Essentielle Werke des Heiligen Athanasius, Band 3
Athanasius der Große, Patriarch von Alexandria und Kirchenvater, war der größte Verfechter des katholischen Glaubens zum Thema der Menschwerdung, den die Kirche je gekannt hat, und verdiente sich zu Lebzeiten den bezeichnenden Titel “Vater der Orthodoxie”. Während die Chronologie seines Werdegangs noch immer größtenteils unbekannt ist, findet man das umfassendste Material für eine Darstellung der wichtigsten Leistungen seines Lebens in seinen gesammelten Schriften und in den zeitgenössischen Aufzeichnungen. Dieser Sammelband enthält die folgenden Schriften: Umlaufschreiben des heiligen Athanasius, Bischofs von Alexandrien, Briefe des heil. Athanasius an Orsisius, Abt von Tabenna, Darstellung des Glaubens. Geschichte der Arianer (Historia Arianorum), Abhandlung über die Worte: “Mir sind alle Dinge von meinem Vater übergeben worden”, Schreiben an die Antiochier
Format: eBook/Taschenbuch
Essentielle Werke des Heiligen Athanasius, Band 3
ISBN eBook: 9783849659790
ISBN Taschenbuch: 9783849668624
Auszug aus dem Text:
Umlaufschreiben des heiligen Athanasius, Bischofs von Alexandrien
1.
Allen Mitdienern aller Orten, den geliebten Herrn, entbietet Athanasius seinen Gruß in dem Herrn.
Hart zwar und unerträglich sind die Unbilden, welche wir erduldet haben, und sie können nicht in ihrer ganzen Größe aufgezählt werden. Damit aber das Schreckliche dessen, was sich zugetragen hat, schneller erkannt werden könne, fand ich es für gut, eine Geschichte1 aus den Schriften anzuführen. Als einst ein Levite hinsichtlich seines Weibes mißhandelt wurde, und die gräßliche Schandthat beherzigte, (denn das Weib war eine Hebräerin und aus dem Stamme Juda,) und erschüttert ward durch das gegen ihn gewagte Verbrechen; so theilte er, wie die göttliche Schrift der Richter erzählt, das Weib in Stücke und schickte diese an alle Stämme Israels, auf daß man diese Beleidigung nicht als eine ihm allein, sondern als eine Allen gemeinschaftlich zugefügte ansehen möchte, und daß sie, wenn sie mit ihm Bedauern hätten, ihn rächen, wenn sie es aber ausser Acht lassen würden, sich am Ende selbst als die Uebelthäter schämen möchten. Die Gesandten brachten die Nachricht von dem Vorfalle; jene aber sprachen, als sie dieses hörten und sahen, etwas solches sey nie geschehen, seit dem Tage, als die Söhne Israels heraufzogen aus Aegypten. Nun geriethen alle Stämme Israels in Bewegung, und alle traten zusammen, als wäre ihnen selbst die Beleidigung zugefügt worden, gegen die Urheber dieser Schandthat. Und am Ende wurden jene Verbrecher im Kriege überwunden und von Allen verflucht. Denn die Versammelten sahen nicht auf die Verwandtschaft, sondern hatten nur das Verbrechen vor Augen. Ihr kennet die Geschichte, Brüder, und was in der Schrift genau darüber aufgezeichnet ist; denn ich will nicht mehr darüber anführen, weil ihr die Schrift kennet, und ich gezwungen bin, euerer Gutherzigkeit Dinge kund zu thun, welche weit schrecklicher sind, als jene. Denn ich erinnerte an diese Geschichte deßwegen, damit ihr die damaligen Begebenheiten mit den jetzigen vergleichen, und nach der Erlangung der Ueberzeugung, daß diese jene an Grausamkeit übertreffen, in einen größern Unwillen gerathen möchtet, als einst jene gegen die Verbrecher. Denn das, was gegen uns verübt wurde, übertrifft selbst die Bitterkeit der Verfolgungen, und das Unglück des Leviten ist im Vergleiche mit dem, was jetzt gegen die Kirche gewagt worden ist, nur unbedeutend; ja es ist vielmehr auf der Erde nie etwas dergleichen gehört worden, und nie hat Jemand solche Uebel erfahren. Denn damals wurde nur ein einziges Weib mißhandelt, und nur ein einziger Levite erlitt eine Gewaltthätigkeit; jetzt aber ist gegen die ganze Kirche Unrecht verübt, und der Priesterstand ist mißhandelt worden, und, was noch größer ist, die Gottseligkeit wird von der Gottlosigkeit verfolgt. Damals wurde ein jeder Stamm bei dem Anblicke des Stückes eines Einzigen Weibes von Schauder ergriffen; jetzt aber sieht man die von einander gerissenen Glieder der ganzen Kirche, und die Abgeordneten, welche