Die (echten) Briefe v.J. 440-450 – Leo der Große
Leo I. (ca. 400 – 10. November 461), auch bekannt als Leo der Große, war vom 29. September 440 bis zu seinem Tod Bischof von Rom. Papst Benedikt XVI. sagte, dass Leos Papsttum “zweifellos eines der wichtigsten in der Geschichte der Kirche war.”Er war römischer Aristokrat und der erste Papst, der “der Große” genannt wurde und ist vielleicht am besten dafür bekannt, dass er 452 Attila den Hunnen traf und ihn davon überzeugte, von seinem Einfall in Italien abzulassen. Er ist auch ein Kirchenlehrer, der in der Theologie vor allem für die Herausgabe des Tomus ad Flavianum bekannt ist, eines Dokuments, das eine wichtige Grundlage für die Debatten auf dem Ökumenischen Konzil von Chalkedon bildete. Dieses vierte ökumenische Konzil befasste sich in erster Linie mit der Christologie und erläuterte die orthodoxe Definition des Wesens Christi als hypostatische Vereinigung der beiden Naturen, der göttlichen und der menschlichen, die in einer Person vereint sind, “ohne Verwirrung und ohne Trennung”. Es folgte ein großes Schisma, das mit Monophysitismus, Miaphysitismus und Dyophysitismus verbunden war. Dieser Band enthält sein, vermutlich echten, Briefe der Jahre 440 bis 450.
Format: eBook/Taschenbuch
Die (echten) Briefe v.J. 440-450.
ISBN eBook: 9783849660727
ISBN Taschenbuch: 9783849667771
Auszug aus dem Text:
Erste Abteilung. Die (echten) Briefe v. J. 440-450.
1. Brief des P. Leo an den Bischof von Aquileja
Einleitung und Inhalt.
1 Die ersten zwei Briefe Leo’s, die wir haben, betreffen die Pelagianer. Der aus den Briefen des Papstes Zosimus uns bekannte Bischof Julianus von Eclanum flüchtete sich, nachdem er auch in Konstantinopel keine Stütze mehr fand, nach Gallien und verschaffte sich hier und in Oberitalien viele Anhänger, deren Zahl der Widerstand, den ihnen Papst Sixtus III. leistete, nicht zu mindern vermochte. Ja in und um Aguileja kam es so weit, dass Pelagianer zu Priestern, Diakonen und Klerikern verschiedener Grade gewählt wurden, ohne vorher ihrer Lehre entsagt zu haben. Die so Erwählten handelten überdies gegen ein altes kirchliches Herkommen; anstatt an dem Orte zu verweilen, wo ihnen die Führung eines geistlichen Amtes übertragen war, streiften sie im Lande umher und verbreiteten ungescheut und mit vielem Glücke den Pelagianismus. Dies alles erregte die Aufmerksamkeit des Bischofs Septimus von Altinum; er berichtete deshalb an Leo, und Dieser erließ an den Bischof von Aquileja vorliegendes Schreiben, in welchem er darauf dringt, dass man eine Provincialsynode halte und dort die erwähnten Priester, Diakonen und Kleriker zur wahren Besserung anhalte. Sie sollen offen den Pelagianismus und dessen Lehrer verdammen, durch vollständige, klare und eigenhändig unterschriebene Glaubensbekenntnisse erklären, dass sie alle vom apostolischen Stuhle gegen die Pelagianer bestätigten Synodalbeschlüsse vollkommen annehmen, wobei man jedoch mit aller Umsicht ihnen alle Zweideutigkeiten und Auswege abschneiden solle. Wer sich dieser Vorschrift nicht fügt, soll, er sei Kleriker oder Laie, aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen werden. Endlich dringt der Papst bei Verlust des Amtes und der Kirchengemeinschaft auf die Beobachtung der Regel, dass der Geistliche an der Kirche bleibe, wo er die Ordination erhalten.
Ganz gleichen Inhaltes ist auch das folgende 2. Schreiben Leo’s an den Bischof Septimus von Altinum; auch der unter Num. 18 aufzuführende Brief Leo’s an den Bischof Januarius von Aquileja ist fast ganz aus den Worten dieser zwei ersten Briefe zusammengesetzt. Diese Ähnlichkeit der drei Briefe in Verbindung mit dem Umstande, dass dieser unser erste Brief in den Handschriften nur die allgemeine Adresse „an den Bischof von Aquileja“ trägt, ohne den Namen des Bischofs, gab zu den mannigfaltigsten Conjecturen Anlass, so dass man sagen kaun, jeder dieser drei Briefe sei als echt, aber auch für unecht erklärt worden. Es möge genügen, die von den Ballerini nach den gründlichsten und umfassendsten Forschungen2 gewonnenen und auch allgemein angenommenen Resultate zu verzeichnen. Zunächst stellen die ältesten und zwar zahlreiche Codices die Echteit aller drei genannten Schreiben ausser allen Zweifel; ferner ist es sicher, dass unser erster Brief nicht auch, wie der 18., an Januarius, sondern an einen seinen Vorgänger, höchst wahrscheinlich an seinen unmittelbaren Vorgänger Maximus gerichtet gewesen sei und daher3 zugleich mit dem 2. Schreiben an Septimus dem J. 442 angehört.
