Sam Caine und die Frau im Nerzmantel

Sam Caine und die Frau im Nerzmantel – Jürgen Beck (Hrsg.)

Als Privatdetektiv und Ermittler Sam Caine an einem Londoner Bahnhof zufällig der Ankunft einer äußerst hübschen und elegant gekleideten Dame beiwohnt, ahnt er nicht, wie schnell er auf unangenehme Weise mit ihr Bekanntschaft machen wird. Einer seiner Freunde gerät bald in den Bann der Frau und begeht dabei einen verhängnisvollen Fehler, den nur Sam und sein unertrügliches Gespür ausbügeln kann …

Sam Caine und die Frau im Nerzmantel

Sam Caine und die Frau im Nerzmantel

Format: eBook

Sam Caine und die Frau im Nerzmantel

ISBN: 9783849652692 (eBook)

 

Auszug aus dem ersten Kapitel:

Eines Winternachmittags erforderten private Angelegenheiten meine Anwesenheit auf einem Bahnsteig der Crystal Palace High Level Station, als der 14:10-Uhr-Express aus Nottingham einlief. Da dieser Zug der schnellste und einer der meist genutzten der Nachmittags-Expressverbindungen ist, wimmelt es auch zehn Minuten nach seiner Ankunft immer noch auf dem hoffnungslos überfüllten Bahnsteig. Eigentlich hatte ich keine Veranlassung, die Ankunft des Zuges überhaupt genauer zu beobachten, aber meine lange Erfahrung im Beruf des Detektives brachten es mit sich, dass ich immer aufmerksam bin, alle Umstände schnell erfasse und schnell und überaus genau Entscheidungen treffe. Ich brauche wohl kaum zu betonen, dass jemand, der diese Qualitäten weder instinktiv noch antrainiert besitzt, für die Aufgaben dieses Berufes komplett ungeeignet ist. Die Kunst in seinen Mitmenschen zu lesen muss angeboren sein, denn wie für den Dichter gilt “Poeta, nascitur, non fit”, (Dichter werden geboren, nicht gemacht) gilt selbiges auch für den Detektiv. Die Instinkte dieses Berufes müssen ihm in die Wiege gelegt worden sein und müssen hinterher durch Training und Erfahrung ständig trainiert und verbessert werden.

Als der Zug einfuhr, erregte eine zierliche, mit einem Handschuh bekleidete Hand, die aus einem Abteil der ersten Klasse gestreckt wurde, meine Aufmerksamkeit. Es gab eigentlich keinen speziellen Grund für diese Intuition, denn die Besitzerin der Hand zeigte damit nur an, dass sie – und es gab keinen Zweifel, dass es eine weibliche Hand war – die Hilfe eines Trägers benötigte. Nichtsdestotrotz veranlasste mich meine natürliche Neugier dazu, eine Weile neben dem noch langsam fahrenden Zug herzugehen und meine Augen nicht von diesem besonderen Abteil in diesem besonderen Waggon zu lassen. Während ich so einige Momente lang den Zug beobachtete, ertappte ich mich dabei, wie ich anfing darüber zu spekulieren, wie wohl die Besitzerin einer so kleinen und mit einem so edlen Handschuh bekleideten Hand aussehen würde. War sie jung oder alt, gut aussehend oder hässlich? Ich musste nicht lange warten, bis meine Neugier befriedigt wurde. Ein Träger eilte zur Tür, öffnete sie schwungvoll, erhielt von der Person im Wagen eine schöne Reisedecke, eine teure Handtasche, drei oder vier Groschenromane, die durch einen Gurt zusammengehalten wurden, und einige andere Kleinigkeiten. Dann streckte er mit ritterlicher Höflichkeit, geleitet von der kühnen Erwartung eines guten Trinkgeldes, seine eigene schwielige und grindige Hand aus, um der Besitzerin dieser Dinge beim Verlassen zu helfen. Ich sah einen kleinen Fuß in einem exquisit geknöpften Stiefel, wobei der Fuß und der schmucke Knöchel in ihrer Größe der Hand entsprachen, auf der eisernen Stufe auftauchten, und im nächsten Moment sprang eine Dame leicht auf den Bahnsteig. Wie einige Schriftsteller sagen würden: “Vor meinem staunenden Blick stand ein strahlendes Wesen”. Um es in einer prosaischeren Sprache auszudrücken, sah ich eine makellos gekleidete Frau, ungefähr achtundzwanzig Jahre alt …

 

 

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