Bekenntnisse

Bekenntnisse – Augustinus von Hippo

Bereits 394 oder 395 hatte sich der greise Bischof von Hippo, Augustinus, durch den Primas von Numidien, Bischof Megatius von Calama, zum Mitbischof weihen lassen; nach seinem Tode 395 oder 396 wurde er alleiniger Bischof. Um die Jahrhundertwende fühlte er sich gedrungen, das Resultat seines Lebens und Strebens zu ziehen. So entstand, für ihn zum Troste und zur Erbauung, anderen als ein Denkmal der unerschöpflichen Liebe und Güte Gottes, die sich doppelt herrlich dem Sünder offenbart, sein berühmtestes Werk “Bekenntnisse”. Streng genommen umfassen diese nur die Jahre von seiner Geburt bis zum Tode seiner Mutter Monnika, also 356-387. Arm an äußerer Handlung, an Tatsachen, sind sie um so reicher in der Ausmalung der verschiedenen Seelenzustände; sie sind die Geschichte seines Seelen- und Herzenslebens und geben authentischen Bericht über seine geistige Entwicklung. In ihrer Innigkeit und Zartheit wie in ihrer Zerknirschung und Demut erinnern sie lebhaft an die Psalmen Davids, die ja des Heiligen Lieblingslektüre waren. Durch alle Bücher hindurch zieht sich die direkte Anrede Gottes. Die ersten neun Bücher enthalten die Geschichte einer die Wahrheit suchenden und doch immer und immer wieder irrenden Seele. Das zehnte Buch soll zeigen, wie es zur Zeit der Abfassung des Werkes um den Verfasser bestellt war. Die drei letzten Bücher schließlich enthalten Betrachtungen über den Schöpfungsbericht der Genesis und kommen dem Höchsten, was je menschliche Philosophie gedacht, gleich, wenn sie es nicht überragen.

Bekenntnisse

Bekenntnisse.

Format: eBook/Taschenbuch

Bekenntnisse

ISBN eBook: 9783849659813

ISBN Taschenbuch: 9783849668648

 

Auszug aus dem Text:

 

Erstes Buch

1. Diese Lobpreisung Gottes ist auf seine eigene Veranlassung zurückzuführen.

 

 Inhaltsübersicht.

Augustinus durchforscht die Anfänge seines Lebens bis zu seinem fünfzehnten Jahr. Er gesteht die Sünden seines Kindes- und Knabenalters ein und bekennt, daß ihn Spiel und kindlicher Zeitvertreib mehr gefesselt hätten als Lernen und Studium.

„Groß bist du, o Herr, und überaus preiswürdig; groß ist deine Stärke, und deiner Weisheit ist kein Ziel gesetzt“1. Und dich will loben ein Mensch, ein winziger Teil deiner Schöpfung, ein Mensch, der schwer trägt an der Bürde seiner Sterblichkeit, schwer trägt auch am Zeugnis seiner Sünde und am Zeugnis, daß „du den Stolzen widerstehest“2. Und dennoch will dich loben der Mensch, selbst ein Teil deiner Schöpfung. Du selbst veranlaßt ihn, in deinem Preis eine Wonne zu suchen, denn geschaffen hast du uns im Hinblick auf dich, und unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir. Verleihe mir, o Herr, die rechte Erkenntnis und Einsicht, ob man dich erst anrufen oder preisen, erst dich erkennen oder anrufen muß! Aber wer ruft dich an, ohne dich zu kennen? Könnte er doch leicht in seiner Unwissenheit einen anderen für dich anrufen! Oder wirst du etwa angerufen, um erkannt zu werden? „Wie aber soll man den anrufen, an den man nicht geglaubt? Wie aber wird man glauben ohne Prediger“3? „Loben werden den Herrn, die ihn suchen“4 Denn wer sucht, der findet ihn, und wer ihn findet, wird  ihn preisen. So will ich dich denn suchen, o Herr, indem ich dich anrufe, und dich anrufen, da ich an dich glaube; denn du bist uns verkündet worden. Dich, o Herr, ruft an mein Glaube, den du mir gegeben, den du mir eingehaucht hast durch die Menschwerdung deines Sohnes, durch das Amt deines Predigers.

2. Gott, zu dem ich rufe, ist in mir und ich in ihm.

Doch wie soll ich meinen Gott anrufen, meinen Gott und meinen Herrn? Sicherlich werde ich ihn in mich rufen, wenn ich ihn anrufe. Und wo gibt es eine Stätte in mir, wohin mein Gott zu mir kommen soll? Wohin Gott kommen soll, Gott, der geschaffen hat Himmel und Erde? So gibt es denn wirklich, Herr mein Gott, etwas in mir, was dich fassen könnte? Aber fassen dich denn Himmel und Erde, die du zusammen mit mir geschaffen hast? Oder muß, weil nichts Bestehendes, ohne dich gedacht werden kann, dieses notwendigerweise dich fassen? Weil nun auch ich dazu gehöre, warum bitte ich dich, zu mir zu kommen, da ich doch nicht bestände, wenn du nicht in mir wärest? Denn noch bin ich nicht in der Unterwelt, und doch bist du ja auch dort! „Stiege ich auch hinab zur Unterwelt, so bist du dort“5. So wäre ich also nicht, mein Gott, ich wäre überhaupt nicht, wärest du nicht in mir. Oder richtiger: ich wäre nicht, wäre ich nicht in dir, „aus dem, durch den, in dem alles ist“6. Gewiss, auch so, o Herr! Wohin aber soll ich dich rufen, da ich in dir bin? Oder woher solltest du in mich kommen? Denn wohin soll ich außerhalb von Himmel und Erde mich begeben, daß von dort mein Gott in mich komme, der da gesagt hat: „Himmel und Erde erfülle ich“7?

