Griechische Liturgien

Griechische Liturgien

Als Liturgie wird der übliche Ablauf eines öffentlichen Gottesdienstes einer religiösen Gemeinschaft bezeichnet. Als religiöses Phänomen stellt die Liturgie eine gemeinschaftliche Antwort auf das Heilige und eine Teilhabe daran dar, indem sie Aktivitäten wie Lobpreis, Dank, Gedenken, Fürbitten oder Buße zum Ausdruck bringt. Sie bildet die Grundlage für die Herstellung einer Beziehung zu einer göttlichen Instanz sowie zu den anderen Teilnehmern der Liturgie. Dieser Band beinhaltet alte, griechische Liturgien, die nochmals unterteilt sind in kleinasiatisch-byzantinische, syrische, und ägyptische Liturgien.

Griechische Liturgien

Griechische Liturgien.

Format: eBook/Taschenbuch

Griechische Liturgien.

ISBN eBook: 9783849660734

ISBN Taschenbuch: 9783849667788

 

Auszug aus dem Text:

Einleitung Syrische Liturgien

1.

 Die römische Provinz Syrien umfaßte die Gebiete von Antiocheia bis hinunter nach Jerusalem. Die Christengemeinden dieser beiden Städte waren auch die Träger der Tradition der christlichen Abendmahlsübung. Verrät uns Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte und Evangelist, daß die Christen in Jerusalem zum Brotbrechen zusammenkamen, um die Speise in Freude und Einfalt des Herzens zu genießen (Act. 2, 42, 45— 47a)1, und weiß Papst Klemens von Rom in seinem (ersten) Korintherbriefe2 ums Jahr 96 von einem Opferritus zu Jerusalem, den von Gott eingesetzte Liturgen vornehmen, zu berichten (c. 41,1), so gibt der Apostelschüler und Martyrer Ignatius von Antiocheia in seinen Briefen uns Kunde, daß die Eucharistie, deren Kernpunkt das Fleisch des Herrn3 war, wie es gelitten hat, unter dem Vorsitz des Bischofs gefeiert wurde. Die Teilnehmer genossen dabei Leib und Blut des Herrn, als Heilmittel der Unsterblichkeit4.

War hier die Idee des Opfers charakterisiert, so tritt in andern syrischen Quellen der Gebetskomplex, mit dem der Liturge das Mahl umgab, uns entgegen. Die zwei Kapitel der Didache5, dieses frühesten „Katechismus“, c. 9 und 10 zeigen, wie eng die christliche Sprache an jüdische Formulare sich anschloß, und wie weit sie doch in den bezeichneten Momenten davon abweicht. Darüber dürfte doch kein Streit mehr entstehen, daß gewisse jüdische Gebete, wie sie bei den Sabbatmahlen zur Verwendung kamen, in den christlichen Formeln verarbeitet sind. Und auch darüber scheint man einig zu sein, daß das Kapitel 9 Gebete zu einer christlichen Agape und daß Kapitel 10 ähnliche Gebete mit einer höheren Weihe der dargereichten Speise und des Trankes enthält. Was liegt näher, als beide Mahle in der Weise in Verbindung zu bringen, daß zuerst eine Agape nach Analogie des jüdischen Sabbatmahles  gefeiert wurde, an die sich nach reichlichem Genusse das eucharistische Mahl, zu dem Brot und Wein zurückgelegt wurde, anschloß. Nicht allein das Vorbild des Herrn, der ja auch das Passah nach jüdischer Art feierte und diese Gelegenheit benützte, um damit sein Gedächtnismahl zu verbinden, sondern auch die in Ägypten bis ins 4. und 5. Jahrhundert übliche Verbindung beider Mahle an den Sabbaten läßt eine solche Interpretation uns wahrscheinlich erscheinen. Gab dieses Gebetsrituale dem weniger begabten Liturgen die sprachliche Fassung an die Hand — die Propheten (Geistbegabten) konnten eigene Gebete sprechen: Did. 10, 7 — so gibt eine andere Stelle (c. 14,1) die Bedeutung des Herrnmahles am Sonntag an: „Wenn ihr euch am Sonntage des Herrn versammelt, so brechet Brot, feiert unter Dankgebeten das Mahl, bekennet vorher eure Vergehen, damit euer Opfer rein sei“, worauf Malach. 1, 11 zitiert wird.

