Frühchristliche apologetische Schriften

Frühchristliche apologetische Schriften

Im weiteren Sinne können nach kirchlichem Sprachgebrauch Apologeten als diejenigen bezeichnet werden, die sich die Verteidigung christlicher Anschauungen und Einrichtungen zur Aufgabe machen; im engeren Sinne versteht man darunter die Schriftsteller des christlichen Altertums, welche Schutzschriften verfasst haben, in denen das Christentum überhaupt vor der öffentlichen Meinung oder vor den Staatsbehörden verteidigt werden soll gegen die ihm von den Zeitgenossen gemachten Vorwürfe: eine Verteidigung, die meistens in dem Nachweis gipfelt, dass die neue Religion nicht bloß ungefährlich, für das öffentliche Wohl sogar förderlich sei, sondern dass die anderen Religionen an keinem Punkt den Vergleich mit ihr aushielten. In diesem Band finden sich folgende Werke: Vom Irrtum der heidnischen Religionen, Der Brief an Diognet, Verspottung der nichtchristlichen Philosophen, Dialog Octavius, Tatians Rede an die Bekenner des Christentums, Athenagoras’ Bittschrift für die Christen.

Frühchristliche apologetische Schriften

Frühchristliche apologetische Schriften.

Format: eBook/Taschenbuch

Frühchristliche apologetische Schriften

ISBN eBook: 9783849659714

ISBN Taschenbuch: 9783849668549

 

Auszug aus dem Text:

 

Vom Irrtum der heidnischen Religionen
(De errore profanarum religionum)

1. Die Vergötterung des Wassers im Osiris- und Isisdienst der Ägypter

 […] was bei Erschaffung des Menschen der Schöpfer «bewirkt hat, wie wir früher » gesagt haben, ist in jährlich wiederkehrenden Mahnungen «und Zureden » gegenüber den Verlorenen im einzelnen aufzudecken. «Der Wahrheit zum Zeugnis » werden wir mit klaren Beweisen «und Belegen von » Beispielen nachweisen, daß «der Götterdienst » durch den Teufel «erfunden und ausgeführt wurde », um dadurch den Sinn des Geistes zu beflecken und mit der Hoffnung auf «kommendes » Glück in verkehrter Unterscheidung ewigem Unglück «preisgegebene » elende Menschen zu verderben.

 Daß es vier Elemente gibt «und sie sich in allen Körpern» finden, «wer» möchte daran zweifeln, d. h. Feuer, Wasser, Luft «und» Erde. Aber diese Elemente sind verschiedenartig « oder» in ihrer Wirksamkeit einander entgegengesetzt. Deshalb sind im Irrtum die Völker, « welche einerseits» den Elementen eine Herrschaft zuweisen, andererseits «das Feuer» noch dazu als den höchsten Gott «betrachten, insoferne» die übrigen1 von ihm ihre Wesenheit hätten «vermöge der Wärme»; sie wissen also nicht, daß alle Elemente gerade infolge ihrer entgegengesetzten Tätigkeit sich verbinden und daß auch sie Gott zum Schöpfer haben, der die einzelnen ihrem Ort und ihrer Stellung zuweist «und sie erschaffen hat». Dies erkennen wir ja mit dem Verstand oder durch Nachdenken «oder» sehen es «bestimmt» mit den Augen, nämlich daß «die auf sein göttliches Wort erfolgte» Zusammensetzung in gleichmäßiger «Verteilung» auf die Körper «sich vollzieht».

2.