1. Cap. Durch den beiliegenden Bericht unseres heiligen Bruders und Mitbischofs Septimus erfuhren wir, dass gewisse Priester und Diakonen und Kleriker verschiedener Grade, welche die pelagianische oder cälestianische Häresie verstrickt hatte, in euerer Provinz zur katholischen Gemeinschaft derart gelangt seien, dass ihnen keine Verurteilung ihres Irrtums abverlangt wurde; dass, weil die Hirten in allzu festen Schlaf versunken waren, in Schafspelz gekleidete Wölfe in den Schafstall des Herrn Zutritt gefunden, ohne ihre verderbliche4 Gesinnung abgelegt zu haben; dass sie ferner, was durch die Anordnung der Canones und unserer Decrete nicht einmal den Unschuldigen gestattet wird, freventlich gewagt, dass sie nämlich jene Kirchen, in welchen sie das Klerikat entweder empfangen oder wieder erhalten hatten, verlassen und in ihrer Unbeständigkeit an verschiedenen Orten umherschweifen, indem sie es lieben, immer herumzuirren und niemaIs auf dem apostolischen Fundamente auszuharren. Weil sie durch keine Prüfung erprobt, zu keinem vorläufigen Glaubensbekenntnisse angehalten wurden, streben sie vorzüglich darnach, dass sie unter dem Scheine der Gemeinschaft mehr Häuser besuchen und durch ihre falsche Wissenschaft die Herzen Vieler verderben. Dies könnten sie gewiß nicht, wenn die Vorsteher der Kirchen bei der Aufnahme solcher die nötige Sorgfalt beobachtet hätten, dass es keinem derselben erlaubt gewesen wäre, an verschiedene Orte umherzuschweifen.
2. Cap. Damit also diese Vermessenheit nicht weiter fortgesetzt werde und das durch die Saumseligkeit einiger eingeführte Verderben nicht den Untergang vieler Seelen verursache, tragen wir kraft dieses unseres Befehles dem Eifer deiner Brüderlichkeit auf, dass auf einer bei euch versammelten Synode der Provinzialbischöfe alle, sie mögen Priester oder Diakonen oder Kleriker welchen Grades immer sein, welche aus dem Verbande der Pelagianer und Cälestianer in die katholische Gemeinschaft mit solcher Unklugheit aufgenommen wurden, dass man sie nicht vorher zur Verdammung ihres Irrtums anhielt, wenigstens jetzt, nachdem sich ihre Verstellung teilweise verraten, zu wahrer Besserung gezwungen werden, welche ihnen nur nützen, niemand aber schaden kann. Sie sollen durch offene Glaubensbekenntnisse die Urheber des hochmütigen Irrtums verdammen und alles verwerfen, was die allgemeine Kirche aus der Lehre jener verabscheute; sie sollen durch vollständige und deutliche und eigenhändig unterschriebene Bekenntnisse erklären, dass sie alle Synodal Decrete, welche der Ausspruch des apostolischen Stuhles zum Zwecke der Ausrottung dieser Häresie bestätigte, annehmen und gänzlich billigen. Nichts Unklares, nichts Zweideutiges darf in ihren Worten vorkommen. Denn wir kennen diese ihre Verschlagenheit, dass sie bei jedem Teilchen der verabscheuungswürdigen Lehre, welches sie von der Masse der zu verurteilenden (Irrtümer) ausgeschieden, meinen, es sei keiner ihrer Gedanken nicht unversehrt.5
3. Cap. Obwohl sie, um leichter täuschen zu können, vorgeben, dass sie alle ihre Sätze mißbilligen und aufgeben, so nehmen sie doch bei ihrer vollendeten Kunst zu hintergehen, wenn man sie nicht kennt, den Satz aus, dass die Gnade Gottes nach den Verdiensten der Empfänger gegeben werde. Und doch ist es, wenn sie nicht umsonst gegeben wird, nicht Gnade,6 sondern Lohn und Vergeltung für Verdienste, nach dem Worte des seligen Apostels:7 „Aus Gnade seid ihr erlöst worden durch den Glauben und das nicht aus euch, sondern es ist Gottes Gabe; nicht nach den Werken, damit sich niemand rühme. Denn wir sind seine Bildung, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott vorbereitet hat, dass wir in ihnen wandeln.“ Jedes Geschenk also von guten Werken ist eine göttliche Vorbereitung, weil niemand früher durch die Tugend als durch die Gnade gerechtfertigt wird, welche für einen jeden der Anfang der Gerechtigkeit, Quelle und Ursprung der guten Verdienste ist. Von jenen aber wird deshalb gesagt, es komme ihr8 der Eifer der Natur zuvor, damit diese, da sie ja vor der Gnade durch eigenes Bemühen sich auszeichnet, nicht irgendwie durch die Erbsünde verwundet zu sein scheinen solle, und damit falsch sei, was die Wahrheit sagt:9 „Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren war.“
4. Cap. Deine Liebe also muss es verhüten und mit großem Eifer dafür sorgen, dass nicht durch solche Menschen schon längst vernichtetes Ärgernis erneuert werde und von der lange ausgerotteten Lehre in deiner Provinz ein böser Same ausgehe, welcher nicht nur in seiner Wurzel wachsen, sondern auch die Kinder der heiligen Kirche mit dem Gifte seines Mundes anstecken würde. Die, welche als Gebesserte angesehen werden wollen, mögen sich von allem Verdachte reinigen und sich durch Gehorsam gegen uns als die Unsrigen erweisen. So sich aber einer von ihnen weigerte, unseren heilsamen Vorschriften zu entsprechen, der soll, ob Kleriker oder Laie, von der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen werden, damit er nicht, nachdem er die eigene Seele in’s Verderben gestürzt, auch noch dem Heile anderer Schaden bringe.
