Schriften vom Gebet

Schriften vom Gebet – Origenes

Obwohl im späten ersten/frühen zweiten Jahrhundert n. Chr. geschrieben , sind Origenes’ “Schriften vom Gebet” auch heute noch wichtig für Gläubige, die sich mit der Praxis, der Struktur und der Denkweise des Gebets befassen. Der frühe Kirchengelehrte und Theologe Origenes wurde in Alexandria, Ägypten, geboren, lebte und lehrte dort und verfasste mehrere Werke. Origenes schreibt, dass das Gebet die beste Methode ist, um Gott kennenzulernen und mit ihm in Dialog zu treten . Er stellt fest, dass das Gebet in der Bibel auf vielfältige Weise dargestellt wird, und setzt sich dann mit dem Argument auseinander, dass es überflüssig sei. Er beschreibt die vier Zwecke des Gebets: Bitten, Gebete (Lobpreis), Fürbitten und Danksagungen. Origenes führt auch eine Exegese des Vaterunsers durch, und dieser eingehende Blick auf jeden Satz des Gebets ist eine wertvolle Quelle für alte und neue Christen. Origenes schließt mit Kommentaren zu den Formalitäten des Gebets, in denen er die richtige Geisteshaltung beim Beten beschreibt.

Schriften vom Gebet

Schriften vom Gebet.

Format: eBook/Taschenbuch

Schriften vom Gebet.

ISBN eBook: 9783849660772

ISBN Taschenbuch: 9783849667498

 

Auszug aus dem Text:

Einleitung

I

1.

 Was dem Verständnis der sterblichen Vernunftwesen wegen seiner Größe und übermenschlichen Art und seiner unendlichen Überlegenheit über unsere dem Todesgeschick verfallene Menschennatur unerreichbar ist, das wird bei der unermeßlichen Fülle der von Gott auf die Menschen ausgegossenen göttlichen Gnade nach der Absicht Gottes erreichbar, indem Jesus Christus unter Mitwirkung des Geistes die unübertreffliche Gnade für uns vermittelt1. Während z.B. die Menschennatur den Besitz der Weisheit nicht erlangen kann, durch welche das All geschaffen ist – denn „alles“ hat nach David Gott „in Weisheit“ geschaffen2 -, so wird das Unerreichbare erreichbar durch unseren Herrn Jesus Christus, „der für uns Weisheit von Gott geworden ist und Gerechtigkeit und Heiligung und Erlösung3“. „Welcher Mensch nämlich wird Gottes Willen erkennen? Oder wer wird erfassen, was der Herr will? Denn die Gedanken der Sterblichen sind ohnmächtig, und unsere Absichten sind unsicher. Der vergängliche Leib beschwert ja die Seele, und das irdische Zelt lastet auf dem viel sinnenden Geist. Und mühsam nur deuten wir das Irdische, das Himmlische aber, wer hat es ausgespürt?4“ Wer könnte wohl leugnen, dass es für den Menschen unerreichbar ist, „das Himmlische auszuspüren“? Aber trotzdem wird dies Unmögliche durch die überragende Gnade Gottes möglich. Denn der „in den dritten Himmel Entrückte“ hat doch wohl den Inhalt der drei Himmel ergründet, da er „unaussprechliche Worte hörte, die wiederzugeben einem Menschen nicht  gestattet war5“. Wer aber vermag zu sagen, dass es dem Menschen möglich sei, den Sinn des Herrn zu erkennen6? Aber auch dies gewährt Gott durch Christus 7, … wenn er ihnen den Willen ihres Herrn lehrt, der nicht mehr „Herr“ sein will, sondern zum „Freund“ wird für die, deren Herr er früher war. Aber wie auch keiner „der Menschen das Wesen des Menschen kennt, als der Geist des Menschen, der in ihm ist, so kennt auch keiner das Wesen Gottes, als nur der Geist Gottes8“. Wenn aber „keiner das Wesen Gottes kennt, außer der Geist Gottes“, so ist es unmöglich, dass der Mensch „das Wesen Gottes“ kennt. Überlege jedoch, wie auch dies möglich wird: „wir aber“, sagt (der Apostel) ,„haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, damit wir erkennen, womit uns Gott begnadet hat; wovon wir auch reden nicht in Worten, die menschliche Weisheit uns gelehrt, sondern in solchen, die der Geist uns gelehrt.9.“

II

1.

