Die Hexe Drut – Hermann Bahr
In diesem Roman erzählt Bahr die Geschichte des Barons Clemens Furnian, der bereits in jungen Jahren und bedingt durch die Gunst eines Ministers zum Bezirkshauptmann ernannt wird aber schon nach guten zwölf Monaten alles verliert, was seinen Stand ausmacht – inklusive seinem eigenen Leben.
Format: eBook.
Die Hexe Drut.
ISBN eBook: 9783849654795
Auszug aus dem Text:
Der neue Bezirkshauptmann hielt in der Türe noch einmal, sah forschend auf den alten Amtsdiener zurück und sagte: »Ja, daß ich nicht vergess’! Sagen’s einmal! Können Sie ein Radl putzen?«
Der Amtsdiener antwortete gekränkt: »Aber Herr Baron! Die Herren haben doch ein jeder ein Radl. Wär’ net übel!«
»Also da kommen’s dann zu mir, heute noch, Kreuzgasse vier –«
»Ich weiß«, bestätigte der Diener. »Ich weiß, Herr Baron.«
»Holen’s das Radl, richten Sie’s ordentlich her und stellen Sie’s hier ein. Verstanden?«
»Jawohl, Herr Baron«, sagte der Diener.
Der Bezirkshauptmann trat auf ihn zu, tippte mit dem Finger auf seinen Kragen und blies ihm den Staub weg. Und er sagte: »Und dann noch etwas! Hören Sie zu! Wie haben Sie gesagt, daß Ihr Name ist?«
Der Amtsdiener meldete: »Pfandl, Herr Baron! Johann Pfandl.«
Der Bezirkshauptmann sagte: »Also, mein lieber Pfandl, merken Sie sich, daß ich hier kein Herr Baron bin, sondern der Herr Bezirkshauptmann. Im Amt gibt’s keinen Baron und keinen Grafen, das könnten’s schon wissen. Verstanden?«
»Jawohl, Herr Bezirkshauptmann!« sagte der Diener. »Ich habe nur gemeint, weil –«
»Meinen’s nix, verehrter Herr Pfandl«, sagte der Baron. »Das müssen Sie sich bei mir abgewöhnen. Meinen’s nix, sondern tun’s, was man Ihnen sagt. Dann werden wir ganz gute Freunde sein, lieber Pfandl. Verstanden?«
»Jawohl, Herr Bezirkshauptmann«, sagte Pfandl.
»Und jetzt geben’s mir noch ein Feuer,« fuhr Baron Furnian fort, »und dann sagen’s den Herrn, daß ich morgen in der Früh um sieben komm’.«
»Um sieben?« fragte Pfandl bestürzt.
Der Baron zündete seine Zigarette an und, Ringel blasend, wiederholte er: »Um sieben, Morgenstund’ hat Gold im Mund, lass’ ich den Herrn sagen. Servus!«
Die Frau Pfandl fragte ihren Mann aufgeregt: »No, wie is er?«
Der Herr Pfandl sagte, gefaßt: »Wie’s halt im Anfang alle sind. Da glaubt ja ein jeder, jetzt muß alles anders werden. Abwarten. Wird’s auch noch billiger geben. Mir is gar net bang.«
Die Frau Pfandl sah durchs Fenster. Als der Baron auf die Straße trat, schlug sie die Hände zusammen. »Jessas! So ein schöner Mensch! Nein, so ein schöner Mensch!«
»Kurze Hosen und Wadelstrümpf’, ein grünes Hütl und eine scheckige Westen,« sagte Herr Pfandl, »da seid’s halt gleich verloren. Weiberleut, Weiberleut! Schad’t aber gar nix, wenn für die Fremden einmal ein biss’l was g’schieht. Der kann eine Attraktion für den ganzen Ort werden. Der hat’s dazu. Der wird’s aufmischen. Und wir können’s brauchen.«
»So ein schöner Mensch«, wiederholte Frau Pfandl, dem neuen Bezirkshauptmann nachsehend, der langsam die Straße hinaufschritt, dann aber, wo der Weg sich verengend, zur Brücke biegt, an der Ecke hielt und, die Beine gespreizt, die Hände in die Hüften gestemmt, rauchend stand. »So ein schöner Mensch! Um den wird’s gut zugeh’n, Jessas! Und wär doch wirklich schad’, wenn’s ihn einfangen möchten.«
Der Herr Pfandl lachte. »Da wär’ manche, die möcht’. Armer Kerl! Schaut mir aber nicht aus, als ob er aus der Hand fressen tät. Um sieben in der Früh, ujäh! No, unseren zwei Hascherln gönn ich’s. Und in acht Tagen is ja doch alles wieder, wie’s war. Das kennt man schon.«
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