Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1

Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1 – Augustinus von Hippo

“Die zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat” (lateinisch: De civitate Dei), oft auch “Vom Gottesstaat” genannt, ist ein Buch der christlichen Philosophie, geschrieben in Latein von Augustinus von Hippo im frühen 5. Jahrhundert. Das Buch war eine Antwort auf die Behauptung, das Christentum habe den Niedergang Roms herbeigeführt, und gilt neben den Bekenntnissen und dem Enchiridion als eines der wichtigsten Werke des Augustinus. Als Werk eines der einflussreichsten Kirchenväter ist “Vom Gottesstaat” ein Eckpfeiler des westlichen Denkens, in dem viele tiefe Fragen der Theologie, wie das Leiden der Gerechten, die Existenz des Bösen, der Konflikt zwischen freiem Willen und göttlicher Allwissenheit und die Lehre von der Erbsünde, dargelegt werden. Dies ist Band eins von zwei und enthält die Bücher eins bis dreizehn.

Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1

Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1.

Format: eBook/Taschenbuch

Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1

ISBN eBook: 9783849659820

ISBN Taschenbuch: 9783849668655

 

Auszug aus dem Text:

 

1. Buch

 

Vorrede.

 

Teuerster Sohn Marcellin[1] ! In diesem an dich gerichteten Werke, mit dem ich zugleich ein Versprechen[2] einlöse, habe ich es übernommen, den glorreichen Gottesstaat, sowohl wie er sich im Ablauf der Weltzeit darstellt, da er, „aus dem Glauben lebend“[3] , unter Gottlosen pilgert, als auch wie er in der Stetigkeit des ewigen Wohnsitzes ruht, die er zur Zeit „in Geduld erhofft“[4] , bis sich die Gerechtigkeit wendet zum Gerichte“[5] , dann aber in Herrlichkeit erlangen wird mit dem letzten Sieg und in vollkommenem Frieden, diesen Gottesstaat also will ich verteidigen gegen die, die seinem Gründer ihre Götter vorziehen: ein großes und schweres Werk, doch Gott ist unser Beistand. Denn ich weiß, welcher Anstrengung es bedarf, um den Hochmut zu überzeugen, wie groß die Kraft der Demut sei, durch die sich, nicht angemaßt von Menschenstolz, sondern als ein Geschenk von Gottes Gnaden, eine Hoheit auswirkt, überragend alle menschliche Erhabenheit in ihrer zeitlich bedingten Wandelbarkeit, Denn der König und Gründer dieses Staates hat in der Schrift für sein Volk den Spruch des göttlichen Gesetzes verkündet des Inhalts: „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade“[6] . Allein das, was Gott zusteht, äfft auch der aufgeblähte Geist menschlichen Hochmutes nach und läßt gern von sich rühmen, daß er die „Unterwürfigen schone und niederkämpfe die Stolzen“[7] . Darum soll auch vom Weltstaat, der, lüstern nach Herrschaft, dennoch seinerseits, wennschon sich die Völker dienend beugen, von der Herrschbegierde beherrscht wird, hier die Rede sein, soweit es der Plan des Werkes erheischt und sich die Möglichkeit bietet.

 

1. Gegner des Namens Christi, deren die Barbaren um Christi willen bei der Verwüstung der Stadt geschont haben.

 

