicht verhehlen, daß böse Zungen – natürlich nur solche! wir nicht! – daß sie etwas Lust und etwas Veranlassung zu einigem Gerede gehabt hätten, wenn nicht die Gorm’sche Ehe von Stund’ an ein Ideal von Ehe gewesen und geblieben wäre . . . . Ach, liebe Lucia!« rief sie im veränderten Ton, als die Gräfin sich den beiden Damen näherte; – »eben sprachen wir von Dir und von Deinem interessanten Peregrin! Wo ist er denn, dieser kleine Paganini? bei seiner Amata? mein Gott! so jung und schon ein Genie!«

Gräfin Gorm bemerkte das Erstaunen, womit die fremde Dame der Verwandlung des bärenhaften Peregrin in einen interessanten und genialen zuhörte, und obschon sie nicht den Grund des Erstaunens in vollen Umfang ermessen konnte, sagte sie lächelnd zu dieser:

…..

 

 

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