Sieben Bücher über die Menschwerdung Christi – Johannes Cassianus
Johannes Cassianus war ein christlicher Mönch und Theologe, der sowohl in der westlichen als auch in der östlichen Kirche für seine mystischen Schriften gefeiert wurde. Cassianus ist bekannt für seine Rolle bei der Verbreitung der Ideen und Praktiken des christlichen Mönchtums im frühmittelalterlichen Westen. Sein drittes Buch, “Über die Menschwerdung Christi”, war eine Verteidigung der orthodoxen Lehre gegen die Ansichten des Nestorius und wurde auf Wunsch des Erzdiakons von Rom, des späteren Papstes Leo I., verfasst. In diesem Buch weist Cassianus auf eine Verbindung zwischen dem Nestorianismus, der die Menschlichkeit Jesu betont, und dem Pelagianismus. Spätere Theologen bezeichneten Cassianus jedoch als “Semipelagianer”, weil er die Rolle des menschlichen Willens, im Gegensatz zu Augustins’ Gnadenlehre, auf dem Weg zur Erlösung betonte.
Format: eBook/Taschenbuch
Sieben Bücher über die Menschwerdung Christi
ISBN eBook: 9783849659929
ISBN Taschenbuch: 9783849668280
Auszug aus dem Text:
Erstes Buch
1. Die Häresie wird mit der Schlange der Dichter verglichen .
Es erzählen die Fabeln der Dichter, daß einer Schlange für abgeschnittene Köpfe mehrere wuchsen und sie durch ihren Verlust größer wurde, so daß in einem neuen und unerhörten Wunder diesem durch seinen Tod vermehrten Ungeheuer der Verlust zu einer Art des Gewinnes wurde, weil eben, was immer das Eisen des Schneidenden trennte, durch eine verschwenderische Fruchtbarkeit sich ganz wieder erzeugte, bis endlich Einer, der das angefangene Abschneiden mit heisser Mühe verfolgte, nachdem seine Kraft so oft in erfolgloser Arbeit vergeblich gewesen war, die Kriegerstärke mit kluger Geschicklichkeit ausrüstete. Er wandte, wie man erzählt, Feuer an, schnitt den vielfachen Nachwuchs des merkwürdigen Körpers mit glühendem Schwerte ab, und als er so durch Verbrennung des innersten Markes die unnachgiebigen Quellen der schändlichen Fruchtbarkeit verbrannt hatte, da hörte endlich die ungeheuerliche Erzeugung auf. So haben nun die Häresieen in den Kirchen eine Ähnlichkeit mit jener Schlange, welche die Poeten in ihren Dichtungen erfunden haben; denn auch sie zischen gegen uns mit thierischen Zungen, auch sie spritzen ein tödtliches Gift aus, auch sie erzeugen sich nach abgeschnittenen Köpfen auf’s Neue. Aber weil bei dem Wiederaufleben der Krankheit die Medicin nicht fehlen darf, so muß auch der Heilversuch um so eifriger sein, je schwerer die Krankheit ist; denn der Herr unser Gott ist mächtig genug, daß bei den wilden Thieren der Kirche die Wahrheit Das thue, was heidnischer Wahn über den Tod jener Schlange erdichtet hat, und daß das feurige Schwert des hl. Geistes bei Vertilgung der neuen Häresie das Mark der verderblichen Zeugungskraft so vollständig versenge, daß endlich die verschwenderische Fruchtbarkeit durch die Vernichtung der QuelIen zu gebären aufhöre.
