Der Islam

Der Islam – Ludwig Albrecht

Durch das Bündnis Deutschlands mit der Türkei im Jahre 1914 ist nicht nur dieses Land, sondern die ganze islamische Welt mehr als sonst in den damaligen Gesichtskreis getreten. Wer sind die Moslems? Was glauben sie? Wie stehen sie zum Christentum? Das sind Fragen, die damals von vielen Menschen gestellt wurden. Deswegen beschäftigte sich der deutsche Theologe Ludwig Albrecht bereits 1918 mit Mohammed und der von ihm gestifteten Religion, dem Islam. Dabei betrachtet er die Entstehung, die Lehre, die Geschichte und die Bedeutung dieser Religion.

Der Islam

Der Islam.

Format: Paperback, eBook

Der Islam.

ISBN: 9783849666224 (Paperback)
ISBN: 9783849661793  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

I. Die Entstehung des Islams

Die Heimat des Islams ist Arabien. Diese Halbinsel, fast viermal so groß wie Deutschland, aber kaum von fünf Millionen Menschen bewohnt, ist in ihrem Innern noch heute eins der unbekanntesten Länder der Erde. Die Araber sind Nachkommen Ismaels, des ältesten Sohnes Abrahams. Sie haben also denselben Stammvater wie die Juden und gehören gleich diesen zu der semitischen Völkerfamilie. Die Bewohner Nordarabiens führten schon vor anderthalb Jahrtausenden ebenso wie heute meist ein Wanderleben und zogen mit ihren Herden von einem Weideplatz zum andern. Wo jemand sein Zelt aufschlug, da war er unumschränkter Herr. Ein festes Staatsgefüge war nicht vorhanden. Unter den einzelnen Stämmen herrschten unablässig Fehden, die nur durch gewisse heilige Monate eingeschränkt waren. Die Blutrache galt als unverbrüchliches Gesetz. Obwohl gastfrei, ritterlich und tapfer, waren die Araber anderseits auch grausam, gewalttätig und blutdürstig, dazu dem Trunk und Spiel ergeben. Die Frau galt nichts, und die Ehen konnten mit größter Leichtigkeit geschieden werden. Söhne galten als Segen, Töchter als Fluch. Ja, nicht selten wurden Töchter nach der Geburt lebendig begraben.

Ebenso tief wie die Sittlichkeit stand auch die Religion der Araber. Ursprünglich glaubten sie an Einen Gott, den sie Allah nannten. Dieser arabische Gottesname entspricht dem hebräischen Eloah, der neben der Mehrzahl Elohim im Alten Testamente vorkommt. Aber die Kenntnis des Einen Gottes Allah war sehr verdunkelt worden. Jeder Stamm verehrte seine besonderen Götter, und von dem Glaub an ein Jenseits fanden sich nur schwache Spuren. Als wichtigstes Heiligtum des Landes galt die sogenannte Kaaba in der Hauptstadt Mekka: ein würfelähnlicher, kunstloser Steinbau, nach dem jährlich große Pilgerfahrten stattfanden und dessen Hauptanziehungskraft ein schwarzer Meteorstein in der östlichen Tempelwand war.

In Mekka ward nun Mohammed (2) um das Jahr 570 unsrer Zeitrechnung geboren. Sein Vater Abd-Allah starb früh und hinterließ nur wenig. Seine Mutter Amina verlor Mohammed in seinem sechsten Lebensjahre. Nach ihrem Tode soll ihn zuerst sein Großvater zu sich genommen haben, und als auch der zwei Jahre später starb, kam er unter die Vormundschaft eines Oheims. Weil dieser aber mittellos war und eine große Familie zu ernähren hatte, so musste sich der junge Mohammed bei den reichen Bewohnern Mekkas sein Brot als Schaf- und Ziegenhirt verdienen.

