Abhandlung über die Ausstattung des Menschen

Abhandlung über die Ausstattung des Menschen – Gregor von Nyssa

Dieses Werk sollte das Hexaëmeron des heiligen Basilius ergänzen und vervollständigen und setzt die Kenntnis dieser Abhandlung voraus. Die Erzählung von der Erschaffung der Welt wird nicht im Detail erörtert. Sie wird zwar erwähnt, aber vor allem, um den Gedanken zu unterstreichen, dass die Welt für die Herrschaft des Menschen vorbereitet wurde. Andererseits zeigt Gregor, dass der Mensch mit Umsicht geschaffen wurde, von Natur aus zur Herrschaft über die anderen Geschöpfe geeignet, in Bezug auf verschiedene moralische Eigenschaften Gott ähnlich und im Besitz der Vernunft, wobei er sich von der göttlichen Natur dadurch unterscheidet, dass der menschliche Verstand seine Informationen durch die Sinne erhält und von ihnen abhängig ist, um die äußeren Dinge wahrzunehmen. Der Körper ist dazu bestimmt, das Werkzeug des Verstandes zu sein, das zum Gebrauch eines vernünftigen Wesens geeignet ist; und es ist der Besitz der Vernunftseele, wie auch der natürlichen oder vegetativen und der Empfindungsseele, durch den sich der Mensch von den niederen Tieren unterscheidet.

Abhandlung über die Ausstattung des Menschen

Abhandlung über die Ausstattung des Menschen.

Format: eBook/Taschenbuch

Abhandlung über die Ausstattung des Menschen

ISBN eBook: 9783849660420

ISBN Taschenbuch: 9783849667870

 

Auszug aus dem Text:

 

1. Eine theilweise Naturbeschreibung von der Welt und eine anziehende Schilderung dessen, was der Schöpfung des Menschen vorausging.

 „Dieß ist das Buch der Entstehung von Himmel und Erde,“ sagt die Schrift,4 als alles Sichtbare vollendet wurde und jedes der Wesen abgesondert an seinen gehörigen Ort hinging, als der Himmelskörper Alles rings umfing, die schweren und niedersinkenden Körper, Erde und Wasser, in wechselseitigem Festhalten den Mittelraum des Alls einnahmen und zum Verband und Bestand des Gewordenen die göttliche Kunst und Kraft in die Natur der Wesen niedergelegt wurde, mit zweifacher Thätigkeit Alles lenkend. Durch Stillstand nämlich und Bewegung bewirkte sie dem Nichtseienden die Entstehung und dem Seienden den Fortbestand, indem sie um das Schwere und Unverrückbare der unbewegten Natur, wie um eine feste Achse, die blitzschnelle Bewegung der Himmelskugel einem Rade ähnlich kreisen ließ und beiden durch einander Unauflösbarkeit sicherte, indem sowohl die kreisende Substanz durch ihre schnelle Bewegung den Ball der Erde rings zusammendrängt, als auch das Dichte und Unnachgiebige durch seine unverrückbare Festigkeit den Wirbel der Kreisläufer ununterbrochen anspannt. Gleich aber beiderseits wurde bei den durch ihre Thätigkeiten geschiedenen Theilen die Überbietung5 gemacht, sowohl in der standfesten Natur als in dem rastlosen Umkreise; denn weder weicht die Erde von ihrem Standort, noch gibt je der Himmel seine Hast auf und läßt nach in seiner Bewegung.

