Essentielle Schriften, Band 2

Essentielle Schriften, Band 2 – Ephräm der Syrer

Ephräm der Syrer war ein bedeutender christlicher Theologe und Schriftsteller, der als einer der bedeutendsten Hymnographen des östlichen Christentums verehrt wird. Er wurde in Nisibis geboren, diente als Diakon und lebte später in Edessa. Ephräm wird von allen traditionellen Kirchen als Heiliger verehrt, ganz besonders im syrischen Christentum, und gilt auch in der orthodoxen Ostkirche als ehrwürdiger Vater. In der römisch-katholischen Kirche wurde er 1920 zum Doktor der Kirche erklärt. Er schrieb eine Vielzahl von Hymnen, Gedichten und Predigten in Versen sowie Prosa-Exegesen. Es waren Werke der praktischen Theologie zur Erbauung der Kirche in unruhigen Zeiten. Seine Schriften waren so populär, dass christliche Autoren noch Jahrhunderte nach seinem Tod Hunderte von pseudepigraphischen Werken in seinem Namen schrieben. Er wird als der bedeutendste aller Väter der syrischsprachigen Kirchentradition bezeichnet. Dies ist Band zwei von zwei seiner wichtigsten Schriften.

Essentielle Schriften, Band 2

Essentielle Schriften, Band 2
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Format: eBook/Taschenbuch

Essentielle Schriften, Band 2

ISBN eBook: 9783849660338

ISBN Taschenbuch: 9783849668211

 

Auszug aus dem Text:

 

Untersuchungen über die Chronologie Ephraem’s

Chronologie

1.

 Die Schwierigkeit einer genauen Chronologie der Daten in Ephraem’s Leben liegt in der Menge abweichender Nachrichten, die man nicht nur über die unwichtigeren Momente in dem Leben dieses grossen Mannes, sondern sogar über seine Taufe und seinen Tod hat. Es ist unglaublich, mit welcher Ungenauigkeit in chronologischer Hinsicht, man könnte bisweilen sagen, mit welcher Unwissenheit und mit welchem Leichtsinn besondere die Ephraem’s Zeit ferner liegenden Autoren biographische Notizen über denselben anführen. Der Verfasser der vorliegenden längeren syrischen Biographie ist am wenigsten frei von diesen Fehlern. Sagen wir zu seiner Entschuldigung, er habe nur die Begebenheiten aus dem Leben Ephraem’s, wie sie ihm bekannt waren, ohne Rücksicht auf eine genetische Entwickelung,1 ohne Rücksicht auf ihr Verhältniss zum grossen Ganzen der allgemeinen Geschichte, sei es der politischen, sei es der Kirchengeschichte, darstellen wollen, so bleibt es dennoch unerklärlich, wenn er an Stellen, wo er nun einmal die Geschichte berührt, geradezu eine chronologische Verwirrung anrichtet; Ungenauigkeit, wenn nicht Unwissenheit, ist der einzig denkbare Grund davon. So nennt er den Zeitraum von dem Concil zu Nicaea bis zu dem Tode Constantin’s d. Gr. eine kurze Zeit, indem er nach der Erwähnung des Concils fortfährt: „Nicht lange darauf starb der Kaiser Constantin.“ Er wendet hier eine  Formel der syrischen Erzählungsweise an, die man nur bei der Darstellung nahe aufeinander folgender Facten zur Verbindung gebraucht. Nennt er nun einen Zeitraum von 325—337, also einen Zeitraum von 12 Jahren, eine kurze Zeit, so begeht er, besonders bei einer Darstellung eines Menschenlebens, einen bedeutenden Fehler der Ungenauigkeit. Aber noch mehr müssen wir staunen, wenn der Autor am Schlusse der Biographie bei der Schilderung der Bestattung Ephraem’s die Theilnahme einer Mönchssecte meldet, deren Entstehung mindestens 50 Jahre später fällt (s. die betreffende Anmerk. in der Uebers.), der Styliten (Estunore).2

 

2.

Es  genügt, diese wenigen Momente hervorzuheben, damit man einsehe, wie wenig man der Chronologie unseres syrischen Biographen trauen darf. Wenden wir uns aber nun weiter und sehen, wie die syrischen Maroniten und Melchiten 3 Ephraem’s 18. Lebensjahr als das Jahr seiner Taufe setzen, während der Verfasser der syrischen Biographie das 28. Lebensjahr als das Taufjahr nennt; wie die Kopten 4 berichten, dass der h. Jacobus, Bischof von Nisibis, den h. Ephraem getauft habe, die Maroniten und Melchiten dagegen und der syrische Biograph melden, er sei erst nach dem Tode des h. Jacobus “von einem der heiligen Väter” getauft worden; wie endlich die Einen seinen Tod in das Jahr 372 n. Chr. G., Andre 373, noch Andre gar in das J. 378 setzen,5  betrachten wir diese ganze Verwirrung, woher sollen wir eine feste Grundlage zu einer wenigstens einigermassen sichern Bestimmung der Chronologie Ephraem’s entnehmen?

