Teppiche, Band 1

Teppiche, Band 1 – Clemens von Alexandria

Die “Stromata” (deutsch: Teppiche”) sind das dritte einer Trilogie von Werken über das christliche Leben. Die beiden anderen sind “Paidagogos” und “Protrepticus.” Die ältesten erhaltenen Manuskripte stammen aus dem elften Jahrhundert. Das Werk trägt den Titel “Stromata” (“Flickwerk”), weil es eine Vielfalt von Themen behandelt. Es geht dabei weiter als seine beiden Vorgänger und zielt auf die Vervollkommnung des christlichen Lebens durch Einweihung in das vollständige Wissen. Es versucht, auf der Grundlage von Schrift und Tradition eine solche Darstellung des christlichen Glaubens zu geben, die allen Ansprüchen gelehrter Männer gerecht wird und den Schüler in die innersten Wahrheiten seines Glaubens führt. Der Platz des Werkes in der Trilogie ist umstritten – ursprünglich wollte Clemens den “Didascalus” schreiben, ein Werk, das die praktische Anleitung des Pädagogen durch eine eher intellektuelle Schulung in Theologie ergänzen sollte. Die “Stromata” ist weniger systematisch und geordnet als Clemens’ andere Werke, und André Méhat hat die Theorie aufgestellt, dass sie für eine begrenzte, esoterische Leserschaft gedacht war. Dieser Band enthält die Bücher 1 – 3 des Gesamtwerkes.

Teppiche, Band 1

Teppiche, Band 1.

Format: eBook/Taschenbuch

Teppiche, Band 1

ISBN eBook: 9783849660253

ISBN Taschenbuch: 9783849668136

 

Auszug aus dem Text:

 

Erstes Buch

I. Kapitel

1.

 1. „…1 damit du sie immer wieder2 liesest und sie befolgen kannst.“3 Soll man aber überhaupt keine Schriften hinterlassen, oder sollen es nur bestimmte Leute tun? Und wenn das erstere, wozu ist dann die Schrift nütze? Wenn aber das andere, sollen es dann die Guten tun oder die, die nicht gut sind? Nun wäre es aber doch lächerlich, das Verfassen von Schriften durch die Guten zu verwerfen und bei denen zu billigen, die nicht gut sind.

2. Aber sollte man demnach dem Theopompos und dem Timaios,4 die unwahre Geschichten und Schmähschriften verfaßten, dazu auch Epikuros, dem Bahnbrecher der Gottlosigkeit,5 ferner dem Hipponax und dem Archilochos6 gestatten, so schamlose Bücher zu schreiben, dagegen den Verkündiger  der Wahrheit daran hindern, den nach ihm lebenden Menschen durch hinterlassene Schriften zu nützen? Es ist doch auch, wie ich meine, rühmlich, der Nachwelt wackere Kinder zu hinterlassen. Nun sind die Kinder Sprößlinge des Leibes, die Worte aber Sprößlinge der Seele.7

3. So nennen wir doch Väter diejenigen, die uns unterwiesen haben.8 Die Weisheit ist aber ihrem Wesen nach freigebig und gütig. Salomon wenigstens sagt: „Mein Sohn, wenn du das Wort meines Gebotes aufnimmst und bei dir birgst, so wird dein Ohr Weisheit vernehmen.“9

 

2.

1. Er deutet damit an, daß der ausgestreute Same des Wortes in der Seele des Lernenden wie in Erdreich geborgen werde, und dies ist geistige Aussaat. Deshalb fügt er auch hinzu: „Und du wirst dein Herz auf Einsicht hinwenden und wirst es hinwenden auf Ermahnung für deinen Sohn.“10 Denn wenn sich bei der Aussaat des Wortes eine Seele mit einer anderen Seele und ein Geist mit einem anderen Geist verbindet, so bringen sie, meine ich, den ausgestreuten Samen zum Wachstum und lassen ihn lebendig werden. Als Sohn aber gilt jeder, der sich dadurch erziehen läßt, daß er dem Erziehenden gehorcht. „Mein Sohn“, so heißt es, „vergiß meine Satzungen nicht!“11

2. Wenn aber die Erkenntnis nicht aller Sache ist,12 so sind die Schriften für die Masse das gleiche wie für einen Esel die Laute, um mit dem Sprichwort zu reden.13 Die Schweine freuen sich ja mehr am Schlamm als an reinem Wasser.14

3. „Deshalb“, so sagt der Herr, „rede ich in Gleichnissen zu ihnen, weil sie mit sehenden Augen nicht sehen und mit hörenden Ohren nicht hören und nicht verstehen“,15 womit nicht gesagt ist, daß der Herr das Nichtverstehen bei ihnen herbeiführt (denn solches zu denken, wäre nicht recht), sondern daß er das bei ihnen vorhandene Nichtverstehen in prophetischer Weise aufzeigte und kundtat, daß sie das Gesagte nicht verstehen würden.

