Zeugnis des Glaubens für die Gemeinde

Zeugnis des Glaubens für die Gemeinde – Michael Baumgarten

In diesem Werk sammelt der 1889 verstorbene protestantische Theologe sechs Predigten, die er im Laufe eines Kirchenjahres unter dem Thema “Zeugnis des Glaubens” gehalten hat. Dennoch geht es ihm nicht um die Anerkennung seiner Persönlichkeit und seines Glaubens , sondern um wie er ist, was er ist, lediglich und allein durch seines Gottes Gnade.

Zeugnis des Glaubens für die Gemeinde

Zeugnis des Glaubens für die Gemeinde.

Format: Paperback, eBook

Zeugnis des Glaubens für die Gemeinde.

ISBN: 9783849666057 (Paperback)
ISBN: 9783849662080  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

Jesus unser Vorbild im Gebrauch der heiligen Schrift.

Zur Eröffnung der schleswig-holsteinischen Pastoralconferenz in Schleswig am 6. August 1846

Sei mir gegrüßet, geliebte Brüder in Christo, die Ihr von allen Seiten unseres Landes Hieher zusammengekommen, damit wir uns hier durch gegenseitige Mittheilung in unserm großen, gemeinsamen Werke stärken und fördern. Obwohl ein anderer Ort für unsere Zusammenkunft bereits ausersehen und bestimmt war, so hat es sich dennoch so gefügt, daß wir abermals hier in Schleswig uns versammeln mußten, Ist es nicht, als sollten wir dadurch erinnert werden an den schönen und herrlichen Anfang unseres heiligen Werkes und Amtes in diesem Lande, der eben von hier ausgegangen ist, und hier seine tausendjährige Spur zurückgelassen hat?1) Und wie sehr ist diese Zurückweisung, diese Erinnerung gerade jetzt an der Zeit! Denn eben jetzt läßt es sich auch unter uns so ansehen, als ob die alte heidnische Natur, welche sich eine Zeitlang vor der Liebesmacht Jesu Christi hat beugen müssen, in ihrer ganzen Ungebrochenheit wiederum hervortreten will, und mit Pharao spricht: wer ist der Herr, deß Stimme ich gehorchen soll? Darum lasset uns hinschauen auf den alten Helden, unsern Vorkämpfer, der durch sein Wort und Werk dem fernen kalten und rauhen Norden das Verständniß und Gefühl einer auch das Todte und Erstarrte belebenden Liebe Gottes aufgeschlossen hat. Wir wissen ja auch nicht bloß von seinem äußerlichen Leben und Wirken, sondern es ist uns auch vergönnt, in sein reiches Gemüth, aus welchem sein großes Lebenswerk hervorgegangen ist, hineinzuschauen. In seinem Herzen lebte und webte eine große Fülle von göttlichen Gestalten und Bildern, von heiligen Gedanken und Erinnerungen; aber in seinem letzten, heißesten Kampfe waren es wenige einfache Worte, an welche er sich mit der ganzen Kraft seiner Seele anklammerte, und welche ihn als Stecken und Stab in dem dunkeln Thale trösteten; diese wenigen Worte warm nicht aus dem Schatze seines eigenen Herzens, sondern aus dem Buch der heiligen Schriften.. Wenn wir nun den Kampf des heiligen Ans gar aufnehmen und den Sieg gewinnen wollen, womit er gekrönet ist, so müssen wir. auch die Waffe führen, welche sich ihm als dir beste bewiesen hat; wir müssen, so begabt und erfahren wir auch immer sein mögen, doch an der heiligen Schrift den letzten unwandelbaren Halt haben. Ja, das ist es, was ich Euch, lieben Brüder, ans Herz legen will, damit unser Beisammensein gleich auf den rechten Grund hingestellet werde. Aber weit höher noch, weit herrlicher noch stehet und strahlet das Vorbild, an welchem ich Euch diese ausschließliche Bedeutung und Wichtigkeit der heiligen Schrift klar und gewiß machen möchte. Diese Stätte und diese Zeit erinnert uns an den Anfänger der evangelischen Predigt hier in unserm Lande; er selber aber, der Diener, erinnert an seinen Herrn, den Anfänger und Vollender des Glaubens selber. Und nicht nur der treue Knecht Christi, auf welchen wir hinblicken, zeigt uns durch seinen Vorgang in der heiligen Schrift die beste Wehr und Waffe: dasselbe erkennen wir in noch weit lehrreicherer und ergreifenderer Weise in dem Beispiele seines und unsers Herrn. Ich meine hier nicht, daß Christus uns über die Wichtigkeit der heiligen Schrift belehrt, auch nicht, daß er die hohe Bedeutung derselben zeigt, indem er durch ihre Anwendung Andere belehrt und ermahnt, sondern das meine ich, daß unser Herr die heilige Schrift für sich selber gebraucht, aus der heiligen Schrift für sich selber Stärkung und Erbauung schöpft. Wer ihn noch irgend vermag einen Herrn zu nennen, für den kann es keine nachhaltigere Empfehlung der heiligen Schrift geben, als dieses all unsere Selbstweisheit, Zweifelsucht, Trägheit, Unwissenheit tief beschämende Exempel. Vernehmet nun dasjenige Wort, in welchem uns dieses Exempel unsers Heilandes am klarsten vor Augen gestellt wird.