 

3.

Wir wenden uns zur Geschichte und suchen einige Punkte derselben als Grundsäulen unserer Betrachtung aufzustellen. — Constantin der Grosse regierte als Kaiser von 306-337 (wenn auch erst seit 324 als Alleinherrscher). Die Verfasser beider Biographien setzen die Geburt Ephraem’s unter die Regierung des Kaisers Constantin, und keiner der übrigen Biographen widerspricht wenigstens dieser Angabe. Das früheste Geburtsjahr Ephraem’s kann also das Spätjahr 306 sein; denn den 23. Juli 306 wurde Constantin Kaiser. Mithin ist das Jahr 306, um uns so auszudrücken, die östlichste Grenze des Lebens Ephraem’s. Betrachten wir aber das nächste sichere Factum der Geschichte, das für uns Bedeutung hat, das Concil zu Nicaea im Jahre 325. Alle Biographen, die dieses Concil berühren, stimmen darin überein, dass Ephraem den h. Jacobus dorthin begleitet, keiner erwähnt indess, dass Ephraem von irgend einer Bedeutung gewesen, in irgend einer Weise einen thätigen Antheil genommen. Wofür zeugt dies ? Dass Ephraem noch jung gewesen und keine Stellung in der Kirche eingenommen. Dennoch musste Ephraem schon getauft sein, als Heide, wenn auch schon ganz in die Lehren des Christenthums eingeweiht, hätte er dem Concil nicht beiwohnen dürfen. Dieser unzweifelhaft richtige Schluss führt uns darauf, dem Berichte der Kopten im Synaxarium, „Ephraem sei, ehe er nach Nicaea mit dem h. Jacobus gegangen sei, getauft worden,“ Glauben zu schenken. Bei dieser Taufe konnte Ephraem, da sie vor dem Concil zu Nicaea 325 stattfinden musste, und seine Geburt frühestens in das Ende des Jahres 306 fallen konnte, höchstens volle 18 Jahre zählen, und so  haben die Maroniten und Melchiten Recht, wenn sie die Taufe Ephraem’s in sein 18. Lebensjahr setzen. Ephraem’s Geburtsjahr fällt also um das Jahr 307, seine Taufe um 325. War es nun aber nicht natürlich, dass der Mann, durch dessen heilige und weise Lehren Ephraem die lautere Erkenntniss des Wortes Gottes erlangt, der ihn in die Reihe seiner Täuflinge aufgenommen (wie es in der syrischen Biographie heisst), dass dieser Mann, wenn er noch am Leben war, Ephraem auch taufen würde? Es war natürlich, und daher melden denn auch die Kopten im Synaxarium, unsrer Ansicht nach richtig, „der h. Jacobus taufte Ephraem, ehe sie zum Concil nach Nicaea gingen.“ Sowohl die Maroniten und Melchiten, wie der Verfasser der längeren syrischen Biographie haben ohne Zweifel geirrt, indem sie angeben, „Ephraem sei nach dem Tode des h. Jacobus von einem der heiligen Väter getauft worden.“ Der h. Jacobus starb im Jahre 338. So melden unter Anderen Dionysius der Patriarch der Jacobiten in seiner Chronik, so meldet die im Allgemeinen sehr zuverlässige 6 Edessener Chronik. Da Jacobus noch die Belagerung von Nisibis durch Sapores II. (309-380) erlebt haben, bald darauf aber gestorben sein soll, so ergiebt sich auch daraus die Richtigkeit des Jahres 338. Aus der Geschichte wissen wir nämlich, dass Sapores schon in den letzten Tagen des Kaisers Constantin d. Gr. in Mesopotamien und Syrien einfiel, Constantin aber starb noch während seiner Rüstungen gegen ihn, im J. 337; wenn also Jacobus bald darauf gestorben sein soll, so war es gewiss das J. 338.

 

4.

Unter diesen Umständen zerfällt die Angabe der Maroniten und Melchiten, „Ephraem sei nach dem Tode des h. Jacobus getauft,“ von selbst. Ephraem war bei dem Tode  des h. Jacobus bereits 31 Jahr; er hätte ja sonst in einem Alter von 5 Jahren den h. Jacobus zum Concil nach Nicaea begleiten müssen, während er doch ohne Zweifel bereits älter gewesen sein muss, als er aus dem elterlichen Hause vertrieben wurde; wie hätte er sonst nur den Unterschied des Christenthums und Heidenthums erfassen, geschweige denn zu jenem sich hingezogen fühlen können? Er hätte ferner schon als ein Jüngling von höchstens 17 bis 18 Jahren mit dem h. Jacobus den Commentar über die Genesis verfassen müssen; ein solcher Commentar konnte aber erst die Frucht reiferer Jahre, eines längeren Studiums, einer tieferen Erkenntniss und besonders eines reiferen Umganges des h. Ephraem mit dem h. Jacobus sein. Ferner ist aber auch die Angabe der Taufe Ephraem’s im 28. Jahres seines Lebens von Seiten des syrischen Biographen zu verwerfen; denn wir haben gezeigt, dass Ephraem beim Tode des h. Jacobus 31 J. sein musste, wie sollte er also im 28. Jahre seines Lebens nach dem Tode des h. Jacobus erst getauft sein. — Nach dem Tode des h. Jacobus, so meldet die Biographie, blieb Ephraem in Nisibis, bis die Stadt durch die Perser unterworfen wurde, zog dann nach Edessa, in ein Kloster, das auf einem Berge dicht an der Stadt lag. Hier sehen wir ihn seine Commentare zur Schrift 7 verfassen.  Vor allen Dingen wird sein Commentar über die Genesis8 erwähnt und gepriesen (s. die Stelle in der Uebers.).