theils zu euch, theils zu Andern gesandt worden sind, und die Schmach und Ungerechtigkeit, welche sie gelitten haben, erzählen. Setzet also auch ihr euch in Bewegung, ich beschwöre euch, nicht als wenn nur uns allein, sondern als wenn auch euch Unrecht zugefügt worden wäre; und ein Jeder leiste, als litte er selbst dabei, Hülfe, damit nicht in Kurzem die kirchlichen Canone und der Glaube der Kirche zu Grunde gehen. Denn Beide schweben in Gefahr, wenn nicht Gott durch euch die schlimmen Folgen jener Verbrechen schnell beseitiget, und wenn der Kirche nicht Recht zu Theil wird. Denn nicht erst jetzt sind die Canone und Vorschriften den Kirchen gegeben, sondern von unsern Vätern sind sie richtig und standhaft überliefert worden; und nicht erst jetzt hat der Glaube angefangen, sondern von dem Herrn ist er mittelst der Jünger auf uns gekommen. Damit also das, was von alten Zeiten her bis auf uns in den Kirchen beobachtet worden ist, in den jetzigen Tagen nicht verloren gehe, und über das uns Anvertraute nicht Rechenschaft von uns gefordert werde, erhebet euch, Brüder, als Verwalter der Geheimnisse Gottes, da ihr Andere dieselben an sich reißen sehet. Das Weitere aber werdet ihr von den Ueberbringern des Schreibens erfahren; in Kürze aber es euch anzuzeigen, beeilte auch ich mich, damit ihr in Wahrheit einsehet, daß noch nie etwas solches gegen die Kirche verübt wurde, seit dem Tage, an welchem der Heiland vor seiner Himmelfahrt den Jüngern den Auftrag gab:2 „Gehet hin, lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des heiligen Geistes.“
2.
Die Vergehen nun gegen uns und gegen die Kirche sind folgende. Während wir uns der Gewohnheit nach in Frieden versammelten, und die Völker in den Versammlungen sich freuten und in einem gottseligen Wandel fortschritten; während auch unsere Mitdiener in Aegypten, in der Thebais und in Libyen unter sich und mit uns Frieden hatten, machte plötzlich der Statthalter Aegyptens öffentlich ein Schreiben bekannt, welches die Form eines Edikts hatte, als wäre ein gewisser Gregor aus Cappadocien von Seite des Comitates3 zu meinem Nachfolger bestimmt worden. Diese Bekanntmachung erschreckte Alle; denn so etwas war neu und bisher noch nie gehört worden. Das Volk aber versammelte sich desto zahlreicher in den Kirchen, weil es sehr wohl einsah, daß weder es selbst, noch ein Bischof, noch ein Priester, noch sonst irgend Jemand sich je über uns beklagt habe, und weil es nur Arianer bei jenem sah, und erkannte, daß er, ein Arianer, zu den Arianern von Eusebius und seinen Anhängern geschickt worden sey. Ihr wisset aber, Brüder, daß die Eusebianer immer Beschützer und Anhänger der gottlosen Ketzerei der Ariomaniten waren, daß sie uns durch diese immer nachgestellt, und daß sie unsere Verbannung nach Gallien verursacht haben. Aus diesem Grunde war das Volk mit Recht aufgebracht, es schrie laut und rief die andern Richter und die ganze Stadt zu Zeugen auf, daß ohne eine Klage von den Mitgliedern der Kirche, sondern nur, weil die ketzerischen Arianer ihr Spiel mit uns trieben, etwas so Neues und Ungerechtes gegen die Kirche verübt wurde. Denn wäre überhaupt irgend eine gegründete Klage gegen uns vorhanden, so hätte man doch keinen Arianer und keinen arianisch Gesinnten einsetzen, sondern nach den Canonen der Kirche und nach den Worten4 des Paulus, „wenn das Volk und der Geist der Verordnenden versammelt sind, mit der Kraft unsers Herrn Jesu Christi,“ Alles auf eine den Gesetzen der Kirche entsprechende Weise untersuchen und verhandeln sollen in Gegenwart der ihn verlangenden Laien und Kleriker, und er hätte sich nicht auf Verwenden der Arianer aus einem andern Lande, als wenn er den Namen des Bischofes nur gekauft hätte, bei denen, welche ihn weder begehrten, noch wollten, und welche den Hergang der Sache gar nicht einmal kannten, durch den Schutz und die Gewalt der weltlichen Richter eindrängen sollen. Denn dieses hebt die kirchlichen Vorschriften auf, und veranlaßt die Heiden zum Schmähen und zur Vermuthung, daß die Einsetzungen nicht nach einer göttlichen Satzung, sondern durch Kauf und Begünstigung erfolgen.
