Palle

Palle – Oskar Meding

Ein historischer Roman aus dem Medici-Florenz des späten 15. Jahrhunderts. Der aus Königsberg stammende Meding benutzte auch die Pseudonym ‘Gregor Samarow’ und ‘Leo Warren’, unter denen er viele Romane veröffentlichte. Häufig schrieb Meding über Themen der jüngeren Geschichte.

Palle

Palle.

Format: eBook

Palle.

ISBN eBook: 9783849656577.

 

Auszug aus dem Text:

 

In der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, als der Papst Sixtus IV. auf dem Stuhl St. Peters saß und der päpstliche Hof, umgeben von seinen Kardinälen, welche an überreicher Pracht die Könige der Christenheit selbst überboten, von den stolzen Fürsten Roms und von den Gesandten aller Staaten Europas, ein schimmerndes Bild vielfarbigen Glanzes darbot, vereinigten sich diejenigen Elemente der Gesellschaft, welche man heute die Haute finance nennen würde in der Via de Banchi, welche nach der Engelsbrücke und dem Castel San Angelo hinführte. Diese Straße war diejenige, welche heute Via de Banchi vechi heißt und an welche sich die Via de Banchi nuovi anschließt. In dieser Straße lagen die großen Bankhäuser, welche sich fast ausschließlich in den Händen der Florentiner und einiger Sienesen befanden. Hier hatten die damaligen Finanzgrößen, welche heute teils verschwunden, teils zu Fürsten geworden sind, wie die Strozzi, Chigi, Niccolini und Altoviti ihre Sitze. Auch die beiden florentinischen Patriziergeschlechter der Pazzi und der Medici waren hier glänzend vertreten. Die Bank der Pazzi lag in der Nähe der Brücke, etwas weiter zurück in der Straße die Bank der Medici, welche allen voranstand an Geldmacht und Einfluß, ungefähr den heutigen Finanzgrößen wie Rothschild und Baring vergleichbar, denn die Medici waren Schatzmeister des heiligen apostolischen Stuhls und hatten alle offiziellen und persönlichen Geldgeschäfte des Papstes und der meisten Kardinale zu besorgen; sie hatten ihre Filialen in allen Städten Italiens, in Frankreich und Spanien, und es gab kein großes Kreditgeschäft der damaligen Handelswelt, bei welchem die Medici nicht den maßgebenden und leitenden Mittelpunkt bildeten. Alle diese Bankhäuser waren Paläste, deren Gewölbe unermeßliche Schätze an Gold, Silber und Kostbarkeiten aller Art enthielten, im Erdgeschoß und in den Umgebungen der Höfe befanden sich die weit ausgedehnten Comptoirräume, während in den oberen Etagen die Wohnungen und Festsäle der Bankhalter lagen. Sie sind meist heute verschwunden oder dienen niedrigem Volk zur Wohnung, soweit sie noch vorhanden sind, so daß man in den Fenstern statt der schweren Seidenstoffe schlechte Wäsche aufgehängt sieht und zerlumpte Kinder unter den Portalen spielen, durch welche nicht mehr die Boten aus allen Enden der Welt die Briefe der geldbedürftigen Könige und Fürsten herbeitragen oder die Nachrichten über den Fortgang großer industrieller und finanzieller Unternehmungen bringen.

Das Haus der Pazzi war vertreten durch den Neffen Jacopos, des Ältesten der Familie, den jungen Francesco Pazzi und das der Medici durch Giovanni Tornabuoni, den mütterlichen Oheim des Lorenzo de Medici, welcher an der Spitze der Regierung der florentinischen Republik stand.

Die beiden Familien waren verwandt, da Lorenzos Schwester Bianca mit Giuglielmo Pazzi sich vermählt hatte. Dennoch fand eine gewisse Eifersucht zwischen ihnen statt, da die Pazzi zu der alten florentinischen Patrizierpartei gehörten, während die Medici sich auf die demokratische Volkspartei stützten und durch deren Gunst und Verehrung ihre dominierende Stellung in Florenz errungen hatten und festhielten.

Diese Eifersucht übertrug sich auch auf die Verhältnisse der beiderseitigen Banken, obgleich die Vertreter derselben äußerlich in persönlich freundschaftlichem Verkehr standen. Die Pazzi aber empfanden es häufig, daß die Medici ihnen ihre finanziellen Unternehmungen durchkreuzten oder selbst an sich zogen, was ihnen um so leichter wurde, da sie als Schatzmeister des heiligen Stuhls einen natürlichen Einfluß auf die übrige Finanzwelt ausübten und auch einen tieferen Einblick in die für die Finanzoperationen wichtigen politischen Verhältnisse zu thun im stande waren.