Ein halbes Jahrhundert später, um die Mitte des zweiten Jahrhunderts finden wir bereits eine feststehende Gruppierung von Gebeten, deren Kern die Rezitation der Abendmahlsworte ausmacht. Es dürfte verwundern, daß damit der Bericht Justins6 in seiner ersten Apologie an den Kaiser und Senat (c. 65, 66, 67) zum Bereiche syrischer liturgischer Denkmäler gerechnet wird. Glaubte man bisher in diesen Kapiteln Zeugen ausschließlich römischer Liturgie erblicken zu dürfen, so scheint doch die ehemalige Heimat des späteren christlichen Philosophen und Märtyrers, Sichem (Flavia Neapolis) in Palästina, der dann wahrscheinlich in Ephesus zum Christentum übertrat, ferner die damals so ziemlich einheitliche Liturgie — wie wir aus der Übereinstimmung der Messe des liturgischen Papyrus mit dem Berichte Justins schließen können – uns die Berechtigung zu geben, auch in Syrien eine gleichmäßige Entwicklung annehmen zu dürfen.

Zwar ist c. 65 eine Beschreibung der Messe, an welcher die Neugetauften zum erstenmal teilnehmen durften, allein der Nachtrag in c. 67, welcher vom sonntäglichen Gottesdienst handelt, läßt uns unschwer erkennen, welche Bestandteile bereits feste Form  angenommen haben, und welche nur akzidentell sind. Zudem bietet c. 67 insoferne mehr, als da auch der Wortgottesdienst ausführlich beschrieben ist, der bei der Taufmesse nicht mitgeteilt ist.

Nur am Sonntag wurden für alle Anwesende von Stadt und Land (c. 67) vom Vorleser neutestamentliche oder alttestamentliche Stücke verlesen, welche dann vom Vorsteher mit einer Homilie und Nutzanwendung kommentiert wurden. Dann steht alles auf und verrichtet das Bittgebet; über den weiteren Ritus verweist Justin auf die soeben gegebene Beschreibung der Taufmesse.

2.

Nach dem allgemeinen Gebet küssen sich alle, worauf dem Vorsteher Brot, Wein und Wasser in Mischung als Opfergaben gebracht werden. Der Vorsteher verrichtet nun die weiteren Gebete, welche unter den Termini* ανος κα δόξα* [ainos kai doxa], als Lobgebet an Gott Vater, das im Namen des Sohnes und des Hl. Geistes emporgesandt wird, verborgen sind, unter* εχαριστία* [eucharistia] als die Rezitation des Einsetzungsberichtes mit Epiklese, und unter* εχαί* [euchai] als die daran anschließenden Fürbitten. Ist diese Gebetsreihe vom Vorsitzenden vollendet, dann ruft das Volk* μήν* [amēn]. Damit hat der offizielle Gebetsteil sein Ende erreicht. Sofort beginnt die Austeilung der geweihten Elemente an das ganze anwesende Volk; den Abwesenden werden sie ins Haus gebracht (c. 65, 67).

In den Partien, in welchen Justin zwischen der Beschreibung der beiden Feiern (nach der Taufe und am Sonntag) eine dogmatische Definition der gesegneten Speisen gibt, der Eucharistie, des Fleisches und Blutes des menschgewordenen Jesus, führt er diese Übung seit Apostelzeiten auf den Auftrag des Herrn τοτο ποιετε ες τν νάμνησιν μουτουτέστι τ σμά μου.. τοτό στι αμα μου [touto poieite eis tēn anamnēsin mou. toutesti to sōma mou….touto esti haima mou] zurück und identifiziert damit diese Handlung mit jener Christi.

Es liegt hier ein fest geordnetes System von Handlungen und Gebeten vor, welche seit der Entdeckung eines ägyptischen liturgischen Papyrus uns vollends vor Augen tritt. Neben den Teilen, welche unmittelbar auf den Vorgang und Worte des Herrn zurückgehen, treten andere auf, die mehr menschlicher Kombination entsprechen; zu ihnen gehören der Friedenskuß zu  Beginn der eigentlichen Opferhandlung, durch apostolische Formeln (1 Kor. 16, 20; 2 Kor. 13,12; 1 Petr. 5, 14* σπάσασθε λλήλους ν φιλήματι [γί][aspasasthe allēlous en philēmati [hagiō]) vorgebildet, das allgemeine Gebet, welches vom Volke verrichtet, und das große Dankgebet, das dem προεστώς* [proestōs] reserviert bleibt7.

3.