3.
Jene auffallende Einsetzung des Gregor wurde also von den Arianern vorgenommen, und hatte einen solchen Anfang; was aber sein Eintritt in Alexandrien für Gräulthaten veranlaßte, und welche große Uebel er verursachte, dieses könnet ihr aus meinem Schreiben und von denen, welche zu euch reisen, erfragen und vernehmen. Da das Volk mit Unwillen erfüllt war, und sich deßwegen bei diesem neuen Ereignisse in den Kirchen versammelte, damit sich die Gottlosigkeit der Arianer nicht in den Glauben der Kirche mischen möchte, brachte Philagrius, welcher schon früher die Kirche und ihre Jungfrauen mißhandelte, und jetzt Statthalter von Aegypten ist, ein Abtrünniger von dem Glauben und ein Landsmann des Gregor, ein Mann von nicht gutem Wandel, ein Schützling der Eusebianer, und deßwegen ein Eiferer gegen die Kirche, die Heiden und Juden und andere unordentliche Menschen durch Versprechungen, welche er nachmals erfüllte, auf seine Seite, reitzte sie auf, und schickte sie haufenweise mit Schwertern und Prügeln gegen das Volk in die Kirchen. Was nun hierauf folgte, läßt sich nicht so leicht sagen; denn es ist nicht möglich, dieses auf eine angemessene Weise zu bezeichnen und Niemand kann auch nur etwas Weniges davon ohne Seufzer und Thränen erzählen. Denn was dergleichen kam je bei den Alten in Trauerspielen vor? Oder was dergleichen wurde je bei einer Verfolgung oder in einem Kriege verübt? Die Kirche und der heilige Taufort wurde angezündet. Sogleich aber entstand Klagen, Heulen und Jammern in der Stadt, indem die Bürger über die Vorfälle aufgebracht waren, laut über den Statthalter klagten und sich über die Gewaltthat beschwerten. Denn heilige und unbefleckte Jungfrauen wurden entblößt, und litten Verruchtes; widersetzten sie sich, so liefen sie Gefahr; Mönche wurden zertreten und starben; Andere wurden mit Steinen geworfen; wieder Andere wurden mit Schwertern und Prügeln getödtet; und noch Andere wurden verwundet und geschlagen. Welche Gottlosigkeit und welcher Gräuel aber wurde an dem heiligen Tische verübt! Sie opferten Vögel und Tannenzapfen, priesen ihre Götzen, und lästerten dagegen selbst in den Kirchen unsern Herrn und Heiland Jesus Christus, den Sohn des lebendigen Gottes. Die göttlichen Bücher der Schrift, welche sie in der Kirche fanden, verbrannten sie. In den heiligen Taufort aber, ach des Verbrechens! traten die Mörder des Herrn, die Juden und die gottlosen Heiden ohne Scheu, und verübten solche Schandthaten und redeten, sich selbst entblößend, so anstößige Worte, daß man sich schämen muß, dieselben auch nur auszusprechen. Einige gottlose Männer ahmten die Härte der Verfolgungen nach, ergriffen Jungfrauen und enthaltsame Frauen, zerrten und rissen sie herum, und zwangen sie, den Herrn zu lästern und zu verläugnen, und die, welche ihn nicht verläugneten, schlugen und traten sie mit den Füssen.
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