2. Er beschreibt verschiedene Ungeheuer von Häresien, die gegenseitig aus einander hervorgiengen .
Nicht neu sind nun in den Kirchen diese Sprossen eines fruchtbaren Samens. Immer duldete der Saatwuchs des göttlichen Ackers diese Kletten und Dornen, und beständig tauchten unter ihm die Keime des erstickenden Unkrautes auf. Denn so entstanden die Hebioniten, so die Sabellianer und Arianer, so ferner die Eunomianer und Macedonianer, die Fotinianer, Apollinaristen und die übrigen Dorngesträuche der Kirchen, dieses Unkraut, welches die Frucht des guten Glaubens ertödtet. Der Erste derselben, Hebion,1 beraubte, da er die Menschwerdung des Herrn zu sehr betonte, ihn der Verbindung mit der Gottheit. Die Spaltung des Sabellius2 aber, welche nachher aus dem Gegensatze mit der vorigen Häresie entstand, vermischte, soviel an ihr lag, die heilige und unaussprechliche Trinität durch eine gotteslästerliche Gleichmachung, während sie behauptete, daß zwischen dem Vater und dem Sohne und heiligen Geiste gar kein Unterschied sei. Auf den Genannten folgte nun die gottlose arianische Verkehrtheit.3 Um nicht in den Schein zu fallen, als vermische sie die heiligen Personen, behauptete diese, daß es in der Trinität verschiedene, einander unähnliche Substanzen gebe. Eunomius4 dagegen, der nachher kam, aber von ganz gleicher Verkehrtheit war, behauptete, obwohl er die Ähnlichkeit in der göttlichen Trinität betonte, doch eine Verschiedenheit in derselben und ließ die Ähnlichkeit zu mit Ausschluß der Gleichheit. Auch Macedonius5 lästerte mit unheilbarer Gottlosigkeit den hl. Geist, nannte ihn, obwohl er zugab, daß Vater und Sohn von gleichem Wesen seien, ein Geschöpf und versündigte sich so an der ganzen Gottheit, weil in der Trinität Nichts verletzt werden kann, ohne dem Ganzen zu schaden. Photinus6 aber wähnte, obwohl er Jesum, der aus der Jungfrau geboren worden, Gott nannte, doch in übler Weise, daß der Anfang des Gottes zugleich sei mit dem Anfange des Menschen. Apollinaris7 dann, welcher den mit Gott vereinigten Menschen gedankenlos auffaßte, glaubte zu seinem Unheil, derselbe habe keine menschliche Seele gehabt; denn es ist kein geringerer Irrthum, unserm Herrn Jesus Christus Ungehöriges zuzuschreiben, als ihm das Zukommende abzusprechen, und was von ihm nicht so ausgesagt wird, wie es ist, das ist eine Schmähung, wenn es auch den Schein der Ehre hat. So erzeugte Jeder durch die Ähnlichkeit mit der einen Häresie eine andere, und Alle hatten zwar unter sich verschiedene, aber immer dem Glauben entgegengesetzte Ansichten. Auch vor Kurzem noch, d. h. in unsern Tagen, sahen wir eine giftige Häresie besonders in der Stadt der Beliger8 auftauchen, deren Irrthum sicher ist, unsicher ihr Name, weil sie, entstanden mit neuem Haupte aus dem alten Stamme der Ebioniten, es sehr zweifelhaft läßt, ob man sie alt oder neu nennen soll. Neu ist sie nämlich durch ihre Verkünder, alt durch ihre Irrthümer. Indem sie also die Lästerung ausspricht, daß unser Herr Jesus Christus als bloßer Mensch geboren worden sei, behauptet sie ferner, es sei Sache des menschlichen Verdienstes, nicht seiner göttlichen Natur gewesen, daß er nachher zu göttlicher Ehre und Macht gelangt sei; folglich habe er die Gottheit nicht immer durch den Besitz der mit ihm vereinigten göttlichen Natur gehabt, sondern sie nachher zum Lohne seiner Mühen und Leiden durch sein Verdienst erlangt. Da sie so in allweg die Lästerung festhält, unser Herr und Erlöser sei nicht als Gott geboren, sondern von Gott aufgenommen, so nähert sie sich jener Häresie,9 die jetzt auftritt, und ist gleichsam ihre Schwester und Blutsverwandte, die sowohl mit den Ebioniten als diesen Neuesten übereinstimmt und, wenn auch der Zeit nach zwischen Beiden, doch der Verkehrtheit nach mit ihnen vereint ist. Obwohl es noch einige, den Genannten Ähnliche gibt, so würde es doch zu weit führen, alle aufzuzählen; denn wir haben jetzt nicht die Erwähnung der alten, sondern die Widerlegung der neuen (Häresien) zur Besprechung genommen.