Das aber ward auch zuerst gemäß der Weisheit des Schöpfers gleichsam als ein Anfang des ganzen Werkes* vor* den Dingen geschaffen, indem meines Erachtens der große Moses dadurch, daß er sagt, am Anfange sei der Himmel und die Erde von Gott geschaffen worden,6 anzeigt, von Bewegung und Stillstand ausgegangen sei alles in der Schöpfung Erscheinende, nach dem göttlichen Willen zur Existenz gebracht. Indem also der Himmel und die Erde durch ihre Thätigkeiten in diametralem Gegensatze zu einander stehen, bildet die* zwischen* den Gegensätzen befindliche Schöpfung, die theilweise an dem nebenan Liegenden Theil hat, durch sich die Vermittlung der Extreme, damit offenbar werde die wechselseitige Verknüpfung der Gegensätze durch das Mittlere. Denn der steten Bewegtheit und Feinheit der Feuersubstanz ähnelt gewissermaßen die Luft, sowohl in der Leichtigkeit ihrer Natur als in ihrer Beweglichkeit. Gleichwohl ist sie nicht derartig, daß sie der Verwandtschaft mit dem Festen entfremdet wäre, indem sie weder stets unbewegt bleibt, noch durchaus verfließt und verfliegt, sondern durch ihre Verwandtschaft mit beiden ist sie eine Art Grenzgebiet zwischen dem Gegensatze der Thätigkeiten, indem sie durch sich zugleich verbindet und trennt das von Natur Geschiedene. Auf dieselbe Weise schließt sich auch die nasse Substanz durch zweifache Eigenschaften an beiderlei Gegensätze an. Denn durch ihre Schwere und ihren Zug nach unten hat sie eine große Verwandtschaft mit dem Erdartigen, durch ihren Antheil aber an einer gewissen fließenden und unstäten Thätigkeit ist sie dem nicht ganz fremd, was von beweglicher Natur ist, sondern auch hiedurch findet eine gewisse Verbindung und Vereinigung der Gegensätze statt, indem die Schwere in Bewegung übergeht und die Bewegung in der Schwere kein Hinderniß findet, so daß das von Natur extremst auseinander Liegende mit einander zusammen kommt, durch die Mittelglieder gegenseitig vereint. Ja sogar bei genauer Betrachtung bleibt nicht einmal die Natur des Gegentheiligen selbst in ihren Eigenheiten ganz unvermischt gegen die andere, damit, glaub’ ich, alles in der Welt Erscheinende sich gegen einander neige und die in den Eigenheiten der Gegensätze sich darstellende Schöpfung mit sich selbst zusammenstimme. Da nämlich die Bewegung nicht bloß in der Ortsveränderung besteht, sondern auch in Wechsel und Umwandlung sich zeigt, anderseits aber die unveränderliche Natur die Bewegung durch Umwandlung nicht zuläßt, so hat die Weisheit Gottes die Eigenthümlichkeiten vertauscht und dem stets Bewegten die Unwandelbarkeit, dem Unbewegten aber die Wandelbarkeit verliehen, indem er es mit Vorbedacht vielleicht so ordnete, damit nicht die Eigenthümlichkeit der göttlichen Natur, nämlich die Wandellosigkeit und Unveränderlichkeit, wenn sie an irgend einem von den Schöpfungswesen wahrgenommen würde, bewirke, daß man für Gott halte das Geschöpf. Denn kaum wird das noch die Vermuthung der Göttlichkeit für sich haben, was in Bewegung oder Veränderung begriffen ist. Darum ist die Erde feststehend und nicht wandellos, der Himmel aber umgekehrt, der keinen Wandel hat, hat auch die Ständigkeit nicht, damit, durch Verbindung des Wechsels mit der stillstehenden und der Bewegung mit der unwandelbaren Natur, die göttliche Macht Beide sowohl im Austausch ihrer Eigenheiten mit einander befreunde als auch dem Scheine der Göttlichkeit entrücke. Denn keines von beiden, wie gesagt, wird man für Sache der göttlichen Natur halten, weder das, was nicht feststeht, noch das, was sich ändert.

Schon also war Alles zu seinem Ende gelangt. Denn vollendet war, wie Moses sagt, der Himmel und die Erde und alles dazwischen Liegende, und mit der entsprechenden Schönheit das Einzelne geschmückt, der Himmel mit den Strahlen der Lichter, Meer und Luft mit den schwimmenden und fliegenden Thieren, die Erde mit den mannigfachen Unterschieden von Gewächsen und Weidevieh, welche sie allesammt, durch den göttlichen Willen dazu befähigt, auf einmal hervorbrachte. Und voll war die Erde von den Jahrzeitfrüchten, indem sie zugleich mit den Blüthen die Früchte trieb, voll waren die Wiesen von Allem, was auf den Wiesen wächst, und alle Riffe und Höhen, und alles Flach- und Hügelland und alle Thalgründe waren mit frisch grünendem Grase und der bunten Pracht der Bäume geschmückt, die soeben aus der Erde sich erhoben, schnell aber zur vollendeten Schönheit emporwuchsen. Lustig aber war Alles, natürlich, und umhersprang das auf Geheiß Gottes zum Leben gelangte Gethier, heerden- und artenweise in den Gebüschen geborgen, von den Liedern aber der Singvögel ertönte allenthalben jeglicher Strauch und Schattenbusch. Der Anblick des Meeres dann war natürlich ein anderer von der Art, indem es sich soeben in den Sammlungen der Höhlen zur Ruhe und Stille niederließ, längs welchem Buchten und Häfen, durch göttlichen Willen von selbst in die Ufer eingehöhlt, das Meer mit dem Festland befreundeten; und die sanften Bewegungen der Wogen wetteiferten mit der Schönheit der Wiesen, indem sie unter leichten und spielenden Lüften auf der oberen Fläche zierlich sich kräuselten — und der gesammte Reichthum der Schöpfung zu Land und zu Wasser war fertig, aber der Nutznießer war nicht.