5. Cap. Auch jenen Teil der kirchlichen Disziplin, durch welchen schon längst von den heiligen Vätern und von uns häufig verordnet wurde10 dass es keinem, er mag im Presbyterate oder Diakonate oder irgend einem folgenden Grade der Kleriker stehen, erlaubt sei, von einer Kirche zur anderen überzugehen, sollst du, dazu fordern wir dich auf, wieder in volle Geltung bringen, so dass ein Jeder, ohne sich durch Ehrgeiz verleiten oder durch Eigennutz verführen, oder durch böse Zuflüsterungen anderer beeinflussen zu lassen, dort ausharre, wo er ordiniert wurde; so dass jeder, welcher, indem er sucht, was sein ist, nicht a(xxx) was Jesu Christi ist, zu seiner Gemeinde und Kirche zurückzukehren verabsäumt, des Vorrechtes seines Amtes und Gemeinschaft verlustig wird. Deine Liebe aber möge nie zweifeln, dass, wenn — was wir nicht glauben—Das, was(xxx) wir für die Beobachtung der Canones und die Unversehrtheit des Glaubens entscheiden, vernachlässigt worden wäre, wir uns zu desto größerer Strenge aufgefordert fühlen müssen, weil „die Übertretungen der niederen Weihen niemand mehr zuzuschreiben sind, als den lässigen und saumseligen Vorstehern, welche eine Pest oft dadurch groß ziehen, dass sie eine herbere Arznei anzuwenden unterlassen.“11
2. Brief des Papstes Leo an Septimus, Bischof von Altinum. 12
Leo, der Bischof, (sendet) dem Bischofe Septimus (seinen) Gruß.
1. Cap. Nachdem wir das Schreiben deiner Brüderlichkeit gelesen, erkannten wir die uns längst bekannte Kraft deines Glaubens, indem wir dir dazu Glück wünschen, du das Hirtenamt über die Herden Christi mit so großer Sorgfalt ausübst, damit nicht die in Gestalt von Schafen eingedrungenen Wölfe mit wilder Grausamkeit auch die Einfältigen zerreissen und so nicht nur sich durch ihre Unverbesserlichkeit nicht nützen, sondern auch das Gesunde noch verderben. Damit also diese Schlangenlist nicht überhand nehmen könne, richteten wir an den Metropolitanbischof der venetianischen Provinz ein Schreiben, auf dass er wisse, es gehe ihn in seiner Stellung an, (zu untersuchen,) ob jemand, der von dem Verbande der Pelagianer und Cälestianer kommt, sich in der katholischen Gemeinschaft ohne Bekenntnis der gesetzmäßigen Genugtuung befinde. Denn es ist sehr heilsam und eine sehr nüzliche geistige Arznei, dass alle, es seien Priester oder Diakonen oder Kleriker welchen Grades immer, die als Gebesserte angesehen werden wollen, ohne Zweideutigkeit bekennen, dass ihr Irrtum und auch die Urheber des Irrtums von ihnen verdammt werden, so dass den bösen und längst verworfenen Gesinnungen keine Gelegenheit zur Hoffnung übrig bleibe und kein Glied der Kirche durch die Gemeinschaft solcher verletzt werden könne, da ihnen in allem ihr eigenes Bekenntnis hinderlich im Wege steht.
2. Cap. Wir befehlen auch, dass bezüglich derselben jene Anordnung der Canones beobachtet werde, (welche verbietet,) dass man sie von jenen Kirchen, zu welchen sie eigentlich gehören, weggehen und an andere, ihnen nicht angewiesene Orte nach ihrem Belieben übergehen lasse. Was mit Recht den Schuldlosen nicht gestattet wird, darf um so weniger Verdächtigen erlaubt sein. Deshalb möge deine Liebe, über deren Frömmigkeit wir uns freuen, deine Sorgfalt mit unseren Anordnungen vereinigen und sich mit dem oben genannten Metropoliten bemühen, damit umsichtig und schnell erfüllt werde, was zur Unversehrteit der ganzen Kirche in löblicher Weise angeraten und heilbringend angeordnet wurde.
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