Aus dem Weltstaat nämlich kommen die Feinde, gegen die der Gottesstaat verteidigt werden muß; freilich viele von ihnen kehren sich ab von den Irrwegen der Gottlosigkeit und werden ganz brauchbare Bürger des Gottesstaates; aber viele auch glühen in heißestem Haß gegen ihn und legen schreienden Undank an den Tag gegenüber offenkundigen Wohltaten seines Erlösers, da sie doch heute den Mund nicht auftun würden gegen den Gottesstaat, wenn sie nicht an dessen geheiligten Stätten vor dem feindlichen Schwert das Leben neu gefunden hätten, das ihnen Anlaß zum Hochmut wird. Oder sind nicht auch solche Römer Feinde des Namens Christi, deren die Barbaren um Christi willen geschont haben? Das bezeugen die Stätten der Märtyrer und die Kirchen der Apostel, die damals bei der Verwüstung der Stadt[8] alle aufnahmen, die in ihnen Zuflucht suchten, die Fremden so gut wie die Ihrigen. Bis hieher wütete der Blutdurst des Feindes, hier fand die Mordlust ihre Grenze, und wenn mitleidige Feinde auch außerhalb dieser Stätten Schonung übten, hieher geleiteten sie die Verschonten, damit sie nicht andern in die Hände fielen, die solches Erbarmen nicht walten ließen. Aber auch die Erbarmungslosen, die anderwärts wild und nach Feindesart wüteten, sobald sie an die Stätten kamen, wo verwehrt war, was außerhalb nach dem Kriegsrecht als erlaubt gelten konnte, so zügelte sich der unmenschliche Grimm und die Gier nach Gefangenen brach sich. So entrannen dem Verderben viele, die heute auf die christlichen Zeiten schmähen und die Leiden, die die Stadt erduldet hat, Christo zuschreiben; daß ihnen aber um der Ehre Christi willen Heil widerfuhr, indem sie am Leben blieben, das schreiben sie nicht unserem Christus, sondern ihrem Schicksal zu. Und sie sollten doch vielmehr, wenn sie einige Einsicht hätten, die erduldeten Kriegsleiden auf die göttliche Vorsehung zurückführen, die gar oft durch Kriege die verderbten Sitten bessert und vernichtet und hinwieder das Leben der Gerechten und Guten durch solche Heimsuchungen prüft, um es geläutert in eine höhere Sphäre zu versetzen oder noch auf dieser Welt festzuhalten zur Erfüllung anderer Aufgaben; dagegen die Schonung, die ihnen rauhe Barbaren allem Kriegsbrauch entgegen allerorts um des Namens Christi willen oder doch an den dem Namen Christi speziell geweihten Stätten, in jenen weiten Hallen, die[9] bestimmt wurden aus besonderem Erbarmen als geeignet zur Aufnahme großer Massen, diese Schonung sollten sie den christlichen Zeiten zuschreiben und daraus Anlaß nehmen, Gott zu danken und, um der Strafe des ewigen Feuers zu entgehen, nun in Wahrheit bei seinem Namen Zuflucht suchen, den viele von ihnen unaufrichtig in Anspruch genommen haben, um der Strafe zeitlichen Verderbens zu entgehen. Denn unter denen, die man jetzt mutwillig und frech die Anhänger Christi höhnen sieht, finden sich genug, die damals dem Ruin nicht entronnen wären, wenn sie sich nicht als Anhänger Christi ausgegeben hätten. Und jetzt widersetzen sie sich mit verkehrtem Herzen in undankbarem Stolz und ganz gottlosem Wahnsinn seinem Namen, so daß sie mit ewiger Finsternis gestraft werden, jenem Namen, unter dem sie mit heuchlerischer Miene Schutz zu suchen sich nicht entblödeten, damit sie das irdische Licht noch länger genössen.

 

2. Es ist in der Kriegsgeschichte unerhört, daß Sieger wegen der Götter der Überwundenen den Besiegten Schonung gewährt hätten.

 

Eine Unzahl von Kriegen vor der Gründung Roms, seit seinen Anfängen und dem Emporsteigen zur Weltherrschaft ist beschrieben worden: man lese in diesen Kriegsgeschichten und führe uns ein Beispiel an, daß eine Stadt von einem fremden Volke genommen worden wäre und dabei die Gegner, die sie nahmen, die verschont hätten, die sich in die Tempel ihrer Götter flüchteten, oder daß je ein Heerführer von Barbaren den Befehl erteilt hätte, daß nach dem Eindringen in die Stadt niemand getötet werde, den man in diesem oder jenem Tempel antreffe. Sah nicht Äneas, wie

„Priamus[10] an den Altären

 Das von ihm geheiligte Feuer mit Blut befleckte?“

 Haben nicht Diomedes und Ulixes[11] ,

 „als sie die Wächter des obersten Schlosses ermordet,

 Weggeschleppt das blutige Bild und mit blutigen Händen

 Ohne Scheu berührt den Jungfrau’nschleier der Göttin“?

 Und doch ist nicht wahr, was folgt:

 „Seitdem entschwand und sank dahin der Danaer Hoffnung“.

Denn nachher erst siegten sie, nachher erst vernichteten sie Troja mit Feuer und Schwert und hieben den Priamus nieder, der beim Altare Schutz suchte. Und nicht deshalb ging Troja zugrunde, weil ihm seine Minerva abhanden kam. Denn was war ihr zuerst abhanden gekommen, daß sie zugrunde ging? Etwa ihre Wächter? Ja das ist die Wahrheit; nachdem diese BeSchutzer getötet waren, konnte man ihr beikommen, Denn nicht das Götterbild wahrte die Menschen, sondern die Menschen wahrten das Götterbild. Wie konnte man doch als Schutzherrin von Stadt und Bürgern eine Göttin verehren, die ihre eigenen BeSchutzer nicht zu Schutzen vermochte!