 

5.

Edessa verliess der h. Ephraem, um, wie die Biographie meldet, den h. Basilius zu besuchen.9 Er geht an’s  Meer, natürlich an’s Mittelmeer, besteigt ein Schiff und fährt — nicht nach Kleinasien, wo doch Basilius Bischof war (in Cäsarea), sondern nach Aegypten; „denn er wünschte schon lange die Klöster Aegyptens kennen zu lernen.“ Aus dieser  plötzlichen Wendung, die der Biograph der Absicht Ephraem’s giebt, — Ephraem besteigt ein Schiff, um den h. Basilius zu besuchen, wir finden ihn auf einmal auf ägyptischem Boden — aus der ganzen Art und Weise, wie hier zwei wesentlich zu trennende Dinge mit einander vermischt werden, scheint uns deutlich hervorzugehen, wie wenig Klarheit der Biograph selbst über diese Punkte gehabt; er muss hier mangelhafte Quellen benutzt haben, und diese auch höchst unkritisch. Wir müssten ihm ferner geographische Unkenntniss im vollsten Maasse vorwerfen, wenn nicht eine genauere Betrachtung aller Verhältnisse lehrte, dass der Biograph sich nur eine Nachlässigkeit an dieser Stelle hat zu Schulden kommen lassen (vergl. die vorige Anm.).

 

6.

Ephraem hat ohne Zweifel das Schiff bestiegen in der einzigen Absicht, nach Aegypten zu fahren, und dorthin war eine Reise über’s Meer bei weitem bequemer. Wie hätte er aber erst das Meer befahren sollen, um nach Cäsarea zu gelangen; nicht allein, dass weder die Reise bequemer, noch der Weg kürzer gewesen, er machte ja auch später die Rückreise von Cäsarea nach Edessa zu Lande, wie dies aus der Darstellung unsres Biographen hervorgeht. Die Folgerung, die wir hieraus ziehen können, dass nämlich Ephraem, wenn er eine Seereise antrat, eine Fahrt nach Kleinasien nicht habe beabsichtigen können, bestätigt die in der letzten Anmerkung ausgesprochene Behauptung, dass Ephraem vor der Reise nach Aegypten noch Nichts von einem berühmten Bischofe Basilius gehört habe.

Während seiner Seereise befand sich Ephraem auf einem Schiffe, welches zugleich syrische Kaufleute (Thagore) von Syrien nach Aegypten beförderte. Diese mochten wohl aus Antiochien sein, der damals in jeder Beziehung, also auch im Handel nach Aussen hin bedeutendsten Stadt Syriens. Fragen wir nun, ist Ephraem auch über Antiochien, das ja nur wenige Meilen vom Meere entfernt war, zum Meere hingezogen, so liegt eine Bejahung dieser Frage sehr nahe; denn Antiochien war von den wichtigen Städten Syriens, die  entweder dicht oder nahe am Mittelmeere lagen, die Edessa zunächstgelegene. Von Edessa zog Ephraem aus, und so liegt die Vermuthung eben sehr nahe, dass er über Antiochien hin zum Meere gezogen sei. Die Reise musste mehrere Jahre nach dem Tode des h. Jacobus (338) unternommen sein; denn Ephraem hatte schon inzwischen im Kloster bei Edessa eifrig studirt und gearbeitet, hatte schon Sermonen, Hymnen und Commentare geschrieben. Rücken wir nun auf ein sicheres Factum in der Kirchengeschichte, welches in diese Zeit fällt und zu dem Ephraem jedenfalls in Beziehung gestanden, so tritt uns die Synode zu Antiochien entgegen, die im Jahre 345 abgehalten wurde und deren Hauptzweck war, eine Vermittlung zwischen der nicäischen und arianischen Lehre herzustellen. Wir haben keine sichern Belege dafür, aber wir halten es für wahrscheinlich, dass Ephraem dieser Synode beigewohnt, dass er dann von hier, von Antiochien aus, an’s Meer ging und seine Reise nach Aegypten antrat.

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