Die Lesungen stammten aus den Denkwürdigkeiten der Apostel (c. 67), welche er kurz zuvor mit den Evangelien identifiziert (c. 66) oder () [ē] aus den Schriften der Propheten. Aus ihnen wird vorgelesen, bis es genügt, d. h. solange die Zeit reicht. Justin gibt nicht an, ob wir uns unter den Lesungen bereits ein Perikopensystem zu denken haben oder eine lectio continua, indem einzelne Bücher ganz mit der Zeit zur Verlesung kamen.

Über manche Teile der Liturgie gibt uns eine Quellenschrift aus der Mitte des dritten Jahrhunderts Kunde, die sog. Didaskalie8, welche P. de Lagarde 1854 syrisch herausgab und in einer späteren Rechtssammlung, den sog. Apostolischen Konstitutionen des ausgehenden vierten Jahrhunderts l. I—VI, überarbeitet vorliegt. Neben einer ausführlichen Beschreibung des Gotteshauses und der darin vollzogenen Verteilung des Raumes und der Plätze (c. 12 u. 13) sind es nur zerstreute Notizen, die uns einen Einblick in die Abendmahlsfeier am Sonntag und in der Osternacht geben. Immerhin genügen sie, um konstatieren zu können, daß Justins Beschreibung der Abendmahlsfeier auch syrischen Gepflogenheiten vollauf entspricht. Eine Entlassung der Katechumenen und Büßer geschah nach dem Wortgottesdienst, zu dessen Bestandteilen alt- und neutestamentliche Lesungen gehörten. Leider spricht die Didaskalie nur einmal in eingehenderer Weise davon. In der Liturgie der Osternacht war die ganze Gemeinde versammelt „unter Gebeten und Bitten, unter Vorlesung der Propheten, des Evangeliums und der Psalmen, in Furcht und Zittern und eifrigem Flehen“ (Achelis-Flemming S. 288).

Diese Lücke in der Beschreibung des Wortgottesdienstes füllt die Überarbeitung der syrischen Didaskalie in dem zweiten Buch der apostolischen Konstitutionen (c. 57 u. 58) aus, deren Nachrichten einer Entwicklung von mindestens hundert Jahren später als der ihrer Quellen entsprechen. Damit ist aber nicht gesagt,  als ob sie aufs genaueste mit der Liturgie des achten Buches der apostolischen Konstitutionen übereinstimmen müßten, da der Redaktor des ganzen syrischen Werkes verschiedene Quellen und Vorlagen zu einem Werke verschmolz, ohne daß er die früheren nach den jüngeren korrigierte. Der Versuch* A. Baumstarks9, in den liturgischen Stücken von AK I—VII einen ägyptischen Liturgietypus erblicken zu wollen, darf als gescheitert gelten. Durch die Notizen dieser Überarbeitung gestalten sich manche Angaben der Didaskalie greifbarer; insbesondere wird dem Ausbau des Wortgottesdienstes mehr Raum geschenkt. Der Lektor verliest von erhöhtem Orte aus zwei Lesungen aus dem A. T., und zwar kamen namentlich historische Bücher, wie jene des Moses, Jesu Nave, der Richter, Könige, Paralipomenon und die über die Rückkehr des Volkes, wie auch die Bücher Job und Salomons und der 16 Propheten zur Verlesung. Danach wird ein Psalm Davids vorgetragen, dessen Schlußverse das Volk wiederholt. Weiter kommt ein Stück aus der Apostelgeschichte, den Briefen Pauli und dem Evangelium zur Verlesung. Diese Anhäufung von Lesungen ist spezifisch syrisch. Die übrigen Angaben in AK II weichen nicht stark von denjenigen ihrer Quelle ab; jene über die Predigt des Bischofs, über Katechumenen- und Büßerentlassung, über die Gabendarbringung durch den Diakon, die Rufe vor der Erteilung des Friedenskusses (μ τις κατ τινοςμ τις ν ποκρίσει)* [mē tis kata tinos. mē tis en hypokrisei], die Ektenien des Diakons für die Kirche, die ganze Welt, für die Fruchtbarkeit der Erde, für Priester und Fürsten, für Bischof und König, für den allgemeinen Frieden, die Segensformel des Bischofs vor dem Beginne des Dankgebets (der Anaphora), jene Angaben über die Kommunion, all das sind Mitteilungen, welche sich mit denen der syrischen Didaskalie decken oder eine organische Weiterbildung anzeigen.

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