 

3. Es war unklug von den Römern, sich etwas zu versprechen von den Schutzgöttern, die Troja zu Schutzen nicht imstande waren.

 

Das also waren die Götter, denen die Römer die Bewahrung ihrer Stadt anvertraut zu haben sich glücklich schätzten. Welch kläglicher Irrtum! Und uns zürnen sie, wenn wir so etwas von ihren Göttern sagen; nicht aber zürnen sie ihren Schriftstellern; vielmehr haben sie für den Unterricht in der Literatur Schulgeld ausgegeben und die Lehrer auch noch einer öffentlichen Besoldung und der Auszeichnung durch Ehren höchst würdig erachtet. Und doch wird bei Vergil, den die Knaben lesen, damit der große Dichter, von allen der berühmteste und beste, sich tief in das noch zarte Gemüt einsenke und nicht leicht wieder vergessen werde nach dem bekannten Worte des Horaz[12] ;

„Lange bewahrt noch der Krug den Geruch, womit er erfüllt ward,

 Da er noch neu“.

Bei diesem Vergil also wird ja die den Trojanern feindselig gesinnte Juno mit folgenden Worten an Äolus, den König der Winde, eingeführt, den sie gegen die Trojaner aufreizt[13] :

„Ein mir verhaßtes Volk durchquert die tyrrhenischen Wasser,

 Ilion führt’s nach Italien und die besiegten Penaten“.

War es wirklich klug, solchen besiegten Schutzgöttern Rom anzuvertrauen, damit es nicht besiegt werde? Aber Juno sprach dies vielleicht als ein leidenschaftliches Weib, ohne zu wissen, was sie sagte. Indes Äneas selbst, der so und so off der Fromme genannt wird, auch er erzählt[14] :

„Panthus, des Othrys Sohn, der Priester der Burg und des Phöbus,

 Schleppt die besiegten Götter mit sich und das heil’ge Geräte,

 An der Hand den Enkel, so strebt er hastig zum Ausgang“. _

Mußte er nicht meinen, daß diese Götter, die er unbedenklich besiegte Götter nennt, ihm anvertraut seien, und nicht er ihnen, da ihm zugerufen wird[15] :

„Troja empfiehlt dir die Heiligtümer und seine Penaten“.

Wenn also Vergil so die Götter zeichnet, als Besiegte, die, um nur überhaupt noch zu entkommen, einem Menschen anvertraut wurden, welcher Wahnsinn ist es dann zu glauben, daß Rom weislich solchen Schutzherren übergeben worden sei und daß die Stadt nicht hätte verwüstet werden können, wenn sie ihrer nicht verlustig gegangen wäre! Nein, besiegte Götter als Hüter und Schutzer verehren, heißt nicht gute Taler sondern schlechte Zahler haben. Hätte Rom sie nicht nach Kräften vor dem Untergang bewahrt, sie wären längst verschwunden; diese Annahme ist viel vernünftiger als die gegenteilige, daß Rom nicht zu Fall gekommen wäre, wenn sie nicht vorher verschwunden wären. Denn wer sähe nicht, wenn er nur sehen will, wie nichtig das Vorurteil ist, Rom könne unter dem Schutz von Besiegten nicht besiegt werden und sei deshalb untergegangen, weil es um seine Schutzgötter gekommen, da doch zum Untergang der eine Grund hinreichend wäre, daß man Schutzgötter haben wollte, um die man kommen konnte. Also haben die Dichter, als man von den besiegten Göttern das schrieb und sang, nicht eine Lüge beliebt, sondern die Wahrheit hat ehrliche Männer zum Bekenntnis gezwungen. Doch davon läßt sich besser an anderer Stelle mit eingehender Sorgfalt handeln. Jetzt will ich, so gut ich kann, in kurzen Worten das angeschlagene Thema vom Undank der Menschen erledigen. Sie geben die Übel, die sie bei der Verkehrtheit ihrer Sitten verdientermaßen erdulden, schmähsüchtigerweise unserm Christus Schuld; daß sie aber trotz ihrer Strafwürdigkeit um Christi willen Schonung erfuhren, das würdigen sie nicht im geringsten, vielmehr spitzen sie im Wahnsinn gotteslästerlicher Verkehrtheit gegen seinen Namen ihre Zunge, mit der sie heuchlerisch gerade diesen Namen in Anspruch genommen haben, um am Leben zu bleiben, oder die sie an den ihm geweihten Stätten aus Furcht zurückgehalten haben, um von hier aus, wo sie, sicher und geschützt, um seinetwillen von den Feinden unverletzt blieben, mit feindseligen Schmähungen gegen ihn hervorzubrechen.

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