Text: Matth. 4, 1-11.

Der Zusammenhang, in welchem wir diese Geschichte finden, berechtigt und verpflichtet uns, etwas in hohem Grade Wichtiges und Eigentümliches hier zu erwarten. So eben ist der Herr getauft worden, hat also so eben die Weihe zu seinem Amte erhalten; aber nicht bloß in einem äußerlichen Zusammenhange mit dieser Salbung für sein Amt, auch im innerlichen Zusammenhange mit derselben steht die verlesene Erzählung. Denn derselbe Geist, mit dem er gesalbet ist, führet ihn in die Wüste, damit er versucht werde; das hier Erzählte sollen wir also als das erste Werk ansehen, das unser Herr in seinem Amte angefaßt und ausgeführt hat. Wenn nun schon der bewußte Anfang einer amtlichen Wirksamkeit an sich etwas höchst Bedeutungsvolles und Lehrreiches hat, so läßt die Eigentümlichkeit eben dieses Anfanges noch tiefer in das Innere des Herrn hineinschauen. Das erste Werk seines Amtes war nämlich, daß er die Versuchung über sich ergehen ließ und siegreich bestand. Versucht wird der Mensch, damit offenbar werde, was in ihm verborgen ist; denn der Herr versuchte Israel in der Wüste, heißt es 5. Mos, 8, 2, daß kund würde, was in seinem Herzen wäre. Das innere Geheimniß des Herzens ist nämlich für gewöhnlich mit Manchem umgeben, wovon man nicht gewiß sein kann, ob es dem Menschen wirklich angehört oder nicht; darum wird der Mensch in der Versuchung von diesem Aeußerlichen entkleidet, und ganz auf sich selber hingestellet, in dem Maße, daß Gott selber ihn verlasset, wie es von Hiskia in der Versuchung gesagt wird (2. Chron. 32, 31), In der Versuchung entzieht Gott dem Menschen jede andere Unterlage, und giebt ihn der ihm anerschaffenen Freiheit und Selbstentscheidung anheim, so daß nun zum Vorschein kommen muß, was der Mensch aus sich selber will; und das ist eben sein innerstes und eigentlichstes Wesen. Wird nun Jesus versuchet, so muß das, was von ihm aus dieser Zeit berichtet wird, ganz vorzugsweise als sein Eigenthümlichstes angesehen werden. Wir können es also aus dem genannten zwiefachen Grunde nicht stark genug betonen, daß uns diese Erzählung von dem Siege Jesu in der Versuchung, als dem ersten Werke seines Amtes, in das Geheimniß seines verborgensten Lebens einen Blick eröffnet. Was ist es nun, das sich uns zeigt? So eben hat er empfangen den heiligen Geist ohne Maß, derselbe ist auf ihn leibhaftig hernieder gekommen, um auf ihm zu bleiben. Wird er nicht aus dieser Geistesfülle nehmen und reden? Nichts weniger, als dieses. Unter Allem, was er antwortet, ist nur ein kurzes Wort aus seinem Eigenen entnommen, nämlich das letzte Triumphwort; alles Andere ist von außen her angeeignet und wird jedesmal als ein Solches anerkannt und ausgesprochen: es sind Worte der heiligen Schrift, welche jedesmal mit der ausdrücklichen Erklärung: es stehet geschrieben, eingeleitet werden. Wie aber sollen wir dieses lösen? Wir müssen erwarten, das Allerinnerlichste, das Allergeistigste zu vernehmen, und siehe, wir hören ein fremdes geschriebenes Wort! Dieses Räthsel weist uns zuerst in die Vergangenheit Jesu hinein. Nach seinem ewigen Wesen hatte unser Herr nicht bloß alle Erkenntniß und Weisheit, sondern er selber war ja das Wort Gottes, in welchem der ewige Vater sich selber erkannte und liebte; er war ja die Weisheit, die im Anfang vor Gott spielte, und welche die Werkmeisterin aller Creaturen wurde und ihre Lust hatte an den Menschenkindern. Alles