 

3.

 1. Ferner sehen wir zum Überfluß noch, wie der Heiland selbst entsprechend der Fähigkeit jedes Empfängers, die es durch Übung zu steigern gilt, sein Vermögen unter seine Knechte verteilte und, nachdem er zurückgekommen war, mit ihnen abrechnete; da lobte er diejenigen, die sein Geld gemehrt hatten, „die im Geringen Treuen“, verhieß ihnen, „sie über viel zu setzen“, und gebot ihnen, „in die Freude ihres Herrn einzugehen“.

2. Dagegen zu dem, der das Geld, das ihm anvertraut worden war, damit er es auf Zinsen ausleihe, verborgen hatte und genau so viel, als er erhalten hatte, ungenützt zurückgab, sagte er: „Du schlechter und fauler Knecht, du hättest mein Geld bei den Bankhaltern anlegen sollen; dann hätte ich nach meiner Rückkehr das Meine16 abheben können.“ Zur Strafe dafür wird der unnütze Knecht „in die äußerste Finsternis“ geworfen werden.17

3. Auch Paulus sagt: „Du nun werde stark in der Gnade, die in Christus Jesus ist, und was du von mir unter Bestätigung durch viele Zeugen gehört hast, das übergib zuverlässigen Menschen, die geeignet sein werden, auch andere zu lehren.“18

4. Und wiederum: „Sei eifrig bemüht, vor Gott bewährt hinzutreten als ein untadeliger Arbeiter, der das Wort der Wahrheit richtig verwaltet.“19

 

4.

1. Wenn nun beide das Wort verkünden, der eine mit der Schrift, der andere mit der Rede, wie sollten dann nicht beide Lob verdienen, da sie den Glauben durch die Liebe wirksam machen?20 Da die Schuld bei dem liegt, der nicht das Beste wählte, ist Gott ohne Schuld21 So ist es denn die Aufgabe der einen, das Wort auf Zinsen hinauszugeben, die Aufgabe der anderen, es zu prüfen und es entweder zu wählen oder zu verwerfen. Die Entscheidung darüber fällt bei ihnen selbst.

2. Aber die Tätigkeit des Verkündens (des göttlichen Wortes) hat es immer mit einer Botschaft zu tun, und sie ist heilsam, auf welche von den beiden Weisen sie auch wirken mag, sei es mit der Hand (bei der Schrift) sei es mit der Zunge (bei der Rede). „Denn wer auf den Geist sät, wird aus dem Geist ewiges Leben ernten; laßt uns aber nicht müde werden,  das Gute zu tun!“22

3. Wer dank der göttlichen Vorsehung mit der Botschaft bekannt wird, dem verleiht sie jedenfalls die höchsten Güter: den Anfang des Glaubens, den Vorsatz, einen richtigen Wandel zu führen, das Streben nach Wahrheit, den regen Eifer im Forschen, die Wegspur zur Erkenntnis; sie eröffnet ihm, um es kurz zu sagen, den Weg zum Heil. Wer aber rechtmäßig in den Lehren der Wahrheit aufgezogen wurde, erlangt die Wegzehrung für das ewige Leben und wird für die Fahrt zum Himmel beflügelt.23

4. In ganz bewundernswerter Weise sagt daher der Apostel: „Indem wir uns in jeder Hinsicht empfehlen als Gottes Diener, als Arme, die aber viele reich machen, als solche, die da nichts haben und doch alles besitzen. Unser Mund ist euch gegenüber aufgetan.“24 Und in einem Brief an Timotheus sagt er: „Ich beschwöre dich vor dem Angesicht Gottes und Christi Jesu und der auserwählten Engel, daß du solches ohne Vorurteil beobachtest und nichts nach Gunst tust.“25

 

5.

1. Diese beiden müssen sich also selbst prüfen, der eine, ob er würdig ist, zu reden und Schriften zu hinterlassen, der andere, ob er befugt ist, zu hören und zu lesen. So gestatten auch manche bei der üblichen Verteilung des Herrenmahles, daß sich jeder einzelne vom Volk selbst seinen Teil nimmt.

2. Denn die beste Hilfe für das richtige Wählen und Meiden ist das Gewissen; dessen sicherer Grundstein aber ist ein rechtschaffenes Leben zusammen mit der geziemenden Lehre; und ebenso ist der Anschluß an andere, die sich bereits bewährt und Treffliches geleistet haben, die beste Hilfe für die Erfassung der Wahrheit und für die Erfüllung der Gebote.

3. „Wer daher unwürdig das Brot ißt und den Becher des Herrn trinkt, wird sich an dem Leib und Blut des Herrn versündigen. Es prüfe sich aber ein Mensch selbst, und sodann esse er von dem Brot und trinke von dem Becher!“26

 …

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