3. Gott ist allenthalben so mit seinem ganzen Wesen gegenwärtig, daß nichts ihn ganz fassen kann.

Fassen dich also Himmel und Erde, da du sie erfüllest? Oder erfüllst du sie, aber nicht ganz, weil sie  dich nicht fassen? Und wohin strömest du aus, was von dir noch übrig bleibt, nachdem du Himmel und Erde erfüllt hast? Oder brauchst du, der du alles umfassest nicht von etwas umschlossen zu werden, da du ja, was du erfüllest, so erfüllest, daß du es auch umschließest? Denn nicht geben Gefäße, die von dir erfüllt sind, dir festen Halt; wenn sie auch brechen, du wirst nicht ausgegossen. Und wenn du dich auch über uns ausgießest, so liegst du doch nicht danieder, sondern richtest uns auf; du wirst nicht zerstreut, wohl aber sammelst du uns. Aber alles was du erfüllst, erfüllst du mit deinem ganzen Wesen. Oder weil die Dinge dich nicht in deinem ganzen Wesen erfassen können erfassen sie da einen Teil von dir und zwar alle zugleich denselben? Oder faßt jedes Ding einen besondern Teil, das größere Ding einen größeren Teil, das kleine einen kleineren? So ist also ein Teil von dir größer, ein anderer kleiner? Oder bist du überall mit deinem ganzen Wesen, und faßt doch kein Ding dich ganz?

4. Gottes Größe und Vollkommenheit ist unerklärlich.

Was also ist mein Gott? Was anderes, frage ich, als Gott der Herr? Denn „wer ist Herr außer dem Herrn? Oder wer ist Gott außer unserem Gott?“8 Höchster, Bester, Mächtigster, Allmächtigster, Barmherzigster und Gerechtester, Verborgenster und Allgegenwärtigster, Schönster und Gewaltigster, du Beständiger und Unfassbarer, du Unwandelbarer, selbst alles wandelnd, nie neu, nie alt, machst du doch alles neu „die Hochmütigen aber läßt du alt werden, und sie wissen es nicht“9. Immerdar wirkend, bist du doch immerdar in Ruhe; du sammelst ohne zu bedürfen; du trägst, erfüllest und beschirmst, du schaffst und ernährst, vollendest, suchest, da dir doch nichts fehlt. Du liebst ohne zu entbrennen, eiferst, ohne dich zu bekümmern, Reue ohne Schmerz, du zürnst, doch in Ruhe; du änderst deine Werke, nie deinen Ratschluß. Du nimmst  auf, was du findest, ohne es doch je verloren zu haben; niemals bedürftig, freust du dich des Gewinnes, niemals habgierig, verlangst du doch Zinsen. Im Übermaße zahlt man dir, um dich zum Schuldner zu machen; und doch wer besäße etwas, was nicht dir gehörte? Du bezahlst Schulden, bist aber keinem schuldig; du lässest sie nach, verlierst aber nichts dadurch. Und was habe ich nun damit gesagt, mein Gott, mein Leben, meine heilige Süßigkeit; oder was kann ein anderer über dich reden, wenn er von dir redet? Und dennoch, wehe denen, die von dir schweigen, da sie reden könnten, aber stumm bleiben!

5. Er fleht um die Liebe Gottes und um Verzeihung der Sünden.

Wer wird mir nun geben, daß ich Ruhe finde in dir? Wer wird mir geben, daß du einziehest in mein Herz und es berauschest, auf daß ich mein Elend vergesse und dich, mein einzig Gut, umfasse? Was bist du mir? Erbarme dich meiner, damit ich davon reden kann! Was bin ich dir aber selbst, dass du von mir geliebt zu werden verlangst und, wenn ich es unterlasse, mir zürnst und mit unendlichen Qualen drohst? Ist das nicht allein schon große Pein, dich nicht zu lieben? Wehe mir! Sage mir doch bei deiner Barmherzigkeit, Herr mein Gott, was du mir bist! „Sage meiner Seele: Ich bin dein Heil!“10 Sprich vernehmlich zu mir! Siehe, o Herr, die Ohren meines Herzens sind vor dir; öffne sie und sprich zu meiner Seele:”Dein Heil bin ich”. Nacheilen will ich diesem Wort und so dich erfassen. Verhülle nicht vor mir dein Angesicht. Sterben will ich, um nicht zu sterben, sondern es zu schauen.

Zu enge ist das Haus meiner Seele, daß du drin Einkehr halten könntest; so erweitere du es! Baufällig ist es; stelle du es wieder her. Manche schadhafte Stellen daran werden deine Augen beleidigen; ich weiß und gestehe es, Aber wer soll es reinigen? Oder zu wem außer dir will ich rufen: „Von meinen verborgenen Sünden reinige mich, o Herr, und vor den fremden bewahre  deinen Knecht“11. „Ich glaube, und darum rede ich”?12 Herr, du weißt es. Habe ich nicht “vor dir meine Missetaten wider mich bekannt, und hast du mir nicht verziehen meines Herzens Bosheit“13? Ich streite nicht im Gerichte mit dir, der du die Wahrheit bist; auch will ich mich nicht selbst betrügen, auf daß nicht „meine Ungerechtigkeit wider sich selbst lüge“14, Ich streite also nicht im Gerichte mit dir; denn „wenn du aufmerken solltest auf unsere Missetaten, Herr, Herr, wer könnte dann bestehen?“15.

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