3. Er kennzeichnet den verpestenden Irrthum der Pelagianer .
Jenes Eine meinen wir wahrhaftig nicht übergehen zu sollen, wie es etwas Besonderes und Eigenthümliches an der obengenannten aus dem Irrthume des Pelagius hervorgegangenen Häresie10 war, daß sie bei ihrer Lehre, der bloße Mensch Jesus Christus habe ohne jede Sündenbefleckung gelebt, soweit gingen, zu behaupten, die Menschen könnten, wenn sie wollten, ohne Sünden sein. Denn sie dachten folgerichtig, es könnten, wenn der bloße Mensch Jesus Christus ohne Sünde gewesen sei, auch alle Menschen ohne Hilfe Gottes Das sein, was jener bloße Mensch ohne Gemeinschaft mit Gott hatte sein können. Und so würden sie also keinen Unterschied sein lassen zwischen den übrigen Menschen und unserm Herrn Jesus Christus, da jeder Mensch in allweg durch seine Anstrengung und seinen Fleiß Das verdienen könnte, was Christus durch seine Mühe und Arbeit verdient hatte. Dadurch geschah es, daß sie in einen noch größern und ungeheuerlichern Wahnsinn stürzten und behaupteten, unser Herr Jesus Christus sei nicht in diese Welt gekommen, um dem Menschengeschlechte die Erlösung zu verschaffen, sondern um Beispiele guter Handlungen zu geben, damit nemlich jene Menschen, welche seiner Anleitung folgten, dadurch, daß sie denselben Weg der Tugend wandelten, auch zu demselben Lohne der Tugend gelangen möchten. So viel an ihnen lag, erklärten sie für eitel jede Gabe der heiligen Ankunft und jede Gnade der göttlichen Erlösung, da sie behaupteten, daß die Menschen durch ihr Leben Dasselbe erreichen könnten, was Gott durch seinen Tod für das Heil der Welt geleistet hätte. Sie fügen noch bei, daß unser Herr und Erlöser nach der Taufe Christus geworden sei, nach der Auferstehung Gott, und schreiben das Eine dem Geheimnisse der Salbung zu, das Andere dem Verdienste des Leidens. Deßhalb merkt auch der neue Urheber einer nicht neuen Häresie, der da behauptet, unser Herr und Erlöser sei als bloßer Mensch geboren worden, daß er ganz Dasselbe sage, was die Pelagianisten früher gesagt hatten, und wie es also seinem Irrthume entspreche, daß Derjenige, welcher durchweg behauptet, der bloße Mensch Christus Jesus habe ohne Sünde gelebt, auch die Gotteslästerung ausspreche, alle Menschen könnten durch sich selbst ohne Sünde sein; und daß nach seinem Beispiele die Andern sagen, die Erlösung des Herrn sei nicht nöthig gewesen, da, wie sie behaupten, die Menschen durch ihre bloße eigene Anstrengung auch zum himmlischen Reiche gelangen können. Das unterliegt keinem Zweifel, sondern steht durch die Thatsache selbst klar zu Tage. Denn daher kommt es, daß er durch seine Fürsprache11 die Klage der Pelagianisten hätschelt, durch seine Schriften die Sache derselben bekräftigt, daß er ihnen fein oder, um mich besser auszudrücken, hinterlistig hilft und der ihm blutsverwandten Gottlosigkeit mit gottloser Liebe beispringt, da er wohl weiß, daß er denselben Sinn und Geist hat, und also es schmerzlich empfindet, wenn die ihm verwandte Häresie von der Kirche getrennt ist, während er dieselbe in allweg mit ihm durch Verkehrtheit verbunden weiß.