  1. Die Bewohner Ägyptens halten «im Hinblick auf die Wohltaten des Wassers» das Wasser heilig, rufen das Wasser an, verehren das Wasser fortgesetzt mit abergläubischen Gelöbnissen. Aber bei ihren heiligen Gebräuchen, welche sie Mysterien nennen, fügen sie « tragische» Leichenbegängnisse und schaurige, furchtbar unheilvolle Fehden hinzu: Blutschande mit der Schwester und Ehebruch und diese Freveltat durch harte Strafen des Gatten gerächt. Isis ist die Schwester; Osiris der Bruder; Typhon der Gatte. 2. Als letzterer erfahren, daß seine Gemahlin Isis durch die blutschänderischen Begierden ihres Bruders geschändet worden war, tötete er Osiris, zerstückelte ihn gliedweise und streute die zuckenden Gliedmaßen der elenden Leiche längs dem ganzen Ufer des Nilflusses hin. Isis verstieß Typhon und benützte für sich, um ihren Bruder und  Gatten zu bestatten, ihre Schwester Nephtus zur Hilfe und den Jäger Anubis, welchem deshalb ein Hundskopf gegeben wurde, weil er die zerstückelten Körperteile mit der Fertigkeit eines Spürhundes fand. Den auf diese Weise gefundenen Osiris übergab Isis dem Grabe. 3. Sicherlich waren sie in Ägypten Könige und Tyrannen zugleich, doch Osiris rechtschaffen, abgesehen von der Freveltat an seiner Schwester, Typhon rasend, zügellos und übermütig. Darum wird jener verehrt, dieser gemieden. Das ist der Kern des Isisdienstes. Im innersten Heiligtum halten sie des Osiris Bild vergraben, beweinen es mit jährlichen Trauerklagen, scheren das Haupt, um das erbärmliche Ende ihres Königs durch die Häßlichkeit eines entstellten Hauptes zu betrauern, zerschlagen sich die Brust, zerfleischen die Arme, entfernen die Narben der alten Wunden, damit durch jährliche Trauerklagen in ihrem Geiste das schaurige und erbärmliche tödliche Ende neu erstehe. Und nachdem sie dies an bestimmten Tagen getan, dann geben sie sich den Anschein, als «suchten» sie die Überreste des zerstückelten Leichnams, und jubeln, wenn sie dieselben gefunden, wie wenn damit der Trauer ein Ende wäre. 4. O elende und nichtige Menschheit! Um deinen Königen Jahr für Jahr düstere Totenopfer zu weihen, vernachlässigst du den höchsten Gott, der alles mit göttlicher Kunstfertigkeit und Leitung geschaffen, und verlierst deine Hoffnung und dein Leben und läßt dich nicht durch den Glanz des dir erschienenen Lichtes auf bessere Wege bringen und suchst nicht die Kennzeichen der wiedererlangten Freiheit und erkennst nicht die Hoffnung des dir verliehenen Heiles und flehst nicht aus Reue über die vergangenen Missetaten um Nachlassung. 5. Vergeblich wähnst du, daß das Wasser, das du verehrst, dir einmal Nutzen bringe. Ein anderes Wasser ist es, durch welches die Menschen erneuert und wiedergeboren werden. Dieses Wasser, das du Jahr für Jahr verehrst, trocknet eine andere Macht aus, indem sie die Adergänge auskocht. oder jedenfalls wird  es verunreinigt durch das unglückliche Blutvergießen deines Königs. Jenes Feuer-Wasser, welches du verachtest, wird durch die Majestät des verehrungswürdigen Geistes verherrlicht, daß mit ihm in die alten Narben des Gewissens den gläubigen Menschen Heil und Gesundheit eingeträufelt werde. 6. Doch bei diesen traurigen Leichenbegängnissen, welche in der Tat Leichenbegängnisse sind, die einst stattfanden, deren Reste heute noch vorhanden sind – denn das Grab des Osiris ist heute noch in Ägypten und man sieht dort die Überreste des verbrannten Leichnams – wollen ihre Verteidiger eine natürliche Erklärung beifügen; sie sagen, die Samen der Früchte seien Osiris, Isis die Erde, Typhon die Wärme. Weil nun die durch die Wärme gereiften Früchte zum Lebensunterhalt der Menschen gesammelt, so von der Gemeinschaft mit der Erde gelöst und getrennt werden und wiederum beim Herannahen des Winters ausgesät werden, behaupten sie, daß der Tod des Osiris darin bestehe, wann sie die Früchte einheimsen, die Auffindung aber, wann die Früchte von der wärmenden Umhüllung der zeugenden Erde umfangen in jährlich wiederkehrender Zeugung neu zu entsprießen beginnen. 7. Angenommen, daß dies die richtige Erklärung für jene religiösen Gebräuche ist, angenommen, daß wegen der Früchte den Göttern Gelöbnisse erstattet werden: warum fügst du dann Blutschande, warum Ehebruch, warum die Strafe, das erbärmlich schlimme Ende hinzu? Warum lieferst du den irrenden und einfachhin sündelustigen Menschen mit deinen religiösen Gebrauchen ein böses Beispiel? Die natürliche Erklärung, welche du angibst, möge auf andere Weise verheimlicht werden. Doch warum sollte man verheimlichen, was allen bekannt ist? Warum betrauert ihr die Früchte? Warum beklagt ihr die wieder aufsprießenden Samen? 8. Zur Erhaltung des  Menschengeschlechtes ist das alles durch die göttliche Güte des höchsten Gottes geschenkt. Danken muß man deswegen dem höchsten Gott, aber nicht die Freigebigkeit des höchsten Gottes betrauern. Beweinet vielmehr, daß ihr im Irrtum seid und klagt über euren Irrtum in stets wiederholter Trauer. Sucht nicht Jahr für Jahr in religiösen Gebräuchen eine fremde Leichenbestattung, Für eure Leichenbestattungen holt vielmehr Trost in den einzelnen Jahren. 9. O elender Mensch, du freust dich, daß du ich weiß nicht was gefunden habest, während du doch deine Seele durch diese religiösen Gebräuche Jahr für Jahr zugrunde richtest. Du findest dort nur ein Götterbild, das du selbst dort geborgen, mit dem Unterschied, daß du es immer wieder suchst oder betrauerst. Suche lieber die Hoffnung des Heiles, suche das Anbrechen des Lichtes, suche, was dich dem höchsten Gott empfiehlt oder versöhnt, und wenn du den richtigen Weg des Heiles gefunden hast, dann freue dich und verkünde frei mit erhobener Stimme: wir haben’s gefunden und freuen uns, wann du von diesem Verderben auf deine Reue hin durch die Gnade des höchsten Gottes erlöst worden bist.