dessen hat er sich begeben; auch dieses seines eigensten Besitzthums hat er sich entäußert und ist auch in diesem Stücke arm geworden, und wollte nicht anders wissen und erkennen, als in der Weise des Menschen; durch Lernen und Erfahren wollte er Alles wiedergewinnen (Hebr. 5, 8), was er aus Liebe hingegeben hatte. Das Wort der ewigen selbstständigen Weisheit und göttlichen Selbstbewußtheit ist eingegangen in die Welt, das Reich der Abhängigkeit, ist gekommen in die Menschheit, das Gebiet der bloßen Empfänglichkeit für das göttliche Wesen. Gin Kindlein ist er geworden und hat, sowie an Alter, auch an Weisheit zugenommen. Wer möchte nicht hineinschauen in das Geheimniß dieses Zunehmens und Wachsens an Weisheit! Es ist dafür gesorgt, daß wir in dieses Geheimniß einen Blick hineinwerfen können. Aus der Mitte dieser Entwickelung ist uns ein Wort überliefert, welches ohne Zweifel als ein entscheidendes angesehen werden soll, In diesem Worte spricht der Knabe sein ausschließliches Wesens- und Liebesverhältniß zu seinem himmlischen Vater mit völliger Klarheit und Bestimmtheit ans. Zu diesem Verständniß und Worte gelangte er, als er zum ersten Male die heilige Pilgerfahrt machte, als er zum ersten Male das Osterfest vollständig feierte und dadurch in die heilige Vergangenheit Israels auf das Lebendigste versetzt wurde (s. 2. Mos. 12, 26. 27; 13, 8. 14), als er zum ersten Male Jerusalem, „die Stadt des großen Königs“ (s. Matth. 5, 33) schaute, als er zum ersten Male den Tempel Jehovas betrat und den auf dem Stuhle Mosis Sitzenden zuhörte. Der Knabe war aufgewachsen in einer Umgebung, die nicht bloß auf das göttliche Werk der Schöpfung und Erhaltung hinwies, sondern in der auch Alles, was eine geschichtliche Spur an sich hatte, Gottes Offenbarungs- und Erlösungswerke predigte. Die Namen der Städte und Berge, die Einrichtungen und Gewohnheiten des häuslichen und öffentlichen Lebens, die Erzählungen der Alten (s. Ps. 78, 3) und Erinnerungen des Volkes leiteten die Seele des wißbegierigen Kindes zu den Geheimnissen Gottes. Was Wunder, daß der Knabe sich da, wo sich die heilige Vergangenheit und Gegenwart des erlösenden Gottes am deutlichsten offenbarte, am mächtigsten angezogen fühlte! Aber die Seele, welche in dem Heiligthum Gottes mit aller Gewißheit ihre eigentliche Heimat erkannte, stehet scharf und läßt sich durch halbe Wahrheit nicht befriedigen. Da er nun nicht verkennen konnte, daß auf Alles, was der fortgehenden Einwirkung menschlicher Vorstellung und Darstellung ausgesetzt war, die Macht des Irrthums Einfluß gewinnt, daß selbst das Wort der öffentlichen Lehre, das den Knaben sonst mehr, als alles Andere, erfaßte, am wenigsten von dieser Trübung und Entstellung verschont geblieben war: so mußte in ihm das Verlangen nach einer völlig sicheren und untrüglichen Richtschnur der göttlichen Wahrheit entstehen. Eine solche ersah er sich mit demselben sicheren Blick, der in dem Heiligthum Gottes seine Heimat erkennt, in der heiligen Schrift, in welcher die göttliche Offenbarung aller störenden Einwirkung menschlicher Willkühr entnommen ist. Nun versenkte er all seine Triebe nach Erkenntniß in dieses heilige Buch, und nachdem er von Andern so viel gelernt, daß er dasselbe lesen und verstehen konnte, ging er mit demselben in die Einsamkeit, wie es sich grade mit einem Buche leicht thun läßt; denn nicht in den Schulen hat er die Schrift gelernet (s. Joh. 7, 15), sondern für sich in ungestörter Stille, Hier hat er gesehen und gehöret von seinem himmlischen Vater, hier hat er von ihm gelernet (s. Joh. 8, 26. 