4. Leporius widerruft zugleich mit einigen andern den Pelagianismus.
Weil nun aber Solche, die aus dem Stamme dieser verderblichen Dornen hervorgewachsen waren, bereits durch die gütige Hilfe Gottes geheilt sind, so müssen wir auch nun den Herrn bitten, es möge, weil jene alte Häresie und diese neue in Manchem übereinstimmend sind, dem im Übeln gleichen Anfange auch ein im Guten gleicher Ausgang gewährt werden. Leporius nemlich, damals Mönch, jetzt Presbyter, der wie gesagt aus des Pelagius Schule oder vielmehr Verkehrtheit hervorging, in Gallien entweder zuerst oder am meisten als Lehrer der genannten Häresie auftrat und von uns ermahnt, von Gott aber gebessert wurde, hat die unglücklicher Weise empfangene Überzeugung so herrlich verdammt, daß seine Besserung fast ebenso bewunderungswürdig ist, als der unverletzte Glaube Anderer; denn das Erste ist, durchaus in keinen Irrthum zu fallen, das Zweite aber, ihn gut wieder aufzugeben. Dieser also hat, in sich gekehrt, nicht nur in Afrika, wo er damals war und nun ist, seinen Irrthum mit Schmerz und ohne Scheu bekannt, sondern auch fast in alle gallischen Städte Briefe voll Thränen, Bekenntniß und Jammer geschrieben, damit nemlich, wo früher seine Verirrung offenkundig war, jetzt auch seine Besserung bekannt würde und Ebendieselben, welche vorher Zeugen seines Irrthums gewesen waren, jetzt auch Zeugen seiner Änderung wären.
5. Er bestätigt nach dem Beispiele des Leporius, daß eine öffentliche Sünde durch ein öffentliches Bekenntniß getilgt werden müsse, und zeigt zugleich aus dessen Darstellung, wie man von der Menschwerdung des Wortes denken müsse .
Aus seinem Bekenntnisse oder vielmehr aus seiner thränenvollen Klage haben wir geglaubt, Einiges einreihen zu sollen, aus dem doppelten Grunde: daß die Besserung Jener sowohl uns zum Zeugniß als auch Denen, welche wanken, zum Beispiele sei, und daß keine Scham sie abhalte, die Besserung Derjenigen nachzuahmen, deren Irrthum zu folgen sie sich nicht schämten. Mögen sie so, wie sie an gleicher Krankheit litten, auch durch das gleiche Mittel geheilt werden. Nachdem also Jener die Verkehrtheit seiner Meinung erkannt und das Licht des Glaubens gesehen hatte, begann er in seinem Schreiben an die gallischen Bischöfe so: „Was ich, o meine verehrungswürdigen Herren und gottseligsten Priester, bei mir zuerst anklagen soll, weiß ich nicht, und was ich an mir zuerst entschuldigen soll, finde ich nicht. So hat Unerfahrenheit und Hochmuth, so thörichte Einfalt und schädliche Sicherheit, Eifer ohne Mäßigung, so hat, um mich wahrer auszudrücken, ein schwacher Glaube, der sich selbst verminderte, ja so hat all Das, was ich zugleich in mich aufnahm, in mir gelebt, daß es ebenso Verwirrung war, so Vielem und Mächtigem zugleich zu gehorchen, als es für mich ein wunderbares Glück ist, daß Solches aus dem Gemüthe wieder weichen konnte.“ Bald nach Diesem fügt er bei: „Wenn wir also diese Macht Gottes durchaus nicht erfassen, und wenn wir, gleich als scheine sonst Gott auf zu Niedriges einzuwirken, nach der Weisheit unseres Sinnes und Verstandes den Menschen so mit Gott geboren sein lassen, daß wir getrennt Das, was Gottes ist, nur Gott zuschreiben und Das, was dem Menschen gehört, nur diesem zurechnen, so führen wir offenbar in der Trinität eine vierte Person ein und beginnen, aus dem einen Gott-Sohn nicht einen, sondern zwei Christus zu machen, was Christus selbst, unser Herr und Gott, fern von uns halten möge. So bekennen wir also, daß unser Herr und Gott Christus Jesus, der einzige Sohn Gottes, der für sich geboren wurde vor der Zeit aus dem Vater, für uns in der Zeit vom hl. Geiste aus Maria der immerwährenden Jungfrau Mensch geworden und als Gott geboren sei. Indem wir so beide Naturen, die des Fleisches und des Wortes bekennen, nehmen wir immer mit frommer Glaubenstreue einen und denselben unzertrennlichen Gott und Menschen an und sagen, daß von der Zeit der