Als er im 25. Lebensjahre stand, besserte sich ganz unerwartet seine äußere Lage: eine reiche, vornehme Witwe, namens Thadidscha, nahm ihn in ihre Dienste, und obwohl fünfzehn Jahre älter als er, schloss sie mit ihm die Ehe. Trotz, des großen Altersunterschiedes lebte Mohammed mit Thadidscha sehr glücklich. Sie gebar ihm sechs Kinder, zwei Söhne, die früh starben, und vier Töchter. Bei seinen Mitbürgern war Mohammed sehr geachtet, und wegen seiner Zuverlässigkeit erhielt er den ehrenvollen Beinamen „der Getreue“. Seine äußere Erscheinung wird als stattlich und anziehend geschildert. Den starken Kopf des mittelgroßen Mannes bedeckten schwarze, leicht gewellte Haare. Unter langen, schweren Lidern funkelte ruhelos ein schwarzes Augenpaar. Eine scharfe Adlernase sprang aus dem hellbraunen, von einem starken Vollbart eingerahmten Antlitz. Trotz seines kräftigen Körperbaus war Mohammed aber von Kindheit an nervenschwach, und er scheint öfter an epilepsieähnlichen Anfällen gelitten zu haben. Zur Schwermut neigend, war er doch im Verkehr liebenswürdig und beredt.

In seinem 40. Lebensjahre geriet Mohammed – wir wissen nicht aus welchen Gründen – in innere Gewissensnot. Vor allem der Gedanke an das Weltgericht bewegte ihn gewaltig, und er fragte sich voll Angst: „Was muss ich tun, um dem Gerichte Gottes zu entrinnen und zum Leben einzugehen?“ Die Götter seines Volkes – das sah er deutlich – konnten ihm nicht helfen; sie verblichen ihm immer mehr zu wesenlosen Götzen, und ihre Verehrung erfüllte ihn mit Abscheu. Ruhelos durchstreifte er die wildzerrissenen Berge in der Nähe seiner Vaterstadt. Eines Nachts, im Monat Ramadan, ums Jahr 610 n. Chr., war er auf dem Berge Hirá. Da glaubte er plötzlich den Engel Gabriel zu sehen, der ihm mit einem Buche nahte und ihn aufforderte, es zu lesen. Er fragte den Engel: „Was soll ich lesen?“ Gabriel erwiderte ihm:

„Lies! Im Namen deines Herrn, der da schuf

Die Menschen schuf aus zähem Blut!

Lies! Denn allgütig ist dein Herr,

der das Schreibrohr zu gebrauchen lehrte,

Den Menschen lehrte, was er nicht wusste.“ (3)

Entsetzt und voller Furcht, ein böser Geist sei in ihn gefahren, eilte Mohammed hinweg und teilte seinem Weibe Chadidscha sein Erlebnis mit. Sie suchte ihn zu trösten und aufzurichten. Von trüben Gedanken gequält, wartete er nun auf eine neue Erscheinung des Engels. Doch weil die ausblieb, wurde er immer schwermütiger, und schon wollte er sich aus Verzweiflung von einem schroffen Felsen stürzen, als ihm, etwa drei Jahre später, Gabriel abermals in himmlischem Glanze erschien. Der Engel mahnte ihn, seine Landsleute zu warnen, Gott zu verherrlichen und in Geduld auf ihn zu warten. Nach dieser Offenbarung kam Mohammed innerlich zur Ruhe. Denn nun war er völlig davon überzeugt, dass ihn nicht böse Geister quälten, sondern dass ihn Allah selbst auf den rechten Weg geführt habe.

Es ist erklärlich, dass Mohammed ‚das Bedürfnis hatte, seine Erfahrungen auch andern mitzuteilen. Die erste, die ihm folgte, war sein treues Weib Chadidscha. Seine Töchter aber (die beiden Söhne waren damals schon gestorben) traten nicht sofort entschieden auf seine Seite. Dagegen folgten ihm zwei Hausgenossen, die er an Sohnes statt angenommen hatte: sein junger Vetter Ah und sein Freigelassener Said. Wichtig war für ihn der Anschluss des etwa fünfzigjährigen Abu Bekr, eines angesehenen Mekkaners, der durch seinen Einfluss andre Gläubige gewann.

Um das Jahr 613 n. Chr. trat Mohammed zum ersten Male öffentlich in Mekka auf. Er wollte noch kein Prophet, kein Gesandter Gottes sein; er nannte sich nur einen Prediger und Warner. Vor allem mahnte er die Reichen seiner Vaterstadt, die alle Macht in Händen hatten und die Armen und Geringen drückten, durch den Hinweis auf das Weltgericht und Allahs Vergeltung, von ihrem bösen Treiben abzulassen.

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