In der Dämmerung eines Januarabends des Jahres 1477 ritt von der Engelsbrücke her in die bereits ziemlich stille Via de Banchi ein vornehmer Herr von stolzer Haltung auf einem prächtigen andalusischen Goldfuchs ein. Er war zwischen fünfunddreißig bis vierzig Jahre alt, sein stark gebräuntes Gesicht, mit der gebogenen Nase und dem spitzgeschnittenen dunklen Bart schien durch heftige Leidenschaften gewelkt, ein unstätes Feuer flammte in seinen dunklen Augen, bald höher aufsprühend, bald wieder wie in matter Gleichgültigkeit zusammensinkend oder sich hinter den halbgeschlossenen Lidern verbergend. Er trug auf dem lockigen Haar ein mit kostbarem Pelzwerk besetztes Barett, über seinem glatt anliegendem Anzüge von kunstvoll gewirktem Brokat hing ein ebenfalls mit Pelz verbrämter Überwurf von dunklem Sammet, prächtige Edelsteine blitzten von dem Gehänge und dem Griff seines zierlichen Degens, wie an dem Dolch in seinem Gürtel.

Zwei Diener, welche bei der allmählich herabsinkenden Dunkelheit bereits ihre Fackeln angezündet hatten, ritten voraus, sechs andere folgten in ehrerbietiger Entfernung und die glänzende Kleidung der Diener sowie die kostbar geschirrten Pferde zeugten für den hohen Rang und Reichtum ihres Herrn.

Die wenigen noch durch die Straßen schreitenden Fußgänger, sowie die aus den einzelnen Bankhäusern heraustretenden Beamten wichen ehrerbietig zur Seite und grüßten mit tiefer Verbeugung den aller Welt bekannten Grafen Girolamo Riario, den Neffen des Papstes, welcher nach dem Tode seines Bruders, den Sixtus IV. vom einfachen Mönch zum Kardinal erhoben hatte, fast ausschließlich das Ohr Seiner Heiligkeit besaß und, von seinem Oheim mit unermeßlichem Reichtum überschüttet, die meisten römischen Fürsten durch seine verschwenderische Pracht in Schatten stellte.

Graf Girolamo erwiderte die ehrfurchtsvollen Grüße der Vorübergehenden kaum durch eine flüchtige hochmütige Neigung des Kopfes und hielt, als er die Mitte der Straße erreicht hatte, vor dem Mediceischen Bankpalast, über dessen Portal man den Schild der Medici mit den sechs Kugeln und den drei Straußfedern in Stein gehauen erblickte.

Ein Diener war schnell abgesprungen, um den Steigbügel seines Herrn zu halten, der leicht und gewandt aus dem Sattel sprang und in das von den Thürstehern offen gehaltene Portal eintrat, während sein Gefolge auf der Straße zurückblieb.

Unter dem hohen Vestibül, das bereits durch große Wachsfackeln auf kunstvoll gearbeiteten Gestellen von Schmiedeeisen erleuchtet war, traten die von dem Thürsteher benachrichtigten Diener dem Grafen ehrerbietig entgegen und führten ihn auf seine Frage nach dem Herrn Giovanni Tornabuoni durch einen gewölbten und ebenfalls hell erleuchteten Korridor nach den Geschäftszimmern des Bankchefs.

Alles war hier mit geschäftsmäßiger Einfachheit aber doch dem Glanz des Mediceischen Hauses und dem Reichtum des Vertreters desselben entsprechend, eingerichtet. Nach einem großen Vorsaal, dessen kunstvolle Mosaikböden kostbare orientalische Teppiche bedeckten, trat Graf Girolamo durch die vor ihm weit geöffnete Flügelthür in das geräumige Arbeitszimmer ein, an dessen Wänden kunstvoll geschnitzte Akten- und Bücherschränke standen, während in der Mitte ein großer Schreibtisch, mit Briefen und Papieren bedeckt, von einem tief herabhängenden bronzenem Lüstre mit Wachskerzen beleuchtet wurde.

Giovanni Tornabuoni war damals etwa fünfzig Jahre alt. Er war einfach in ein pelzverbrämtes, weites Gewand von schwerer schwarzer Seide gekleidet, sein feines Gesicht mit den dunklen klugen Augen und dem ergrauenden, über der Stirn zurückgestrichenen Haar, war bartlos und zeigte mit dem feinen Munde, den ausdrucksvollen aber ruhigen Zügen weltmännische Verbindlichkeit und dabei eine feste und unbeugsame Willenskraft.