3. Die Vergötterung der Erde im Kybele (Magna Mater)- und Attisdienst der Phygier

  1. Die Phrygier, welche Pessinunt bewohnen an den Ufern des Gallusflusses, weisen der Erde den Vorrang vor den anderen Elementen zu und erklären sie als Mutter des Alls. Auch sie haben, um für sich eine Anordnung jährlicher religiöser Gebräuche vorzunehmen, der Liebe eines reichen Weibes, und zwar ihrer Königin, welche die spröde Zurückweisung von seiten eines geliebten Jünglings grausam rächen wollte, in jährlichen Trauerklagen eine religiöse Weihe gegeben. Damit sie nun dem zornigen Weibe Genüge leisteten oder der Reuigen Trost verschafften, faselten sie von einem Wiederaufleben des kurz zuvor Begrabenen und errichteten, da das Herz des Weibes in übermäßig großer Liebe brannte, dem verstorbenen Jüngling Tempel. Was sodann das zornige Weib zur Rache für verschmähte Schönheit getan, das sollen die von ihnen eingesetzten Priester erdulden. So wird in jährlichen  religiösen Gebräuchen der Erde zu Ehren jene prunkvolle Leichenbestattung veranstaltet, um die erbärmliche schlimme Leichenbestattung zu ehren, während dabei den Menschen die Überzeugung beigebracht wird, daß sie die Erde verehren. 2. Hier, allerheiligste Kaiser, nehmen sie ebenfalls, um jenen Irrtum zu verschleiern, an, daß auch diese religiösen Gebräuche auf natürlicher Begründung beruhen. Sie behaupten, die Früchte lieben die Erde. Attis aber, sagen sie, sei gerade das, was aus den Früchten erwächst, die Strafe indes, welche er erduldete, sagen sie, bestehe in dem, was der Schnitter mit der Sichel an den gereiften Früchten tut. Sie nennen es seinen Tod, wenn die Samen gesammelt und eingeheimst werden, sein Aufleben wiederum, wenn in jährlichem Wechsel die Samen ausgestreut und wieder an ihren Ort gesteckt werden. 3. Ich möchte nun, daß sie mir auf meine Frage Antwort geben, warum sie diese einfache Sache der Samen und Früchte mit einer Leichenbestattung, mit einem Todesfall, mit spröder Zurückweisung, mit Strafe, mit Liebe in Verbindung gebracht haben. War es somit nicht etwas anderes, was gesagt werden sollte? War es somit nicht das, was die elenden Sterblichen tun sollten, indem sie dem höchsten Gott für die Früchte Dank abstatten? Um für die neu erwachsenen Früchte Dank abzustatten, heulst du, um dich zu freuen, klagst du, und noch nicht hast du dieses Tun bereut, wiewohl du die richtige Erklärung eingesehen hast, sondern du handelst so, um mit den jährlichen Trauerfeiern beschäftigt immer das Leben zu fliehen und den Tod zu suchen. 4. Sie mögen mir sagen: Was hat dies den Früchten genützt, daß sie ihr Weheklagen in jährlichen Jammertönen erneuern, daß sie über die unselige neu veranstaltete Leichenbestattung aufseufzen, daß sie dies auf natürliche Erklärung  zurückführen? Ihr trauert und klagt und verheimlicht eure Trauer durch eine andere Begründung. Es weiß der Landmann, wann er die Erde mit dem Pflug zerteilen soll, weiß, wann er den Furchen das Getreide anvertrauen muß, weiß, wann er die durch die Sonnenglut gereiften Samen sammeln, weiß, wann er die gedörrten Fruchte dreschen muß. Das ist die natürliche Erklärung, das sind die richtigen Opfer, welche von den Menschen mit gesundem Sinn in jährlicher Arbeit gebracht werden; diese einfache Sache verlangt die Gottheit, daß die Menschen beim Sammeln der Früchte den bestimmten Gesetzen der Jahreszeiten dienen. Warum suchte man für diese Ordnung die Wahnidee eines elenden Todesfalls? Warum wird mit Tränen verheimlicht, was nicht geheimgehalten werden sollte? Sie müssen also bekennen, daß diese religiösen Gebräuche nicht zur Ehre der Früchte, sondern zu Ehren eines fremdartigen Todesfalls angeordnet wurden, 5. Denn wenn sie die Erde die Mutter aller Götter nennen, diejenigen, welche diesem Elemente die erste Rolle zuteilen, so ist sie in der Tat ihrer Götter Mutter. Das leugnen oder weisen wir gar nicht zurück; denn aus ihr setzen sie ja ihre Götter zusammen und machen sie stets aus Stein oder Holz. Die ganze Erde umströmen die Meere und sie wird hinwiederum durch den sie umgebenden Kreis des Ozeans umschlossen und eingefaßt, wird auch mit der hohen Wölbung des Himmels bedeckt, von den Winden durchweht, von Regenströmen bespritzt und gesteht ihre Angst durch fortgesetztes Beben und Zittern. Erwägt, was euch erwartet, die ihr Derartiges verehrt, wenn doch eure Götter euch ihre Schwäche in täglichen Geständnissen verraten.

Dieser Beitrag wurde unter Die Schriften der Kirchenväter veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.