2. Warum der Mensch nach der Schöpfung zuletzt kommt.

Noch nicht nämlich war dieses große und werthvolle Wesen, der Mensch, in der Welt der Dinge ansässig. Denn es war auch nicht billig, daß der Herrscher vor den Beherrschten erschien, sondern erst nach Zubereitung des Herrschergebietes war es an der Zeit, daß der König auftrat. Nachdem also gleichsam einen königlichen Aufenthalt für den künftigen König der Schöpfer des Alls zurecht gemacht hatte, — das war aber Erde, Inseln, Meer und der wie ein Dach darüber sich wölbende Himmel, — und nachdem allerlei Reichthum in diesen Königssitz niedergelegt war, — unter Reichthum aber verstehe ich die ganze Schöpfung, was da ist an Pflanzen und Gewächsen, und Alles, was Empfindung und Leben und Seele hat, und, muß man auch die Stoffe zum Reichthum zählen, alle, welche wegen eines gewissen Glanzes den menschlichen Augen als kostbar gelten, wie Gold und Silber, auch den der Steine, nämlich derjenigen, welche die Menschen lieben, — und nachdem er von alle dem einen Überfluß gleich wie in einer königlichen Schatzkammer im Schooße der Erde geborgen hatte, ließ er sodann den Menschen in der Welt erscheinen, um von den Wunderwerken in ihr theils Zeuge zu sein, theils Herr, damit er einerseits durch den Genuß die Erkenntniß des Spenders erlange, anderseits aus der Schönheit und Größe die unaussprechliche und unbeschreibliche Macht des Schöpfers erspüre. Darum wurde zum Schluß nach der Schöpfung der Mensch eingeführt, nicht als verächtlich unter das Letzte hingeworfen, sondern als gewürdigt, gleich bei seiner Entstehung König des ihm Untergebenen zu sein. Und wie ein guter Wirth nicht vor der Zubereitung der Speisen den Gast in sein Haus führt, sondern erst, wenn er Alles geziemend zubereitet und mit dem gehörigen Schmucke das Haus, das Lehnpolster, den Tisch geziert hat und das zur Nahrung Dienende bereits fertig ist, den zu Gast Geladenen in sein Haus aufnimmt, auf dieselbe Weise führt der reiche und freigebige Bewirther unserer Natur, nachdem er mit allen möglichen Zierden die Wohnung geschmückt und dieses große und aufwandvolle allgemeine Gastmahl zubereitet hat, da erst den Menschen ein, zur Arbeit ihm gebend nicht den Erwerb des noch nicht Vorhandenen, sondern den Genuß des Gegenwärtigen. Darum legt er auch zweierlei Naturanlagen in ihn, in das Irdische das Göttliche mischend, damit er durch beide für beiderlei Genuß befähigt und empfänglich sei, Gottes genießend durch die gottverwandte Natur, der irdischen Güter aber durch die gleichartige Sinnesempfindung.

3. Die Menschennatur ist werthvoller als die ganze Erscheinungswelt.

Es verdient aber auch das nicht unbeachtet zu bleiben, daß, als die so herrliche Welt und die Theile in ihr elementarisch zum Aufbau des Alls festgestellt wurden, die Schöpfung von der göttlichen Macht gewissermaßen improvisirt wird und sofort mit dem Befehle dasteht, der Ausstattung des Menschen aber eine Berathung vorangeht und von dem Künstler das, was werden soll, durch das Wort vorher beschrieben wird, und, wie es beschaffen sein, mit welchem Urbild es Ähnlichkeit haben, wozu es werden, was es nach dem Werden wirken, und worüber es herrschen solle, das Alles das* Wort* vorher überlegt, damit derselbe schon vor seiner Erschaffung den Vorrang erhalte und noch vor seinem Eintritt in das Sein die Herrschaft über das Seiende bekomme. Denn es sprach Gott, heißt es:7 „Laßt uns den Menschen machen nach unserem Bilde und Gleichnisse, und sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und die Thiere der Erde und die Vögel des Himmels und die Haustiere und über die ganze Erde.“ O des Wunders! Die Sonne wird erschaffen, und keine Berathung geht voraus, ebenso der Himmel, welchen beiden Nichts in der Schöpfung gleich kommt; durch einen bloßen Ausspruch wird dieses Wunder hergestellt, ohne daß das* Wort* andeutet, woher oder wie oder sonst etwas dergleichen. So wird auch alles Einzelne, Äther, Gestirne, die Luft in der Mitte, Meer, Erde, Thiere, Pflanzen, Alles durch ein Wort zur Entstehung gebracht. Bloß zur Erschaffung des Menschen schreitet der Schöpfer des Alls überlegungsweise, um ihm sowohl einen Stoff des Bestehens zu bereiten als seine Form einer gewissen urbildlichen Schönheit ähnlich zu machen, als auch das vorgesteckte Ziel, weßwegen er werden soll, für ihn passend und angemessen den Thätigkeiten seine Natur zu machen, tauglich zu seiner Bestimmung.

 …

Dieser Beitrag wurde unter Die Schriften der Kirchenväter veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.