Aber du gottesfürchtiger und arbeitsamer Ambrosius und du züchtige und mannhafte Tatiana, für die  ich schon ein ähnliches Ausbleiben der „weiblichen Schwäche10“ wünsche, wie es bei Sara der Fall war, ihr beiden seid wahrscheinlich im unklaren, warum wohl die Einleitung diese Ausführungen über Dinge, die den Menschen unmöglich sind, aber durch die Gnade Gottes möglich gemacht werden, enthält, während doch unser Thema „Über das Gebet“ lautet. Nun bin ich überzeugt, dass zu den unmöglichen Dingen mit Rücksicht auf unsere Schwäche auch die Abfassung einer genauen und der Gottheit würdigen Gesamtlehre vom Gebet gehört: auf welche Weise man beten muß, welche Worte man im Gebet an Gott richten soll, welche Zeiten für das Gebet günstiger sind als andere11… [Auch Paulus,] der sich wegen „des Übermaßes der Offenbarungen“ dagegen verwahrt, „dass ihn jemand über das hinaus, was er von ihm sieht oder hört, einschätze12“, erklärt [offenbar] nicht zu wissen, „wie man beten solle“; denn „was wir“, sagt er13, „beten sollen nach Gebühr, das wissen wir nicht.“ Notwendig aber ist nicht nur das Beten an sich, sondern auch das Beten „wie es sich gebührt“ und das Beten „was sich gebührt“. Denn gesetzt auch, wir wären imstande, zu erfassen, was wir beten sollen, so bleibt dies doch unvollkommen, wenn wir nicht auch die rechte Art hinzunehmen. Was nützt uns aber die rechte Art, wenn wir nicht wissen, was wir beten sollen?

2.

Das eine von diesen beiden Erfordernissen, ich meine den notwendigen Inhalt, das sind die Worte des Gebetes; die rechte Art aber, das betrifft den Zustand des Betenden. Beispielsweise beziehen sich auf den  Inhalt des Gebets die Worte: „Bittet um das Große, und das Kleine wird euch zugelegt werden14“, und: „Bittet um das Himmlische, und das Irdische wird euch zugelegt werden15“ und: „Betet für die, welche euch mißhandeln16“, und: „Bittet also den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter hergebe zu seiner Ernte17“, und: „Betet, dass ihr nicht in Versuchung geratet18“, und: „Betet, dass eure Flucht nicht stattfinde im Winter oder am Sabbat19“, und: „Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht plappern20“, und andere ähnliche Stellen. Auf die rechte Art des Betens beziehen sich folgende Worte: „Ich will nun, dass die Männer beten an jedem Ort, heilige Hände aufhebend, frei von Zorn und Bedenklichkeit; ebenso auch, dass die Frauen, züchtig in Kleidung21, sich schamhaft und besonnen schmücken, nicht mit Haargeflecht oder Gold oder Perlen oder kostbarem Gewand, sondern, wie es Frauen, die sich zur Gottesfurcht bekennen, ziemt, durch gute Werke22“. Über die rechte Art zu beten belehrt auch folgende Stelle: „Wenn du nun deine Gabe zum Altar bringst und dort daran denkst, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar und gehe zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und bringe deine Gabe dar.23“ Welch größere Gabe könnte denn von dem Vernunftwesen zu Gott emporgesandt werden als ein Gebet voll Wohlgeruch, dargebracht von einem Gewissen, das keinen übeln Geruch  von der Sünde her an sich trägt? Ferner (lehrt) die rechte Art (zu beten auch) diese Stelle: „Entziehet euch einander nicht, außer nach Vereinbarung auf einige Zeit, damit ihr euch dem Gebete widmen und dann wieder zusammen sein könnt, damit sich nicht der Satan über euch freue wegen eurer Unenthaltsamkeit24.“ Denn durch diese Dinge wird die rechte Art (des Betens) beeinträchtigt, wenn (nämlich) auch das Werk der ehelichen Geheimnisse – über die man schweigen muß – nicht ehrbar, bedächtig und ohne Leidenschaft vollbracht wird, indem die dort (in der Schrift) genannte „Vereinbarung“ das Unvereinbare der Leidenschaft beseitigt und die Unmäßigkeit vertilgt und den Satan an seiner Schadenfreude hindert. Ferner belehrt über die rechte Art des Gebets die folgende Stelle: „Wenn ihr euch zum Gebete stellt, so vergebet, wenn ihr etwas gegen jemanden habt 25.“ Auch diese Stelle bei Paulus: „Ein jeder Mann, der beim Beten oder Weissagen etwas auf dem Haupte hat, beschimpft sein Haupt; eine jede Frau aber, die beim Beten oder Weissagen das Haupt unverhüllt läßt, beschimpft ihr Haupt26“, gibt eine Anleitung zu der rechten Art des Betens.