28. 38. 40), gelernet seinen Willen zur Erlösung Israels und aller Heiden durch den, welchen er gesandt; denn hier hat er vorgezeichnet gefunden die Bahn, welche er durchwandeln sollte. Daher spricht er am Anfange dieser Laufbahn: Siehe, ich komme, in der Buchrolle stehet über mich geschrieben (s. Ps. 40, 8; Hebr. 10, 7), und dieses Bewußtsein von der heiligen Schrift, als der das Ganze nicht nur, sondern auch alles Einzelne bestimmenden Richtschnur seines Lebens, begleitet ihn bis in seinen letzten Kampf hinein; denn Johannes schreibt: Da nun Jesus wußte, daß Alles vollendet war, was geschrieben stehet, sprach er: mich dürstet (Joh. 19, 28). Denn nicht sowohl einzelne Worte waren es, sondern die ganze Reihe der göttlichen und menschlichen Thatsachen, welche er in der heiligen Buchrolle geschrieben fand, in welchen er als in einem von Gott selber entworfenen und ausgeführten Vorbilde sein ganzes Werk vorgezeichnet sah und seiner Seele einprägte. Er ist der wahre König Israels, der nicht bloß das Gesetzbuch las und lernte, sondern dergestalt in sich aufnahm, daß er niemals, weder zur Rechten noch zur Linken gewichen ist (vgl. 5 Mos. 17, 18-20). Nachdem er so in der Zeit seiner stillen Verborgenheit sich in die Schrift hineingelebt hatte, so steht ihm jetzt, da er zum ersten Male in sein öffentliches Werk eintreten soll, die Schrift ganz besonders lebendig vor der Seele, und da der Geist ihn in die Wüste führt, so macht dieser ihm aus der heiligen Geschichte und Schrift die Bedeutung dieser Wüstenführung klar. Der Geist, erinnert ihn, wie er in seiner ersten Kindheit, gleich dem Volke Israel, aus dem Lande Canaan nach Aegypten habe flüchten müssen, wie er aber nach dem Vorgange Israels des erstgebornen Sohnes Gottes (s. 2. Mos. 4, 22. 23) aus Aegypten zurückgerufen sei (s. Matth. 2, 15); daß Israel ferner im rochen Meere getauft worden sei (s. 1. Kor. 10, 2), um nun als der Knecht Jehovas dazustehen und sein Werk auszuführen (s. Ps. 105, 43-45), und daß dieser Knecht Gottes sofort nach der Taufe in der Wüste versucht werden mußte (s. 5. Mos. 8, 2). Da nun aber Israel in dieser Versuchung nicht bestand, und also noch nicht der rechte Knecht Gottes war, so mußte die Versuchung von neuem aufgenommen und vollendet werden. Denn der Knecht hat sollen wieder gut machen, was verschuldet worden war; darum mußte er ebenda anfangen, und anfassen, wo die Geschichte der Menschheit in Stillstand und Rückgang gekommen war. Sollte aber der Knecht Gottes als der zweite Mensch durch eine zweite Versuchung herstellen, was in der ersten Versuchung verloren gegangen, so mußte er dahin treten, wohin die verlorene Menschheit gerathen war, er mußte nicht wieder im Garten, sondern in der Wüste versucht werden; und damit die zweite Versuchung der ersten ganz entsprechend würde, mußte auch hier der Versucher leibhaftig erscheinen. Nachdem nun 40 Tage in der Wüste vergangen waren, und die Versuchung sich auch durch dieses Zeichen als die Wiederholung und Vollendung der 40jährigen Versuchung Israels in der Wüste erwiesen hatte, ward durch die leibhafte Erscheinung des Versuchers alle Macht der Versuchung, welche in den 40 Tagen lag, noch einmal zusammengefaßt.

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