Schatzkästlein biblischer Betrachtungen (für jeden Tag des Jahres) – Johannes Gossner
Johannes Gossner war einer der bedeutendsten Vertreter der evangelischen Bewegung, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Bayern entstand. In diesem inspirierenden Werk bietet er Auslegungen der Evangelien zu gewissen Gedächtnistagen, wie zum Beispiel am Buß- und Bettag, dem Reformationsfest, der Kirchweihe, Pauli Bekehrung, Mariä Verkündigung, Petri und Pauli, Johannis des Täufers, Maria Magdalena, Michaelis etc.
Format: Paperback, eBook
Schatzkästlein biblischer Betrachtungen (für jeden Tag des Jahres).
ISBN: 97838496650111 (Paperback)
ISBN: 9783849663377 (eBook)
Auszug aus dem Text:
Januar
1. Januar
Du aber, o Herr! bist unser Vater und unser Erlöser; von Alters her ist das dein Name.
(Jes. 63, 16.)
Und es ist in keinem andern (Namen) Heil, ist auch kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden.(Apost. 4,12)
Gelobt sei sein herrlicher Name! (Ps. 72,19). Sein Name ist eine ausgeschüttete Salbe. (Hohel. 1,3.) Möge er heute all seine Salbung über uns ausschütten, daß wir das ganze Jahr im Wohlgeruche dieser Salbung, in der Kraft dieses heiligsten und heiligenden Namens wandeln! Möge die göttliche Kraft des heiligen Geistes, womit er ohne Maaß gesalbet ist, (Ps. 45, 8) sich nicht nur in unsre Herzen ergießen, sondern in der ganzen Welt ihren belebenden Geruch verbreiten, und nicht nur heute, sondern alle Tage über uns herabströmen, um wie ein kräftiges Oel das ganze Haus unsers Herzens und Lebens mit seinem Geruche zu erfüllen. (Joh. 12, 3.) Er ist Vater, er ist Erlöser, ein väterlicher Erlöser, ein erlösender Vater. So kannten und nannten ihn schon die alten, freuten sich sein, lobten ihn, vertrauten auf ihn, ehe er ihnen so bekannt und genannt war, wie er es uns ist – der herrliche Name, Jesus Christus, Gott hochgelobet in Ewigkeit. Wie sollen wir uns seiner nicht freuen, da er der Grund- und Eckstein unsers ganzen Glaubens und Lebens-Gebäudes ist, unsre einzige Hoffnung, unsre Liebe! Sein Name ist wahrlich eine ganze Bibel, ein Buch Gottes, ein Testament, darin Altes und Neues enthalten, ein Schatzkästchen, worin alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis Gottes verborgen; ein Sendschreiben Gottes, wodurch uns der ganze Rathschluß unsrer Seligkeit bekannt gemacht wird; eine Quelle, ein Born, aus dem wir alle göttliche kraft, was wir zum Leben und göttlichen Wandel nöthig haben, schöpfen können. Mit diesem Namen laßt uns ins neue Jahr hineintreten, voll Zuversicht, daß uns in ihm Alles wohl gelingen werde. Mit diesem Namen wollen wir jeden Tag des Jahres, jede Stunde des Tages beginnen und vollenden! In diesem Namen lasset uns arbeiten und ruhen, wachen und schlafen, essen und trinken! In diesem Namen lasset uns Alles thun und Alles leiden! In ihm lasset uns bleiben ewiglich! Amen.
2. Januar
Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, der da ist, der da war, und der da kommt, der Allmächtige.
Offenb. 1, 8.
Ist Jesus A und O, Anfang und Ende, so laß ihn nicht nur dein A, laß ihn auch dein O sein. Fange nicht nur mit Jesus an, ende, vollende auch mit ihm; oder, laß ihn vollenden, was er in dir angefangen hat. Viele bleiben beim A stehen, begnügen sich mit den Anfangsgründen, mit den ersten Buchstaben des Christenthums, mit den ersten Rührungen, oder gar nur mit guten Vorsätzen, mit welchen, wie die Alten sagten, die Hölle gepflastert ist. Die Fortsetzung, die ernste Übung der Gottseligkeit unterbleibt. (1 Tim. 4, 8. 2 Tim. 3, 5.) Wie will es zum O, zum Ende kommen, wenn man beim Anfange schon sitzen bleibt. Man muß aber doch auch das A nicht überspringen, und nicht zum Ende eilen wollen, ehe man das A recht gelernet, ehe man einen guten Grund gelegt und einen rechten Anfang in und mit Christo gemacht hat. (1 Cor. 3, 11.) Jesus kündigt sich nicht umsonst als A und O an. Er will Alles in dir sein. Wo er einmal A sagt, da will er auch O sagen; wo er anfängt, da will er es auch zum Siege hinaus führen. Sein A ist Pfand, daß er uns auch O sein wolle. Glaube! sei getrost, und wage es.
3. Januar
Verlasset euch auf den Herrn ewiglich, denn Gott, der Herr, ist ein Fels ewiglich. (Jes. 26,4)
Setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi. (1. Petr. 1, 13.)
Verlaß dich auf den Herrn, heißt nicht: Lege die Hände in den Schoos, und kümmere dich nicht um diene Seligkeit; sondern: Geh’ mit unerschütterlichem Muthe und grenzenloser Zuversicht an das Werk. Der Herr ist ein unüberwindlicher Fels, eine unbesiegbare Festung nicht nur für sich, sondern auch für dich; wenn du dich in diese Festung hineinwirfst, wird seine Gnade dich bewahren und zu Allem allmächtig stärken. Setze deine Hoffnung ganz auf die Gnade, heißt nicht: Thue nichts, laß die Gnade machen; sondern: Bei allem möglichen Eifer und Streben nach Seligkeit hoffe und vertraue nicht auf dich und deine eigne Kraft; hoffe auf die Gnade, die dich nie verläßt, mit der du Alles vermagst, die aber ohne dich, d.h. wenn du nicht ernstlich willst, dich nicht selig machen kann. So wie du ohne sie Nichts vermagst, so kann und will sie Nichts ohne dich in dir wirken.
4. Januar
Er gibt den Müden Kraft, und Stärke genug den Unvermögenden. Die Knaben werden müde und matt, und die Jünglinge fallen; aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren wie mit Adlersflügeln, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden.
(Jes. 40, 29 – 31.)
Jünglinge, muthige Anfänger, wenn sie auf sie selbst vertrauen, und wähnen, es könne ihnen nun nicht mehr fehlen, wenn sie Luftsprünge machen, über Andere wegspringen wollen, fallen oft jämmerlich zu ihrer Demüthigung. Wer sich aber immer schwach und klein fühlt, soll nicht ermüden noch verzagen, denn der Herr ist seine Kraft. Er ist in den Schwachen mächtig, nicht in den Starken; er gibt Vermögen denen, die sich unvermögend fühlen. Die sich vermögend dünken, läßt er sinken. Ihr also, die ihr eure Schwachheit kennet, beseufzet, verzaget nicht; denn der Herr läßt euch durch seinen Propheten wissen, daß bei hm Kraft genug für euch bereit liege. Holet sie nur durch gläubiges, anhaltendes Gebet. Er gibt den betenden Müden Kraft. O ihr Müden! kommet zur Kraft-Quelle Gottes, zu Jesus, er will euch erquicken. Wer soll verzagen, der Herr ist hier und will stärken; der Allvermögende, Allgenugsame ruft dir; warum willst du nicht zu ihm kommen? warum lieber in deinem Unvermögen liegen bleiben, da der Allvermögende dir seine Hand reicht?
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