3.

Alles dies wußte Paulus und hätte noch viel mehr Stellen aus dem Gesetz und den Propheten und dem Vollinhalt des Evangeliums mit mannigfaltiger Erklärung jedes einzelnen Punktes beibringen können; da er aber sah, wie weit er auch nach allen diesen Kenntnissen hinter dem Verständnis dessen, was wir „nach Gebühr“ beten müssen, zurückblieb27, so sagt er nicht bloß in bescheidener, sondern auch in wahrhaftiger Gesinnung: „Das aber, was wir beten sollen nach Gebühr, das wissen wir nicht28.“ Und auch dies fügt er zu seinen  Worten hinzu, woher das Fehlende für den ergänzt wird, der es nicht kennt, aber sich für die Ergänzung des Fehlenden in ihm würdig vorbereitet hat; er sagt nämlich: „der Geist selbst tritt mit unaussprechlichen Seufzern Gott gegenüber (für uns) kräftig ein. Der aber die Herzen erforscht, weiß, was der Sinn des Geistes ist, dass er nämlich nach Gottes Willen für Fromme eintritt29.“ Der Geist aber, der in den Herzen der Glückseligen „Abba, Vater!“ ruft30, der von den Seufzern „in dem (irdischen) Zelt“ genau weiß, dass sie imstande sind, die Gefallenen oder (vom rechten Wege) Abgewichenen „zu beschweren31“, (dieser Geist) „tritt mit unaussprechlichen Seufzern Gott gegenüber (für uns) kräftig ein“, indem er in seiner großen Menschenliebe und Mitempfindung unsere Seufzer auf sich nimmt. Da er aber gemäß der in ihm wohnenden Weisheit unsere bis „zum Staub32“ erniedrigte und in dem „Leibe der Erniedrigung33“ eingeschlossene Seele sieht, so „tritt er Gott gegenüber“ nicht mit den gewöhnlichen „Seufzern“, sondern mit gewissen „unaussprechlichen Seufzern kräftig (für uns) ein“, die mit den „unsagbaren Worten“ zusammenhängen, „welche auszusprechen einem Menschen nicht gestattet ist34“. Dieser Geist nun, der sich nicht begnügt, „Gott gegenüber (für uns) nur einzutreten“, steigert seine Fürsprache und „tritt (Gott gegenüber für uns) kräftig ein“, ich meine für „die Obsiegenden“, für Männer wie Paulus, welcher sagt: „Aber in allen diesen Dingen obsiegen wir35.“ Es ist aber natürlich, dass er einfach nur „eintritt“ für solche, die siegreich, und weder von der Art sind, dass sie „obsiegen“, noch auch umgekehrt von der Art, dass sie besiegt werden.

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