Er war dem Grafen bis zur Thürschwelle entgegengetreten, verbeugte sich tief und sagte:

»Ich bedaure, erlauchter Graf, daß Eure Exzellenz sich hierher in mein bescheidenes Arbeitszimmer bemüht haben, wäre ich früher von der Ehre Ihres Besuchs unterrichtet gewesen, so hätte ich Sie oben in meiner Wohnung würdiger empfangen.«

»Das hat nichts zu sagen, mein lieber Freund,« erwiderte Graf Girolamo, indem er dem gebückt vor ihm Stehenden mit herablassender Vertraulichkeit die Hand drückte, »ich weiß wohl, daß Eure Gemächer dort oben würdig wären, Seine Heiligkeit selbst zu empfangen, aber ich komme nicht, um Euch einen zeremoniellen Besuch zu machen, sondern um ein Geschäft mit Euch zu besprechen und sobald als möglich abzuschließen, und dazu ist wohl dieser Raum hier, aus welchem ja doch aller Glanz Eurer Säle dort oben hervorwächst, am meisten geeignet.«

»Ich stehe zu Eurer Exzellenz Befehl,« erwiderte Tornabuoni, indem er einen Lehnsessel heranzog und, nachdem der Graf Platz genommen, sich auf den hölzernen geschnitzten Arbeitsstuhl vor seinen Schreibtisch niedersetzte.

»Ihr wißt,« begann Graf Girolamo, »daß Seine Heiligkeit von dem Herzog Galeazzo Maria von Mailand die Stadt und Herrschaft Imola gekauft, welche jener von den Manfredi erworben. Der Tod des unter frevelhaften Mörderhänden gefallenen Herzogs Galeazzo hatte den vollkommenen Abschluß dieses Geschäfts etwas verzögert, alles ist aber jetzt mit der Herzogin Regentin in Ordnung gebracht und der Verkauf steht zur Ausführung. Der Vertrag ist geschlossen und es handelt sich um die Zahlung von dreißigtausend Goldgulden. Seine Heiligkeit hat in seiner Kasse selbstverständlich diese Summe nicht bereit liegen und es handelt sich darum, dieselbe so schnell als möglich zu zahlen; dem heiligen Vater ist an dem Abschluß sehr gelegen und auch ich,« fügte er lächelnd hinzu, »bin dabei beteiligt, da Seine Heiligkeit in seiner unerschöpflichen Gnade mir mit der Herrschaft Imola ein Geschenk zu machen beschlossen hat. Ich bin besonders erfreut dadurch zum Nachbarn der florentinischen Republik zu werden und dadurch meine freundschaftlichen Beziehungen zu Eurem Neffen, dem erlauchten Lorenzo, noch fester zu knüpfen.«

Tornabuoni hatte schweigend, ohne daß ein Zug seines Gesichts sich bewegte, zugehört und erwiderte, als der Graf schwieg:

»Ich kenne diese Verhandlungen, gnädigster Herr; Seine Heiligkeit hat die Gnade gehabt, mich davon unterrichten zu lassen, ich habe auch nach Florenz darüber berichtet, ich kann Eure Exzellenz versichern, daß die Signorie meiner Vaterstadt und insbesondere mein Neffe Lorenzo sehr erfreut sein werden über Ihre freundnachbarlichen Gesinnungen, und daß unsererseits bereits seit längerer Zeit alle Schritte geschehen sind, um den Wünschen Seiner Heiligkeit entsprechend die Kaufsumme flüssig zu machen.«

»Nun, das ist vortrefflich,« rief Girolamo freudig, »dann ist ja das Geschäft, das mich hierher geführt, schon so gut wie abgeschlossen und ich werde bald die Freude haben, den erlauchten Lorenzo von Imola aus zu besuchen.«

»Ich habe Eurer Exzellenz gesagt,« erwiderte Tornabuoni, »daß wir alle Schritte gethan haben, um die Kaufsumme flüssig zu machen, aber leider hat uns das bis jetzt nicht gelingen wollen. Die Zeiten sind schwer und das Geld sehr teuer, die Geschäfte bringen geringen Ertrag und unsere Mittel liegen in großen Unternehmungen fest, so daß wir noch nicht im stande waren, die von Seiner Heiligkeit gewünschte Summe aufzutreiben.«

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