Menschwerdung an Alles, was dem Gotte eigenthümlich war, so auf den Menschen übergegangen sei, daß Alles, was zum Menschen gehörte, auf Gott kam. Es ist also das Wort Fleisch geworden nicht in dem Sinne, daß es durch irgend eine Veränderung oder Wandelbarkeit angefangen hätte zu sein, was es nicht war, sondern daß durch die Kraft der göttlichen Anordnung das Wort des Vaters, ohne ihn je zu verlassen, sich würdigte, wahrhaft Mensch zu werden, und der Eingeborene Fleisch wurde nach jenem verborgenen Geheimnisse, das nur er kennt; denn uns gehört das Glauben, ihm das Wissen. Und so ist nun Gott, das Wort, indem es Alles annahm, was des Menschen ist, Mensch, und der angenommene Mensch kann, da er alles erhielt, was Gottes ist, nichts Anderes sein als Gott. Aber deßhalb, weil er fleischgeworden und vermischt12 genannt wird, darf man keine Verringerung seines Wesens annehmen; denn Gott weiß, ohne Abbruch zu leiden, sich zu vermischen und dennoch in Wahrheit vermischt zu werden; er weiß, Etwas so anzunehmen, daß ihm dadurch keine Vermehrung zuwächst, wie er auch sich selbst ganz so einzugießen weiß, daß kein Verlust eintritt. Wir wollen also nicht nach unserm schwachen Verstande den sichtbaren Erfahrungsbeweisen gemäß unsern Schluß machen, wie über gleiche, sich gegenseitig vereinigende Geschöpfe, und nicht glauben, daß Gott und Mensch so verbunden wären und durch einen solchen Zusammenguß des Fleisches und Wortes irgend ein Körper geworden seien. Ferne sei von uns ein solcher Glaube, daß wir meinen, die zwei Naturen seien durch eine Art Verschmelzung zu einer Wesenheit geworden; denn eine solche Vermischung wäre ein Abbruch für beide Theile. Denn Gott, der erfassend, aber nicht umfaßbar ist, durchdringend, aber nicht durchdringlich, erfüllend, nicht erfüllbar, der überall zugleich ganz ist und überallhin verbreitet, hat sich in seiner Macht durch Eingießung barmherzig mit der menschlichen Natur vermischt.“ Etwas später heißt es: „Es wird also recht eigentlich für uns aus dem hl. Geiste und Maria der immerwährenden Jungfrau geboren der Gottmensch Christus Jesus, der Sohn Gottes. Und so werde Wort und Fleisch gegenseitig Eins, daß sie, während jede Substanz in ihrer natürlichen Vollkommenheit bleibt, ohne Nachtheil für sich der Menschheit das Göttliche mittheilen und der Gottheit das Menschliche. Nicht ist also der Eine Gott, und ein Anderer der Mensch, sondern Ebenderselbe ist Gott, der auch Mensch ist; und andererseits ist derjenige Mensch, der auch Gott genannt wird und wirklich ist, Jesus Christus der einzige Sohn Gottes. Deßhalb müssen wir voll Glauben immer darauf sehen, daß wir nicht läugnen, unser Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes, der wahre Gott, der nach unserm Bekenntniß immer mit dem Vater und dem Vater gleich war vor aller Zeit, sei von dem Augenblicke der Fleischannahme an Gottmensch geworden. Auch dürfen wir nicht glauben, daß er wie durch Stufen und Zeitabschnitte zum Gotte geworden sei und einen andern Stand vor der Auferstehung gehabt habe, einen andern nachher, sondern immer dieselbe Fülle und Kraft.“ Ebenso heißt es bald darauf: „Aber weil das göttliche Wort durch gnädige Annahme der Menschennatur zum Menschen herabstieg und durch die Aufnahme Gottes der Mensch zum Worte emporstieg, so ist der ganze Gott-Wort ein ganzer Mensch geworden. Nicht Gott Vater nemlich ist Mensch geworden und nicht der hl. Geist, sondern der Eingeborene des Vaters und deßhalb ist eine Person des Fleisches und Wortes anzunehmen, so daß wir treu ohne jeden Zweifel glauben, ein- und derselbe Sohn Gottes, immer untheilbar, der auch in den Tagen seines Fleisches „der Riese von zwei Naturen“ genannt wurde,13 habe wahrhaft immer Alles gethan, was zum Menschen gehört, und wahrhaft immer besessen, was Gottes ist. So wurde er auch gekreuzigt gemäß seiner Schwäche und lebt durch die Kraft Gottes.“
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